African Parks: Misshandelte Baka im Kongo, Prinz Harry und Deutschlands Entwicklungshilfe – WELT

Schwefelein Herz, so hat es Prinz Harry oft erklärt, gehöre Afrika. Schon wie Jugendlicher besuchte welcher britische Royal den Kontinent, solange bis heute engagiert er sich zu Händen die Menschen vor Ort. Mit seiner Stiftung Sentebale etwa unterstützt er Kinder und Jugendliche, die von Armut, HIV und zuletzt im gleichen Sinne von Corona betroffen sind. Auch Afrikas Tierwelt liegt dem 39-Jährigen am Herzen, und er kann Einfluss nehmen: Die nichtstaatliche Organisation African Parks – sie verwaltet 22 Nationalparks und Schutzgebiete in 12 Ländern – beförderte Harry jüngst vom Präsidentenamt in den Vorstand.

Nun zugegeben beschert unbedingt dieses Engagement dem Prinzen schlechte Presse. Die „Sunday Mail“ behauptete jüngst in einem viel beachteten Artikel, dass Indigene in einem der Nationalparks von African Parks von Wildhütern misshandelt wurden. Angestoßen hatte die Recherchen die Organisation Survival International (SI). Ihr zufolge wurden Männer des Stammes der Baka im Kongo von Rangern attackiert, auch eine Vergewaltigung gab es angeblich. Ort der Übergriffe soll der Odzala-Kokoua-Nationalpark sein. Vermögende Touristen können dort Lodges beziehen, Safaris unternehmen und seltene Tiere wie Gorillas beobachten.

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Doch nicht nur Prinz Harry steht nach dem Pressebericht unter Druck, auch das deutsche Entwicklungshilfeministerium (BMZ) hat bereits öffentlich Stellung bezogen. Denn auch Gelder des BMZ fließen in eben jene afrikanischen Nationalparks und sogenannte „Biodiversitätszonen“, die die Lebensräume der Baka im Kongo zusätzlich marginalisieren.

„Waterboarding“ und heißes Wachs auf die Haut

Kritiker bemängeln, dass der propagierte Schutz der Umwelt auf Kosten der letzten Urvölker geht. Und Survival International – eine 1969 gegründete Menschenrechtsorganisation mit Fokus auf den Schutz von indigenen Völkern und Stammesgesellschaften, die spendenfinanziert arbeitet – kritisiert schon lange die Vertreibung der Baka (früher „Pygmäen“ genannt).

Teils dürfen die Stammesmitglieder den Regenwald, in dem sie seit Jahrhunderten lebten und der sie ernährte, nicht mehr betreten. Mindestens 5000, höchstens 30.000 Baka gebe es noch im Kongo sowie in Kamerun und Gabun, sagt SI. Sie lebten als Landlose oder würden, so kritisiert SI, als „Touristenattraktionen“ vermarktet.

Bilder aus einer Baka-Siedlung, 2009
Bilder aus einer Baka-Siedlung, 2009
Quelle: picture alliance / africamediaonline

Auch Reporter der „Sunday Mail“ dokumentierten die prekäre Lage des Stammes. Sie trafen für ihren Bericht auf Baka, die auf der Suche nach Honig offenbar in den Regenwald gegangen waren. Dort wurden sie nach eigenen Angaben gefesselt, geschlagen und beschimpft. Die Männer seien zudem mit heißem Wachs übergossen worden, heißt es in dem Artikel. Einige berichten von Waterboarding, also dem Drücken unter Wasser, sodass sie dachten zu ertrinken.

Als „Grund“ sei ihnen, so recherchierte es auch die Tagesschau in einem Bericht, gesagt worden, dass sie zu tief in den Park eingedrungen wären. Randzonen seien zur Nahrungssuche freigegeben, geschützte Bereiche aber nicht. Hinzu kommt der Fall einer jungen Mutter, die von einem Ranger am Straßenrand vergewaltigt wurde. Linda Poppe von Survival International Deutschland bezeichnet die Berichte im Gespräch mit WELT als „absolut glaubwürdig“.

