AfD zieht mit Caspar David Friedrich gegen dasjenige Bauhaus in den Kulturkampf

Dass der rechtsextreme Kulturkämpfer Hans-Thomas Tillschneider die Weimarer Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ besucht hat, ist weder bekannt noch anzunehmen. Der sachsen-anhaltinische AfD-Landtagsabgeordnete verbrachte dieses Jahr, wie er im Landtag verkündete, damit, Bücher über Caspar David Friedrich zu lesen. Dessen 250. Geburtsjubiläum beschert uns eine Vielzahl fantastischer Ausstellungen und Publikationen, aber eben auch den Versuch der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt, das Friedrich-Jahr als Sprungbrett für Angriffe auf das Bauhaus zu nutzen.

Für die anstehenden Landtagsberatungen brachte die rechtsextreme Fraktion einen Antrag unter dem Titel „Irrweg der Moderne – für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus“ ein. Die darin geäußerten Vorwürfe gegenüber dem Bauhaus haben es in sich: „Historische Bausünden, fragwürdige Werte, Ideologisierung von Kunst und Architektur sowie globale Verwertung als Einheitsbrei.“

Diese Parlamentsinitiative hat eine Vorgeschichte, die deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit erhielt als der jüngste Vorstoß. Bereits vor einem halben Jahr beantragte die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei die Auslobung eines „Caspar-David-Friedrich-Preises für Malerei“, der an Künstler verliehen werden solle, „die in Intention und Stil einen künstlerischen Bezug zu Caspar David Friedrich erkennen lassen und mit ihrem Schaffen einen identitätsstiftenden Beitrag zu einer spezifisch deutschen Malerei geleistet haben und für die Zukunft erwarten lassen.“

Caspar David Friedrich als deutscher Patriot

Was zunächst als folkloristische Traditionspflege erscheint, entpuppte sich in der Parlamentsdebatte als ideologisch aufgeladen. Tillschneiders Ausführungen reihen die maßgeblichen Stichworte des AfD-Gedankenguts auf: Caspar David Friedrich als deutscher Patriot, der dem westlichen Rationalismus abgeneigt und nach Osten orientiert sei, weshalb er heute in Russland geschätzt werde – bedauerlicherweise unterbrochen durch den „amerikanisch-russischen Stellvertreterkrieg in der Ukraine“.

Tillschneider führte weiter aus: „Ich bin mir sicher, würde Caspar David Friedrich heute leben, würde er das Geld der AfD spenden.“ (Beifall bei der AfD – Lachen bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf von Sebastian Striegel, Grüne: „Das bekommen Sie doch von Putin!“). Denn wie die Lützower Jäger damals für die deutsche Freiheit stritten, so kämpfen wir heute mit Reden, Flugblättern und Plakaten.

Es liegt nahe, dass eine solche Instrumentalisierung, gegen die sich Caspar David Friedrich nicht mehr wehren kann, auch die Idee eines Kunstpreises hervorbringt, der staatlich vorgegebenes Kunstverständnis fördern soll. Tillschneider formulierte es so: „Wir wollen keine Kopisten heranbilden, sondern sie sollen das Anliegen, das Caspar David Friedrich verfolgte – er wollte deutsch sein –, auf die Höhe der Zeit bringen. (…) Der Maler muss nur einen deutschen Stil ausbilden wollen, wie auch immer dieser aussehen mag.“

Mit den Stimmen der AfD fand dieser Antrag im Landtag von Sachsen-Anhalt keine Mehrheit. Tillschneider fügte jedoch hinzu: „Das Bauhaus ist – das sage ich einmal ganz ungeschützt – von einer abgrundtiefen Hässlichkeit und hat Bausünden begangen.“

Damit sind wir beim Bauhaus-Jubiläum in Dessau 2025/2026. Das Bauhaus, 1919 in Weimar gegründet, wurde fünf Jahre später durch die rechtskonservative Landesregierung unter Ministerpräsident Leutheußer vertrieben und nahm seinen Sitz in Dessau, bis es auch dort durch die Nationalsozialisten vertrieben wurde.

