Ampel-Fraktionen einigen sich uff neues Klimaschutzgesetz

Die Ampelfraktionen haben sich nach monatelangem Ringen auf ein neues Klimaschutzgesetz verständigt. Mit dem flexibleren Gesetz ohne starre Sektorziele für den Treibhausgasausstoß sei auch der Weg für das geplante Paket zur Solarförderung frei, teilten die drei Ampelfraktionen am Montag mit. „Durch die Abschaffung der jährlichen Sektorziele im Klimaschutzgesetz ist sichergestellt, dass es keine Fahrverbote geben wird“, sagte FDP-Vizefraktionschef Lukas Köhler: „Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes stellen wir die deutsche Klimapolitik vom Kopf auf die Füße, denn ab sofort zählt nur noch, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden, und nicht mehr, an welcher Stelle die Emissionen reduziert werden. 2028 wird außerdem überprüft, ob auch die übrigen Regelungen im Klimaschutzgesetz abgeschafft werden können.“

Seine Grünen-Kollegin Julia Verlinden betonte: „Wir geben dem Klimaschutz in Deutschland ein starkes Update, das ihn fit macht für die nächsten 20 Jahre auf Deutschlands Weg zur Klimaneutralität.“ Das neue Klimaschutzgesetz binde die Bundesregierung auch erstmals, konkrete Klimaschutzmaßnahmen für die Zeit 2030–2040 aufzustellen. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sprach von einem Durchbruch und betonte mit Blick auf das Klimaschutzgesetz: „Durch die Novelle darf kein Gramm CO2 mehr ausgestoßen werden. Mit dem Solarpaket geben wir gleichzeitig wichtige Impulse für den Ausbau der Photovoltaik, der Windkraft und Biomasse.“

Einen Entwurf für ein neues Gesetz hatte Klimaminister Robert Habeck (Grüne) schon im Sommer 2023 vorgestellt. Der FDP ging es aber nicht weit genug. Sie wollte vor allem die jahresscharfen Ziele beim Treibhausgasausstoß für jeden einzelnen Sektor abschaffen. Damit wird vor allem Druck vom Bereich Verkehr von Volker Wissing (FDP) genommen.

Lindner und Wissing warnten

Mit dem Solarpaket wiederum sollen bürokratische Hürden für den Ausbau der Sonnenenergie in Deutschland fallen und so der Ausbau vorangetrieben werden. Der Betrieb von Balkonkraftwerken soll einfacher werden oder auch die Nutzung von selbst erzeugtem Photovoltaikstrom in Mehrfamilienhäusern. Auch die Möglichkeiten für Solaranlagen auf Äckern und Feldern sollen erweitert werden.

Im Gespräch war zuletzt auch eine finanzielle Förderung der heimischen Solarindustrie („Resilienzbonus“), die die FDP allerdings abgelehnt hatte. Mehrere Solarunternehmen erwägen angesichts der aktuellen Misere, ihre Produktion in Deutschland einzustellen. Als Grund wird genannt, dass chinesische Hersteller den Markt mit Modulen zu Dumpingpreisen fluteten. „Es wird keinen Resilienzbonus geben, um einzelne Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit zu subventionieren“, erklärte FDP-Mann Köhler dazu. „Stattdessen können sich die Menschen auf deutlich weniger Bürokratie und schnellere Verfahren freuen, wenn sie sich eine Solaranlage anschaffen wollen.“

FDP-Chef Christian Lindner hatte am Samstag an die Grünen appelliert, die Reform des Klimaschutzgesetzes nicht zu blockieren. Sollten die Grünen ihre Blockade nicht aufgeben, wären in Deutschland „drakonische Freiheitseinschränkungen bis hin zu Fahrverboten für Verbrennungsmotoren“ denkbar, sagte er. Zuvor hatte Wissing in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden vor Einschnitten für Autofahrer bis hin zu Fahrverboten gewarnt.