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Schon vor Monaten habe die Organisation, die in mehreren Ländern, darunter auch in Berlin, Büros betreibt, African Parks und auch den Prinzen – der ja in leitender Position tätig ist – über diese Vorfälle informiert. Harry habe, so Linda Poppe, auch schnell geantwortet und erklärt, die Vorwürfe an die Geschäftsführung weiterleiten zu wollen. Eine direkte Verantwortung des Royals sehe sie zwar nicht, räumt Poppe ein. Der Prinz gebe aber sein „Gesicht und auch sein Prestige“ für eine Organisation, die Fragen beantworten müsse.

Auch ein Sprecher von Prinz Harrys Stiftung „Archewell“ äußerte sich. Er erklärte in britischen Medien: „Als der Herzog (von Sussex) von diesen schwerwiegenden Vorwürfen erfahren hat, leitete er sie sofort an den CEO und Vorstandsvorsitzenden von African Parks weiter.“ Nun müssten die zuständigen Personen „Schritte“ unternehmen.

Touristenattraktion: Auch Elefanten leben im Odzala-Kokoua National Park
Touristenattraktion: Auch Elefanten leben im Odzala-Kokoua National Park
Quelle: picture alliance / africamediaonline

Baka ohne Lobby im eigenen Land

Eine Anwaltskanzlei wurde mit dem Fall beauftragt, bestätigt Poppe entsprechende Medienberichte. Ein Vorgehen, das die 41-Jährige für nicht ausreichend hält. Bei solch schweren Vorwürfen müsse es eine unabhängige Untersuchung geben, fordert sie. Von einer Strafverfolgung von Ort sei ihr aber nichts bekannt.

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Die Baka als Indigene und Halbnomaden hätten, so glaubt sie, keine Lobby. Der Verlust ihrer Lebensräume, die Vertreibung aus dem Regenwald und der Verlust der angestammten Lebensweise hätten bei der Volksgruppe deutliche Spuren hinterlassen: Sie verdingten sich nun oftmals als Tagelöhner in der Landarbeit, statt mit Geld würden sie oft nur mit Alkohol „bezahlt“. Krankheiten, Süchte und eine hohe Säuglingssterblichkeit seien die Folgen. Familien- und Stammesstrukturen seien vom Verfall bedroht, ebenso die jahrhundertealten Initiationsriten.

Blick von oben auf den Odzala-Kokoua National Park
Blick von oben auf den Odzala-Kokoua National Park
Quelle: picture alliance / africamediaonline

Einer der Geldgeber der in Afrika immer öfter ausgelobten Biodiversitätszonen, zu denen das einstige Lebensgebiet der Baka im Odzala-Kokoua-Nationalpark gehört, ist das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Das BMZ unterstützt die Naturschutzgebiete mit Mitteln aus dem sogenannten Legacy Landscapes Fund (LLF), einem 2020 eigens gegründeten Weltnaturerbefonds. Die Stiftung soll gemeinsam mit anderen internationalen Partnern (Frankreich und Norwegen sind auch dabei) mittel- und langfristig weltweit den Artenschutz in 30 Schutzgebiete finanzieren.

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Das Startkapital lag laut Medienberichten bei knapp 82,5 Mio. Euro, langfristig soll das Stiftungsvermögen auf eine Milliarde Euro anwachsen. Geldgeber sind neben dem deutschen Steuerzahler auch selbst ernannte Philanthropen. Aus den USA ist etwa die „Gordon and Betty Moore Foundation“ dabei, in Deutschland engagiert sich Sabine Plattner, Ehefrau von SAP-Macher Hasso Plattner, mit ihrer „Congo Conservation Company“. Ein Finanzkonstrukt, das auch Kritik hervorruft. Unter der Überschrift „Menschen, Tiere, Millionen” hinterfragte die Zeitung „taz” schon 2020 den Einfluss einiger Superreicher, den jene in den Gebieten quasi durch die „Hintertür“ und oft ohne lokale Beteiligung der Menschen aus dem Globalen Süden gewönnen.

Aus Deutschland flossen über 200 Millionen an den LLF

Auch der deutsche Steuerzahler ist mit viel Geld an der Ausgestaltung des Legacy Landscapes Fund (LLF) und somit auch dem Odzala-Kokoua-Nationalpark beteiligt. Bisher seien, heißt es auf WELT-Nachfrage hin, Haushaltsmittel in Höhe von 212,5 Millionen Euro an den LLF geflossen (in den Jahren 2020 bis 2023). Weltweit unterstützte der LLF damit bereits „14 global herausragende Naturlandschaften“ mit langfristigen Finanzierungen. Jeder Park bekommt demnach eine Million US-Dollar pro Jahr, die Verwaltung übernehmen große Natur-Organisationen wie eben African Parks.

