Bundesregierung: So viel Grün steckt in Schwarz-Rot

Es waren markige Aussagen, mit denen sich die CDU für den Einzug ins Kanzleramt bewarb. Deutschland brauche „eine echte Wirtschaftswende“, hieß es, bei den Steuern ebenso wie bei Sozialausgaben und Bürokratie. Besonders schlecht weg kam der frühere Wirtschaftsminister Robert Habeck. „Eine Fortsetzung der grünen Wirtschaftspolitik schließe ich in einer von mir geführten Regierung definitiv und endgültig aus“, sagte Friedrich Merz im Dezember 2024, nachdem die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP auseinandergebrochen war. Inzwischen sitzt Merz bald acht Monate im Kanzleramt, und der erhoffte Wirtschaftsaufschwung lässt weiter auf sich warten. Der Kanzler hebt die bereits beschlossenen Reformen hervor. Die Industrie ist dagegen laut BDI-Chef Peter Leibinger „maßlos enttäuscht“. Zeit für eine Zwischenbilanz: Wie viel Ampel steckt noch in Schwarz-Rot? Wo gab es die versprochene Wende in der Wirtschaftspolitik und wo nicht?

Bürgergeld

Die stark gestiegenen Kosten für das Bürgergeld – mehr als 50 Milliarden Euro im Jahr – waren ein großes Thema im Wahlkampf der Union. Der Blick richtete sich vor allem auf jene 1,7 der 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger, die als erwerbsfähig gelten, aber nicht arbeiten. In diesem Bereich hat die schwarz-rote Koalition tatsächlich Änderungen eingeleitet. Der vor Weihnachten vom Kabinett verabschiedete Gesetzesentwurf sieht vor, dass aus dem Bürgergeld eine Grundsicherung mit mehr Mitwirkungspflichten wird. Nach dem dritten unentschuldigt verpassten Termin des Jobcenters soll den Beziehern die Leistung komplett gestrichen werden. In der SPD, auf deren Drängen das Bürgergeld Anfang 2023 erst eingeführt worden war, gab und gibt es jedoch Widerstand. Ob und mit welchen Änderungen das Gesetz den Bundestag passieren wird, wird eine der spannenden Fragen im neuen Jahr.

Steuern

Als die AfD in der letzten Sitzungswoche des Bundestags vor der Weihnachtspause die von Schwarz-Rot beschlossene Senkung der Körperschaftsteuer – um jährlich einen Prozentpunkt von 2028 bis 2032 – als „einen Witz“ bezeichnete, hielt Merz dagegen: Die Regierung entlaste die Unternehmen auch an anderer Stelle, mit den „höchsten Abschreibungssätzen, die es in Deutschland jemals gegeben hat“. Mit dem im Sommer von Bundestag und Bundesrat beschlossenen „Investitionsbooster“ können Unternehmen 2025, 2026 und 2027 jeweils 30 Prozent von Anschaffungsinvestitionen steuerlich geltend machen. Noch sehen Ökonomen allerdings keinen durchschlagenden Effekt der verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten. In der Einkommensteuer, die auch für viele Unternehmer die relevante Steuer ist, bleibt die Belastung vorerst so hoch wie zu Ampelzeiten. Wie die im Koalitionsvertrag versprochene Entlastung für mittlere Einkommen finanziert werden soll, ist unklar.

Energiepreise

Einen vergünstigten Strompreis für energieintensive Unternehmen hatte bereits der frühere Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Mai 2023 vorgeschlagen. Seine Nachfolgerin Katherina Reiche (CDU) verhandelt nun mit der EU-Kommission in Brüssel die letzten Details des Industriestrompreises. Habeck wollte 6 Cent je Kilowattstunde für 80 Prozent des Stromverbrauchs bis 2030, der aktuelle Plan sieht 5 Cent für 50 Prozent des Verbrauchs für drei Jahre vor. Was ebenfalls kommt, ist ein Bundeszuschuss zu den Netzentgelten in Höhe von 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2026. Einen solchen hatte auch Habeck schon geplant. Dieser musste den Zuschuss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse im November 2023 mangels Geld jedoch wieder streichen. Bei der Stromsteuer bleibt es vorerst bei dem, was schon die Ampelkoalition zur Entlastung der Wirtschaft beschlossen hatte: Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe müssen nur 0,05 Cent je Kilowattstunde zahlen, alle anderen weiter 2,05 Cent. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Senkung für alle verschoben Union und SPD im Sommer.

