„Agenda 2030“: Was dies Die Schwarzen-Wachstumskonzept taugt
Nach drei Jahren Ampelregierung sieht die CDU die Wirtschaft in der Krise und das „Geschäftsmodell Deutschland“ in Gefahr. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir insgesamt wieder eine größere volkswirtschaftliche Leistung erbringen“, sagte der Kanzlerkandidat von CDU und CSU, Friedrich Merz, am Donnerstag im Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten. Man müsse sich die Steuerentlastungen erarbeiten. „Das heißt, wir stehen vor einer gewaltigen Kraftanstrengung.“ Der CDU-Vorsitzende sprach von einer Agenda, die für die ganze nächste Wahlperiode geplant sei. Zur Rentenentwicklung sagte Merz, er wolle ehrlich mit den Wählern sein und nicht verschweigen, dass die Renten zwar auch in Zukunft stiegen, aber langsamer als bisher. „Scholz verspricht Rentensteigerungen in einer Höhe, die nur zulasten der jungen Generation gehen kann.“ Er wolle sich auf einen „Überbietungswettbewerb“ mit den Sozialdemokraten nicht einlassen.
Um den Standort wieder flottzumachen, will der CDU-Bundesvorstand an diesem Freitag in Hamburg eine „Agenda 2030“ beschließen. Sollte die Partei dieses Programm nach der Bundestagswahl am 23. Februar in der Regierung verwirklichen können, verspricht sie sich davon einen Wachstumsimpuls für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von wenigstens zwei Prozent im Jahr. Für 2024 erwartet die scheidende Bundesregierung ein weiteres Schrumpfen des BIP um 0,2 Prozent. 2025 und 2026 sagt sie ein Plus von 1,1 beziehungsweise 1,6 Prozent voraus. Die Industrieländerorganisation OECD prognostiziert für 2025 und 2026 nur Zunahmen um 0,7 und 1,2 Prozent. Die Erwartung für 2025 ist die kläglichste in der Gruppe, die Eurozone wächst nahezu doppelt so schnell wie Deutschland.
Abgabenniveau von 40 Prozent angepeilt
Gegen diese Schwäche setzt die CDU ihre Agenda 2030. Deren Name erinnert an die Agenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zu Beginn der Zweitausenderjahre. Der Wahlkampfcharakter des Entwurfs, der der F.A.Z. vorliegt, ist unverkennbar. Der Begriff „Ampel“ kommt als abschreckendes Beispiel 14-mal vor, etwa in dem Satz: „Die Ampel ist gescheitert, sie war immer weit weg von den Menschen und Unternehmen im Land.“ Die Agenda soll, mit dem Wahlprogramm der Union, auf dem Bundesparteitag am 3. Februar in ein „Sofortprogramm“ münden. Damit will „eine unionsgeführte Bundesregierung mit besonderer Priorität ab Tag eins ihres Regierungshandelns Maßnahmen (umsetzen), die einen echten Aufbruch für unser Land bedeuten“.
Der Politikwechsel habe vor allem ökonomisch zu erfolgen: „Denn Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne eine starke Wirtschaft ist alles nichts.“ Die Sicherungssysteme müssten finanzierbar bleiben, es sei wichtig, dass sich das Abgabenniveau „wieder auf die 40-Prozent-Marke hinbewegt“. Derzeit beträgt die Quote aller Sozialversicherungen 41,9 Prozent für Personen mit einem Kind und 42,5 für Kinderlose. Die Abgabenlast sei die zweithöchste in Europa. Wie die Beitragssätze fallen sollen, erklärt der Entwurf jedoch nicht, es gibt keine Abschnitte zur Renten-, Gesundheits- oder Pflegeversicherung.
Immerhin soll es eine „große Steuerreform“ in vier Schritten von 2026 bis 2029 geben. Der Einkommensteuertarif müsse flacher verlaufen, der Spitzensteuersatz solle erst von 80.000 Euro an im Jahr greifen, heißt es; derzeit sind es 68.480 Euro. Der Grundfreibetrag werde erhöht, der Soli abgeschafft. Das Absetzen von Kinderbetreuungskosten will die CDU erleichtern, Überstundenzuschläge von Vollzeitbeschäftigten steuerfrei stellen. Über die „Aktivrente“ könnten Ruheständler künftig 2000 Euro im Monat steuerfrei hinzuverdienen.