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Auf WELT-Nachfrage zu den mutmaßlichen Gewalttaten im Nationalpark heißt es in einer Stellungnahme, dass man die Vorgänge im Kongo „eng verfolgt”. Und weiter: „Menschenrechtsverletzungen sind zu Händen dies BMZ nicht annehmbar. Sollte es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu Vorwürfen kommen, ist die gründliche und unabhängige Aufarbeitung von höchster Priorität.“

Die Sprecherin des Ministeriums betont weiter, dass vor jeder Finanzierung durch den LLF Studien erstellt würden, um mögliche Umwelt- und Sozialrisiken zu identifizieren. Im aktuell laufenden Betrieb seien „einzelne Vorwürfe” prestigevoll geworden, die zugegeben von African Parks „umgehend untersucht und aufgearbeitet“ worden seien. Im konkreten Fall des Odzala-Kokoua-Nationalparks warte man nun die besagte Untersuchung der externen Rechtskanzlei ab.

Ein Kind in einer Baka-Ansiedlung
Ein Kind in einer Baka-Ansiedlung
Quelle: picture alliance / africamediaonline

Aufmunternd heißt es aus dem BMZ dann noch: „Nur wer präsent ist, kann Verbesserungen erzielen. Das BMZ tut dies etwa über die Förderung partizipativer Ansätze, menschenrechtlicher Standards oder Beschwerdemechanismen.“

Linda Poppe von SI reicht das nicht. Auch, weil ihre Organisation ganz grundlegende Bedenken beim Konzept der Biodiversitätszonen hat, die vom LLF vorangetrieben werden. Deutschland sei für das Projekt der größte Geldgeber und bestimme maßgeblich die Ausgestaltung, betont sie. Gearbeitet werde ihrer Meinung nach aber mit einer „veralteten Vorstellung“ von Naturschutz, mit einem „Bild von Wildnis, von quasi menschenleeren Gebieten”, die nicht mehr eintreten werden dürften.

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Von diesem Denkmodell betroffen seien nicht nur die Baka im Kongo. Auch in anderen Regionen gingen Lebensräume von Indigenen verloren, betont neben SI im gleichen Sinne die „Gesellschaft zu Händen bedrohte Völker“. Sie verweist aufwärts Tansania, wo die von welcher Regierung vorangetriebene Ausweitung von Naturschutzgebieten in welcher Serengeti Angehörige welcher Masai bedrohe (WELT berichtete).

Ein kolonialer Blick aufwärts die, die nicht mal Vorlesung halten können

Linda Poppe beklagt zudem, dass die Naturschützer aus Europa und den USA den Jägern und Sammlern oft mit „großem Misstrauen“ begegneten, obwohl ohne Rest durch zwei teilbar die Indigenen jene Gebiete doch solange bis zuletzt vor einer Zerstörung verteidigt hätten. Man scheine offenbar zu denken, dass Indigene heimlich jagten oder sich von Wilderern quasi „kaufen“ ließen. Dabei sei die Zerstörung welcher Ressourcen und welcher Naturwelt niemals von den Stammesgesellschaften ausgegangen. Ein kolonialer Blick komme womöglich dazu.

Hinter vorgehaltener Hand, so berichtet die studierte Politikwissenschaftlerin, die dies Kongobecken im gleichen Sinne selbst bereist hat, heiße es manchmal, die Indigenen würden die Komplexität welcher Lage nicht verstehen, sie könnten nicht einmal Vorlesung halten und schreiben. Die Problematik erkennt im gleichen Sinne ein Gewaltopfer, dies die „Sunday Mail“ zitiert: „Es fühlte sich an, wie würden wir wie Diebe in unserem eigenen Wald behandelt.“

Ein Baka am Randes des Waldes. Die Aufnahme stammt von 2009
Ein Baka am Randes des Waldes. Die Aufnahme stammt von 2009
Quelle: picture alliance / africamediaonline

Das BMZ gibt an, den Zwiespalt erkannt zu nach sich ziehen und positioniert sich aufwärts Nachfrage von WELT wie folgt: Naturschutz könne „ohne die Menschen vor Ort nicht triumphierend“ sein. Die „Lebensgrundlagen welcher lokalen und indigenen Bevölkerung“ hingen zugegeben doch entscheidend von „intakten Ökosystemen“ ab. Die Schutzgebietsverwaltung werde insofern stets unter „aktiver Beteiligung welcher lokalen Bevölkerung“ betrieben. Naturschutz könne, so dies BMZ weiter, insbesondere in abgelegenen Gebieten zudem eine wichtige Einkommensquelle sein.