Gaskraftwerke

Ein Déjà-vu gibt es auch in der Energiepolitik. Reiche verhandelt mit der EU-Kommission nicht nur über den Industriestrompreis, sondern auch über die Förderung neuer Gaskraftwerke. Begonnen hatte diese Verhandlungen schon ihr Vorgänger. Hintergrund ist, dass Deutschland sogenannte „steuerbare Kapazitäten“ braucht, wenn es an Strom aus Erneuerbaren fehlt. Batteriespeicher allein können den Bedarf nicht decken. Die Lücke sollen Gaskraftwerke füllen. Habeck wollte ursprünglich fast 24 Gigawatt Kapazität ausschreiben, reduzierte seine Pläne später auf 12,5 Gigawatt. Über eine ähnliche Größenordnung verhandelt Reiche mit Brüssel. Die im Koalitionsvertrag angekündigten „bis zu 20 Gigawatt“ haben sich als nicht durchsetzbar erwiesen. Die Ampelkoalition wollte allerdings strengere Vorgaben machen, wie schnell die Gaskraftwerke mit Wasserstoff laufen sollen.

Kaufprämien für Elektroautos

Groß war der Aufschrei im Land, als Habeck im Dezember 2023 mit Verweis auf die Haushaltsnöte nach dem Verfassungsgerichtsurteil abrupt die Kaufprämien für Elektroautos strich. Rund zehn Milliarden Euro waren seit der Einführung des sogenannten Umweltbonus im Jahr 2016 in diese Subvention geflossen. Habeck bereute seine Entscheidung später öffentlich. Bislang fahren erst knapp zwei Millionen rein elektrisch betriebene Autos auf Deutschlands Straßen – bei einem Fahrzeugbestand von mehr als 49 Millionen. Nun knüpft die schwarz-rote Koalition an die Politik früherer Regierungen an. Nach dem Beschluss des Koalitionsausschusses soll es im neuen Jahr 3000 Euro Zuschuss für den Kauf eines Elektroautos oder Plug-in-Hybrids geben. Haushalte mit Kindern bekommen bis zu 1000 Euro zusätzlich. Neu ist eine Einkommensgrenze: Nur Haushalte mit weniger als 80.000 Euro zu versteuerndem Einkommen im Jahr sollen die Kaufprämie bekommen.

Deutschlandfonds

Kurz vor der Weihnachtspause stellten Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) den neuen Deutschlandfonds vor – der de facto eher ein Deutschland-Baukasten ist. Mit Garantien, Krediten und direkten Beteiligungen will der Bund Mittelständler beim Investieren unterstützen, junge Unternehmen beim Wachsen und Energieversorger beim Ausbau von Strom- und Wärmenetzen. 30 Milliarden Euro soll die staatliche Förderbank KfW dafür bereitstellen. Neu ist die Idee für einen Deutschlandfonds indes nicht. Im Oktober 2024 schlug Habeck bereits einen Fonds mit diesem Namen vor, wenn auch mit anderer Stoßrichtung: Sein Deutschlandfonds sollte Schulden aufnehmen, um unter anderem die Infrastruktur zu modernisieren. Die schwarz-rote Koalition tat dann genau das mit dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen, das sich ebenfalls aus Schulden speist. Auch Habecks Vorschlag, Unternehmen eine Investitionsprämie von zehn Prozent zu gewähren, ist in abgewandelter Form durch die verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten gekommen.

Heizungsgesetz

Wohl kein anderes Thema steht so sehr für die Abkehr von der Ampelpolitik wie der Umgang mit der Habeck’schen Reform des Gebäudeenergiegesetzes. „Abschaffen“ werde man diese, so hat es die Union in den Koalitionsvertrag verhandelt. Sie stört vor allem der Paragraph 71. Darin steht, dass nach dem Abschluss der kommunalen Wärmeplanung – in Großstädten bis Mitte 2026, in kleineren Städten bis Mitte 2028 – nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen. Der Paragraph regelt auch genau, unter welchen Bedingungen Holzpellet- oder Gas-Wärmepumpen-Hybridheizungen noch erlaubt sind. Für die Union steht fest, dass die 65-Prozent-Vorgabe fallen soll, die SPD stellt sich mit Verweis auf die Klimaziele gegen eine derartige Lockerung. Bis Ende Januar sollen die Eckpunkte stehen. Gut möglich, dass auch hier am Ende mehr grüne Politik bleibt, als die Union im Wahlkampf den Eindruck erweckte.