Womöglich 126 Euro netto mehr von 2000 Euro brutto
Wie würden sich die Vorschläge auswirken? Der Bund der Steuerzahler hat Fälle für die F.A.Z. durchgerechnet. Er vergleicht das CDU-Konzept mit dem aktuellen Steuertarif, auch wenn die Korrektur erst nächstes Jahr starten soll. Die Zahlen sind deshalb mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren. Nächstes Jahr wird der Steuertarif noch einmal verschoben, zudem plant die Union, ihre Entlastung über vier Jahre zu strecken. Aber einen ersten Anhaltspunkt, wer wie von den Plänen betroffen wäre, liefern die Zahlen gleichwohl. So könnte ein Single mit 2000 Euro brutto im Monat auf 126 Euro netto mehr im Jahr hoffen. Mit 4500 Euro im Monat wären es 1086 Euro. Und mit 8000 Euro sogar 2649 Euro – jeweils (wie auch in der Folge) einschließlich Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
Eine Alleinerziehende mit einem Kind und 3000 Euro im Monat würde den Berechnungen zufolge netto um 348 Euro entlastet. Mit 4000 Euro stiege die Entlastung auf 734 Euro und mit 5000 Euro auf 1122 Euro. Ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern und einem Monatseinkommen von 3500 Euro könnte netto 134 Euro mehr erwarten. Wenn beide arbeiten sollten (2000/4000 Euro), haben sie 1042 Euro zusätzlich in Aussicht, mit den doppelten Einkommen wären es 3496 Euro. Ein kinderloser Unternehmer mit einem Monatsgewinn von 9000 Euro kann auf 2669 Euro mehr hoffen. Ein alleinstehender Rentner, der 2022 in den Ruhestand ging und 3000 Euro im Monat hat, hätte 307 Euro mehr zur Verfügung.
„Neue Grundsicherung“ statt Bürgergeld
Die CDU kündigt auch an, die Körperschaftsteuer von 15 auf zehn Prozent zu senken und die Gewerbesteuer von im Schnitt 15 Prozent zu vereinfachen. Das Ziel lautet, die Gewinne insgesamt nur noch mit 25 statt mit 30 Prozent zu belasten. Kürzlich berichtete das Ifo-Institut, Deutschland besteuere im G-7-Kreis seine Kapitalgesellschaften am stärksten. Viele EU-Staaten erhöben ein Drittel weniger.
Die Union will das Bürgergeld zugunsten einer „Neuen Grundsicherung“ abschaffen. Wer keine Arbeit aufnehmen wolle – und zum Beispiel nicht im Jobcenter erscheine – , dem werde die Grundsicherung gestrichen. Der Vermittlungsvorrang werde wieder eingeführt, über Änderungen der Hinzuverdienstgrenzen und Transferentzugsraten müsse es sich lohnen, eine Arbeit aufzunehmen. Um mehr Fachkräfte zu gewinnen, strebt die Partei an, Bildung und Ausbildung zu verbessern, bei gleichwertiger Förderung beruflicher und akademischer Qualifizierung. 2,4 Millionen Personen zwischen 18 und 34 Jahren hätten keinen Berufsabschluss. Für Migration in den Arbeitsmarkt sieht das Papier eine neue „digitale Bundesagentur für Fachkräfteeinwanderung“ vor. Jede fünfte Betriebsgründung gehe auf Unternehmer mit ausländischen Wurzeln zurück. Für alle Arbeitnehmer soll es eine flexible wöchentliche Höchstarbeitszeit geben statt einer täglichen.
Über das Senken von Stromsteuer und Netzentgelten möchte die CDU den Strompreis um fünf Cent je Kilowattstunde drücken. Zum Wohle der Autoindustrie soll das Verbrenner-Aus fallen. Man will mit Cybersicherheit „Made in Germany“ punkten und das Land attraktiv für Kryptounternehmen machen. Mit Sonderabschreibungen will die CDU für mehr Wohnraum sorgen. In der Finanzpolitik hält sie an der Schuldenbremse fest, damit „aus Schulden von heute nicht die Steuererhöhungen von morgen werden und Deutschland weiter Stabilitätsanker in der Eurozone ist“. In einem „Kassensturz“ würden alle Ausgaben überprüft, vor allem Subventionen der Ampel.
Merz sagte, was in den vergangenen Jahren aus der EU an Bürokratie gekommen sei, sei „wirklich und endgültig viel zu viel“. Man müsse einen beachtlichen Teil der europäischen Regulierung zurücknehmen. Es gebe die feste Zusage von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass das Thema angegangen werde. „Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie bewahren wollen, dann müssen wir jetzt wirklich tief schneiden.“