Abschiebungspolitik: Bundesregierung verteidigt Gespräche mit islamistischen Taliban

Die Bundesregierung will laufende und geplante Gespräche mit den radikalislamistischen Taliban in Afghanistan nicht als Anerkennung des afghanischen Regimes sehen. Bei den Verhandlungen über mögliche Abschiebungen von Schutzsuchenden in Deutschland nach Afghanistan handele es sich lediglich um „technische Kontakte“, sagte Vize-Regierungssprecher Steffen Meyer. SPD und Grüne hatten die Pläne des Bundesinnenministeriums kritisiert, auch Menschenrechtler lehnen diese ab.

Laut einem Sprecher des Bundesinnenministeriums hatte
es Anfang September ein Treffen von Beamten mit
afghanischen Vertretern in der katarischen Hauptstadt Doha gegeben. Weitere Gespräche würden vorbereitet. Ziel sei es, afghanische
Staatsangehörige aus Deutschland abzuschieben. Die Kontakte seien erforderlich, um „deutlich regelmäßiger“ Menschen nach Afghanistan abzuschieben als bisher. Es gebe derzeit rund 11.000 ausreisepflichtige
Afghaninnen und Afghanen
. Laut dem Sprecher geht es derzeit um die
Abschiebung von afghanischen Straftätern und Gefährdern aus Deutschland
.

Bisher erkennt Deutschland die Taliban nicht als
legitime Regierung an. Diese hatten 2021 die Macht in dem Land erobert, nachdem sich die Nato-Partner – darunter auch deutsche Soldaten – aus dem Land zurückgezogen hatten. Die deutsche Botschaft in Kabul ist seitdem
geschlossen, die deutsche Hilfe zur Entwicklung Afghanistans wurde ausgesetzt. In den bisherigen Kontakten der Bundesregierung mit den Taliban ging es nach
Angaben des Auswärtigen Amtes vor allem um humanitäre Hilfe, Menschenrechte und Terrorbekämpfung.

Kritik an Menschenrechtslage

SPD und die Grünen kritisierten die Pläne unter der Führung von Bundesinnen- und Außenministerium, die beide von der Union geleitet werden.
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sagte bei RTL und ntv, der Plan zeige den Widerspruch, mehr Abschiebungen von
Straftätern zu ermöglichen, ohne mit den radikalislamistischen Terroristen der Taliban direkt zu verhandeln.

Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Marcel
Emmerich, sagte dem Tagesspiegel, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) mache „sich im Namen der Bundesregierung zum Handlanger und Kompagnon der Taliban“. Die Öffentlichkeit habe ein
Recht, zu erfahren, „was die Terroristen dafür erhalten“. Dobrindt mache
sich von einer islamistischen Organisation abhängig und sorge für
weniger Sicherheit im Land.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl nannte die
Gespräche mit Afghanistan einen Skandal. Der Bundesinnenminister untergrabe „mit
seiner Abschiebungsobsession die internationale Ächtung der Taliban,
die aufgrund ihrer Menschenrechtsverbrechen und der Entrechtung von
Frauen geboten ist“. Die Lage in Afghanistan sei „insgesamt
katastrophal“. Auch die Vereinten Nationen warnen bereits seit einiger Zeit vor Abschiebungen in den Unrechtsstaat

Laut Koalitionsvertrag sollen Abschiebungen nach Afghanistan wieder möglich gemacht werden. Vor allem nach islamistischen Anschlägen wurde darüber vermehrt diskutiert.

Die Menschenrechtslage in Afghanistan ist verheerend. Frauen und Mädchen haben dort kaum noch Rechte. Zuletzt wurde bekannt, dass bei einem schweren Erdbeben in dem Land überproportional viele Frauen ums Leben kamen – auch, weil ihnen Hilfe verweigert wurde. Doch auch Männer müssen mit willkürlicher Bestrafung aller Art rechnen.