Die Nationalsozialisten schlossen das Bauhaus, während Mussolini es bauen ließ

Von Beginn an musste sich das Bauhaus gegen eine feindliche Umgebung behaupten. Wie Walter Gropius sagte: „90 Prozent der unerhörten Anstrengungen“ wurden für „die Abwehr von Feindseligkeiten auf lokaler und nationaler Ebene“ aufgewendet. Konservative Kreise sahen im Bauhaus eine linksgerichtete, internationalistische Bewegung. Das war die Kunstschule nicht per se, auch wenn ihr Avantgardismus revolutionär war und Revolutionär:innen anzog.

Am 15. September schloss die am symbolträchtigen 8. Mai 2024 eröffnete Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ der Klassik Stiftung Weimar ihre Pforten. An drei Orten – dem Bauhaus-Museum, dem Museum Neues Weimar und dem Schiller-Museum – wurden 250 Objekte gezeigt, die nachhaltig den weiterhin gepflegten Mythos widerlegen, die Bauhäusler seien immun gegen totalitäre Ideologien gewesen oder das Bauhaus selbst sei letztlich eine antifaschistische Institution.

Grundsätzlich greift die Vorstellung von „dem Bauhaus“ zu kurz. Harald Bodenschatz betonte, es gab mehrere Bauhäuser, die stets Produkt ihrer Orte und Zeit waren. Er nannte das Bauhaus in Weimar „Bauhaus in spe“ und das in Dessau „Bauhaus am Werk“.

Die Nationalsozialisten schlossen das Bauhaus, weil es als bolschewistisch galt, während Mussolini Bauhaus-Architektur bauen ließ. Entgegen verbreiteter Mythen bedienten sich sowohl der Nationalsozialismus als auch der italienische Faschismus funktionaler Architektur und Grafik. In der Weimarer Bauhaus-Schau dieses Jahres wurde ermittelt, dass 15 Prozent der Bauhaus-Studierenden der NSDAP beitraten. Jörg Restorff bemerkte: „Natürlich waren die meisten Mitläufer, doch es fehlte nicht an überzeugten Nationalsozialisten.“

So also könnte autoritär-populistische Kulturpolitik aussehen

Der jüngste Vorstoß der AfD unterstreicht die Bedeutung des Bauhaus-Jubiläumsprogramms, das eine differenzierte Darstellung verspricht. Die Parlamentsinitiative zeigt jedoch, wie autoritär-populistische Kulturpolitik aussehen könnte, wenn sie an die Macht käme. Dies sollte als Warnung für diejenigen dienen, die immer noch der Auffassung sind, die AfD könne entzaubert werden, indem man sie einfach mal regieren lasse.

Die Freiheit von Kunst und Kultur steht bereits unter erheblichem Druck seitens rechter, autoritär-populistischer Politik, insbesondere in Sachsen-Anhalt. Ein Beispiel dafür ist das IMPULS-Festival für Neue Musik, das seit 2016 verbalen und strukturellen Angriffen ausgesetzt ist, und dessen Förderung 2021 erstmals auf Betreiben der AfD nicht bewilligt wurde. Ähnlich erging es dem Theater der Altmark in Stendal, das unter Druck gesetzt wurde, seine inhaltliche Arbeit zu ändern.

Nach der Vertreibung des Bauhauses erklärte der kommunistische Abgeordnete Albin Tenner im Januar 1925 weitsichtig: „Wenn das Bauhaus einmal noch berühmter geworden ist und es wird ein Musterbau aufgeführt, soll Gropius die rechte Seite des Thüringer Landtags und diese Regierung fotografieren und am Fries mit der Unterschrift: ‚Die größten Banausen des Jahrhunderts‘ anbringen lassen.“ Ein solches Schild könnte heute an jedem Tisch der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt angebracht werden.

Benjamin-Immanuel Hoff ist Linken-Politiker, Sozialwissenschaftler, Publizist in Thüringen