Agrarindustrie: „Ich sehe noch keine elektrische Alternative zum Diesel mit 200 PS und mehr“
Zum Ende des Jahres herrscht bei Fendt in Marktoberdorf traditionell Hochbetrieb. Rund tausend Landwirte sind in den Tagen vor Weihnachten wieder zur Hausmesse „Fendt-Technica“ gekommen und haben in der großen Ausstellungshalle auf dem Firmengelände die neuesten Errungenschaften des Traktorherstellers aus dem Allgäu unter die Lupe genommen.
Auch für weniger fachkundige Besucher offenbart die Modellpalette von Fendt spätestens auf den zweiten Blick, dass die Landwirtschaft heute mehr denn je eine Effizienz-Ökonomie ist: selbständig fahrende Traktoren mit bis zu 673 PS unter der klassisch-grünen Haube, Mähdrescher mit Schnittbreiten in der Größe eines Einfamilienhauses und Feldhäcksler, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz schon während der Ernte die Qualität von Mais und Gras bestimmen. „Unser Produktportfolio ist auf die Profi-Landwirtschaft ausgerichtet“, sagt Geschäftsführer Christoph Gröblinghoff.
Der 59 Jahre alte Westfale, der auf einem Bauernhof in Soest groß geworden ist und Landwirtschaft studiert hat, weiß, dass die Branche nichts mehr zu tun hat mit dem Idyll, das Großstädtern beim Gedanken an das Landleben gemeinhin vorschwebt. Seit 2020 führt er die Geschäfte beim „Dieselross“ aus dem Allgäu, das seit 1997 zum amerikanischen Agco-Konzern gehört und es allein in Deutschland auf einen Marktanteil von 25 Prozent bringt.

Die vollmechanisierte Landwirtschaft ist einer permanenten Leistungssteigerung ausgesetzt, weil die vorhandenen Flächen intensiver genutzt werden müssen. „Die zwei Megatrends, der Klimawandel und das Wachstum der Weltbevölkerung, bestimmen unser Geschäft: Wir müssen auf einer kleiner werdenden landwirtschaftlichen Nutzfläche hochwertige Nahrungsmittel zu bezahlbaren Preisen erzeugen“, erklärt Gröblinghoff die Herausforderung des Agrarsektors.
Gewinner sind grundsätzlich Landmaschinenhersteller wie Fendt: „Wir sind Profiteure des Strukturwandels. Überall in Europa werden die landwirtschaftlichen Betriebe größer. Sie benötigen leistungsfähigere Maschinen und können die neuen Technologien sinnvoll und effektiv einsetzen.“
Marktmacht alleine reicht nicht
Die hohe Marktmacht und das gute Wachstumspotential bedeuten nicht automatisch gute Zahlen für die Landtechnikindustrie. Das Geschäft der Maschinenbauer hängt stark an der Investitionsbereitschaft der Landwirte. Es ist eine wechselhafte Beziehung. Und so müssen die Hersteller mit den hohen Marktschwankungen zurechtkommen. Vor einem Jahr noch gab es bei Fendt an drei Standorten Kurzarbeit, sogar Gerüchte über einen Stellenabbau machten die Runde.
Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Das Stammwerk von Fendt in Marktoberdorf, einer 19.000-Einwohnerstadt am Alpenrand, hat der Agco-Konzern 2012 für 600 Millionen Euro modernisiert. Herzstück ist hier die Getriebefertigung, in der 1600 der 3000 Produktionsmitarbeiter beschäftigt sind. Die Fertigungstiefe ist mit 85 Prozent außerordentlich hoch. Bis zu 25.000 Maschinen können jedes Jahr gebaut werden.
Fendt gilt in der Branche als der Mercedes unter den Traktoren und lässt sich das gute Image teuer bezahlen. Auch innerhalb des Agco-Konzerns ist Fendt die erklärte Premiummarke im Traktorsegment, das von den Marken Massey Ferguson, Valtra und Challenger komplettiert wird.
In der politisch unsicheren Lage in den USA, wo der Mutterkonzern ansässig ist, kommt Fendt eine besonders hohe Aufmerksamkeit zu. „Der europäische Markt nimmt für Agco eine sehr bedeutende Stellung ein“, sagt Gröblinghoff. Agco leidet auf dem Heimatmarkt derzeit unter hohen Rückgängen des Verkaufs von Traktoren und anderen Landmaschinen. Unter US-Präsident Donald Trump und dessen Zollpolitik hat sich die Krise der hoch verschuldeten Landwirte weiter verschärft. Allein Soja macht ein Drittel des amerikanischen Anbaus aus, und die Ernte der Feldfrüchte war gut.
Aber wegen des Handelskriegs mit China fällt der Hauptabnehmer aus. „Die Politik der US-Regierung schadet vielen amerikanischen Farmern“, sagt Gröblinghoff. „Nicht nur die Landwirte leiden, auch bei Infrastruktur und den nachgelagerten Industrien wie der Getreideverarbeitung, den Mälzereien oder den Schlachthöfen wird sich mit Investitionen zurückgehalten.“ So ist die Krise der amerikanischen Farmer auch eine des börsennotierten Agco-Konzerns.
Fendt muss in dieser Gemengelage mehr denn je der Rolle als Technologieführer im Konzern gerecht werden. Die Allgäuer unternehmen große Anstrengungen, um die CO2-Werte ihrer Traktoren, Mähdrescher und Maishäcksler zu verbessern. Nach Angaben des Bundesumweltamtes verursacht die deutsche Landwirtschaft 60 Millionen Tonnen CO2. Das sind rund neun Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen. Fendt bietet seit gut einem Jahr einen batterieelektrischen Spezialtraktor mit knapp 75 PS an.
Anders als in der Autoindustrie sind Elektrotraktoren jedoch noch nicht voll wettbewerbsfähig. Der Fendt e107 Vario bringt es im Teillastbereich auf eine Einsatzzeit von maximal sechs Stunden. Er ist gegenüber dem vergleichbaren Dieselfahrzeug rund 60 Prozent teurer und lohnt sich allenfalls für Landwirte, die mittels Photovoltaik, Windkraft oder Biogas ihren Strom selbst erzeugen.
Von den 18.500 Traktoren, die Fendt in diesem Jahr verkaufen dürfte, entfallen gerade einmal 250 auf das neue Elektromodell. Der Absatz liegt „etwas unter Plan“, gibt Gröblinghoff zu. Aber an den physikalischen Grundsätzen können auch die Allgäuer nicht rütteln.
Derzeit ist die Leistungsdichte einer Batterie rund zehnmal niedriger als die eines Diesels. „Ich sehe noch keine elektrische Alternative zum Diesel mit 200 PS und mehr“, sagt Gröblinghoff. „Sobald wir leistungsfähigere Batterien zu niedrigeren Preisen haben, wird es echte Absatzchancen für den Elektro-Traktor bis 150 PS geben, aber sicher nicht vor Ende dieses Jahrzehnts.“