Eine These, die Linda Poppe ebenfalls bezweifelt. Vom Tourismus – acht Tage „Gorilla Trekking“ in welcher Region werden nebst Reiseanbietern zu Händen 14.000 Euro angeboten – profitierten die Baka ihrer Einschätzung nachher kaum. Die Stellen wie Ranger seien an andere Kongolesen gegangen. Bei welcher Jagd nachher Wilderern – die teils durch „Prämien“ befeuert würden – gerieten oft die Indigenen ins Visier welcher Wildhüter. Und welches die Baka selbst von diesen „Alternativen“ zum traditionellen Lebensmodell halten, habe niemand gefragt, kritisiert die 41-Jährige. Ihr selbst hätten viele Baka berichtet, dass sie vor allem den Zugang zum Wald benötigten.

„Naturschutz mit dem Sturmgewehr“?

Noch kämpferischere Töne kommen von Fiore Longo, Leiterin von Survival Internationals Kampagne zur „Dekolonisierung“ von Naturschutz: „Der Naturerbefonds ist kein Leuchtturm-Projekt, sondern ein Irrlicht“, heißt es in einer älteren Pressemitteilung zu dem Thema. In den vergangenen Jahren hätten zudem immer wieder „schwere Skandale“ die deutsche Biodiversitätsförderung erschüttert.

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Namentlich genannt werden „sogenannte Prestigeprojekte“ des LLF, etwa im Nationalpark Lobeke (Kamerun), Salonga (Kongo) oder Kahuzi-Biega (Kongo). Auch dort sei es zu „schweren Misshandlungen, Mord und Vertreibung indigener Völker“ gekommen. Das Fazit fällt unbequem aus: „Der Legacy Landcapes Fund steht wie kein anderes Projekt zu Händen ein ‚weiter so‘“, denn dessen Fördervoraussetzung sei stets welcher „Ausschluss welcher lokalen Bevölkerung von einem Großteil ihres Landes“. Die Verbände, die Gelder erhalten hätten, stünden zudem teils zu Händen „Naturschutz mit dem Sturmgewehr“, spitzt SI zu.

Fest steht, dass die Ambitionen des LLF weitläufig sind: Wenn solange bis zum Jahr 2030 weltweit wirklich insgesamt 30 Landschaften wie reine Naturschutzgebiete ausgewiesen würden, könnten die Lebensgrundlagen welcher letzten verbliebenen Indigenen weiter stark schrumpfen.

Eine Ansiedlung in traditioneller Bauweise
Eine Baka-Ansiedlung in traditioneller Bauweise
Quelle: picture alliance / africamediaonline

Anderswo scheint sich ein Umdenken anzubahnen: Die französische Regierung hat 2023 prestigevoll gegeben, sich nicht mehr an welcher Finanzierung des umstrittenen Kahuzi-Biega-Nationalparks in welcher Demokratischen Republik Kongo zu beteiligen. Der Park – er hat vereinigen beachtlichen Bestand an Flachlandgorillas – machte Negativschlagzeilen mit Gräueltaten gegen dies indigene Volk welcher Batwa, die schon 1975 aus dem Park vertrieben wurden. Auch dort sei es laut SI zu Gewalttaten von Parkwächtern gekommen, darunter Gruppenvergewaltigungen, Folter und sogar Mord.

Der ursprüngliche Plan, den Park hoch die staatliche Entwicklungsagentur AFD zu finanzieren, wurde jüngst von welcher französischen Staatssekretärin Chrysoula Zacharopoulou gekippt: Der Plan, so hieß es, würde „im Einklang mit unserer Forderung nachher Achtung welcher Menschenrechte“ aufgegeben.

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Source: welt.de