Agentur im Abschwung: Werbekonzern WPP fällt tiefer

Der Aktienkurs des Werbekonzerns WPP ist nach einer Warnung vor weiter sinkenden Umsätzen um mehr als 12,5 Prozent gefallen. Der Börsenwert sank am Donnerstagvormittag auf 3,4 Milliarden Pfund (3,9 Milliarden Euro), den niedrigsten Stand seit fast siebzehn Jahren. Zuvor hatte das bri­tische Unternehmen schlechte Geschäftszahlen für das dritte Quartal und eine Warnung vor der Verfehlung der Jahresziele gemeldet. Der Umsatz in den Sommermonaten fiel auf 3,3 Milliarden Pfund, dies war ein Rückgang um 8,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Bereinigt um durchlaufende Kosten für andere Dienstleister brach der Umsatz sogar um mehr als elf Prozent ein. Wie WPP nun mitteilte, werde der Jahresumsatz um bis zu sechs Prozent sinken.

Die neue Vorstandschefin Cindy Rose nannte die jüngste Entwicklung „inakzeptabel“. Ihre Stellungnahme waren die ersten öffentlichen Worte, seit die frühere Microsoft-Managerin im Sommer den Posten vom langjährigen WPP-Chef Mark Read übernommen hat. Das Unternehmen mit rund 100.000 Mitarbeitern, das vor Kurzem vom französischen Wettbewerber Publicis als größter Werbekonzern der Welt überholt wurde, hat in diesem Jahr mehrere wichtige Werbekunden wie Coca-Cola, Mars und Paramount an Publicis verloren. Besonders macht der Werbebranche aber der Aufstieg von Künstlicher Intelligenz (KI) zu schaffen.

Die Technologie zwingt WPP als Werbeagentur in Konkurrenz zu den Technologieunternehmen Google und Meta, die ihren Reichtum ebenso mit Werbung erwirtschaftet haben. In der Vergangenheit dienten sie vornehmlich als reichweitenstarke Werbeplattformen. Mit dem Aufkommen von KI als allgemein nutzbarer Technologie drängen die Un­ternehmen aber immer stärker in Bereiche, die zuvor Werbeagenturen besetzt hatten.

KI verändert das Werbegeschäft grundlegend

So kann man den Einbruch des tra­ditionell starken Mediengeschäftes von WPP um 5,7 Prozent im Jahresvergleich in einer Reihe mit dieser Entwicklung sehen. Aufgabe dieses Bereichs ist es, die optimalen Ausspielungskanäle für Werbekampagnen zu finden und einzukaufen. Gut 70 Prozent des Werbemarktes, der im vergangenen Jahr auf einen globalen Umsatz von einer Billion Dollar kam, entfallen auf den digitalen Raum. Und genau hier nutzen die Technologieunternehmen ihre starke Präsenz und Torwächterfunktion. Mit eigenen, KI-gestützten Werbetechnologien versuchen sie, Kunden im Mediageschäft direkt zu sich zu locken, anstatt sie den Umweg über eine Werbeagentur gehen zu lassen.

Ebenso unterliegt die Produktion von Werbeanzeigen starken Veränderungen durch KI. Für seine globalen integrierten Agenturen meldete WPP einen Umsatzrückgang von 6,5 Prozent. In der Vergangenheit brauchten große Kampagnen mehrere Monate Planungs- und Produktionsaufwand. Durch generative KI können Anzeigen in allen Formen – Text, Bild, Video und Audio – in wenigen Stunden generiert und platziert werden. Kampagnen werden schon jetzt innerhalb von Tagen entworfen und umgesetzt – während gleichzeitig eine wesentlich höhere Zahl von Anzeigenformaten erstellt werden kann als zuvor. Für Werbung in den eigenen Kanälen stellen die Digitalunternehmen ebenso KI-Werkzeuge zur Erzeugung von Anzeigen bereit.

Kampf gegen die Werbegiganten

WPP-Chefin Rose hat wegen der schlechten Zahlen eine Strategieüberprüfung angeordnet. Sie sagte, WPP müsse „die Umsetzung deutlich ver­bessern“ und die interne Organisation „drastisch vereinfachen“. Ein Standbein für diese Neuausrichtung dürfte die KI-Vermarktungsplattform WPP Open Pro sein. Das Angebot soll Werbekunden befähigen, Kampagnen eigenständig für alle wichtigen Kanäle zu entwerfen und zu veröffentlichen.

WPP stellte Open Pro eine Woche vor Veröffentlichung seiner Quartalszahlen am 23. Oktober vor. Das Angebot richtet sich explizit auch an kleinere Unternehmen, die sich sonst nicht die Dienstleistungen einer großen Agentur leisten könnten – und greift somit auf kleiner Ebene die Konkurrenzprodukte der Technologieunternehmen an.