Wetter und maue Wirtschaft

Deutschland hat derweil seine Klimaziele im vergangenen Jahr nur deshalb erreicht, weil das Wetter warm war und weil die Wirtschaft schlecht lief. Das stellt der Expertenrat für Klimafragen in seinem jüngsten Prüfbericht für die Emissionsdaten fest. „Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen“, sagte der Vorsitzende des Rats, der Physiker Hans-Martin Henning, am Montag während der Vorstellung des Papiers in Berlin. „Damit wäre das implizite Jahresziel für alle Sektoren in Summe vermutlich nicht erreicht worden.“

Aufgabe des Gremiums ist es, die vom Umweltbundesamt UBA übermittelten Informationen zum Treibhausgasausstoß zu überprüfen. Grundsätzlich ließen sich die Daten nachvollziehen, so die Fachleute, das UBA hätte „zu keinen anderen Ergebnissen kommen müssen, aber können“.

So kritisiert der Rat die Ungenauigkeiten, die sich aus dem frühen Berechnungszeitraum ergäben, vor allem für die Gebäudewärme. Bislang werden die einzelnen Emissionsfelder (Sektoren) separat betrachtet: Stromerzeugung, Industrie, Verkehr, Gebäude, Abfall- und Landwirtschaft. Übersteigt der Ausstoß die vorgegebene Jahresgrenze in einem Sektor, muss das zuständige Bundesministerium mit einem Sofortprogramm den Überschuss ausgleichen. Verkehr und Gebäude reißen seit Längerem die Vorgaben.

Der Expertenrat bestätigt, dass Deutschland trotz Überschreitungen im Verkehr insgesamt unterhalb der Ausstoßgrenze geblieben sei. Es habe einen „starken Rückgang der Emissionen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um rund 10 Prozent von 750 auf 674 Megatonnen CO2-Äquivalente“ gegeben. „Dies ist der höchste prozentuale Rückgang binnen eines Jahres seit 1990. Das implizite Ziel für die Gesamtemissionen wurde damit erreicht.“ Der Ausstoß sei auch im Verkehr um 1 Prozent gefallen, habe die Vorgabe dort aber dennoch um 12,8 Megatonnen „deutlich“ verfehlt.

Im Gebäudesektor sei nach Absenkung um 8 Prozent das Jahresziel ebenfalls verpasst worden. Dies aber so knapp, dass sich die vom UBA berechneten Daten angesichts der genannten Berechnungsunschärfe „weder bestätigen noch verwerfen“ ließen. Dennoch sei nach der noch gültigen Gesetzeslage für beide Sektoren wiederum ein Sofortprogramm nötig. Dass Deutschland das Gesamtziel 2023 geschafft hat, lag laut Expertenrat an den starken CO2-Rückgängen in der Energiewirtschaft um 20 Prozent und in der Industrie um 8 Prozent. Erstere verringerte ihren Ausstoß um 52 Megatonnen, letztere um 13 Megatonnen.

„Maßnahmen reichen nicht“

Allerdings kam der Erfolg zu einem hohen Preis: Die stark rückgängige Kohleverstromung erklären die Wissenschaftler mit der Nachfrageschwäche der energieintensiven Unternehmen. Die Emissionsminderung in der Industrie sei ebenso dem „starken Produktionsrückgang“ geschuldet. „Dies und die generell schwache Wirtschaftsleistung trugen auch zum Rückgang im Straßengüterverkehr bei.“ Hingegen hätten die Pkw-Emissionen zugelegt. Dass die Gebäude 8 Megatonnen weniger emittierten, hatte laut Expertenrat zum Teil ebenfalls mit der Krise zu tun, da teures Gas gespart worden sei. Hinzu traten eine „anhaltend milde Witterung“ sowie andere Heizungsarten, womit Wärmepumpen und modernere fossile Anlagen gemeint sind.

Die Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds nach dem Beschluss des Verfassungsgerichts hätten das Klimaschutzprogramm vom Sommer 2023 und die Sofortprogramme für Verkehr und Gebäude beeinträchtigt. Die Mittelkürzung „verringert die Wahrscheinlichkeit, dass die angenommene Minderungswirkung tatsächlich eintritt“, so die Sachverständigen. Die Vizevorsitzende Brigitte Knopf rügte: „Die im Klimaschutzprogramm beschlossenen Maßnahmen für Gebäude und Verkehr reichen nicht aus.“