Wenn Narzissten nadeln: Es wäre zu wie am Schnürchen, Trump wie „verrückt“ abzustempeln

Wenn Narzissten nadelnEs wäre zu einfach, Trump als „verrückt“ abzustempeln

24.12.2025, 07:17 Uhr b58b01e6-b3b2-4108-ace9-39b8c6dbd390Ein Kommentar von Hubertus Volmer
President-Donald-Trump-addresses-the-nation-Wednesday-December-17-2025-from-the-Diplomatic-Reception-Room-of-the-White-House
US-Präsident Trump am vergangenen Mittwoch bei einer Fernsehansprache an die Nation. (Foto: picture alliance / Photoshot)

Donald Trump als psychologisches Phänomen zu erklären, kann entlastend wirken. Der Gefahr, die von ihm ausgeht, wird man damit allerdings nicht gerecht.

Die europäische Öffentlichkeit hat sich angewöhnt, davon auszugehen, dass Donald Trump nicht mehr alle Nadeln an der Tanne hat, wie man jahresendzeitbedingt sagen könnte. Tatsächlich gibt es Psychologen, die ihm Narzissmus bescheinigen. Aus offensichtlichen Gründen: Das Washingtoner Kulturzentrum namens Kennedy Center ließ der US-Präsident unlängst in „Trump Kennedy Center“ umbenennen. Gerade erst hat er eine neue „Trump-Klasse“ von Kriegsschiffen angekündigt. Auf den Bildern, die er in seinem Golfclub zeigte, trägt eins der geplanten Schiffe ein albernes Logo mit ihm selbst in kämpferischer Pose.

Ist Trump also kein politisches, sondern ein psychologisches Phänomen? Geht es nur um ihn als Person, kann man zu dieser Ansicht kommen. Keinesfalls jedoch sollte eine solche Einschätzung dazu führen, ihn und seine Jünger zu unterschätzen.

Aktuell wird innerhalb der republikanischen Partei darüber gestritten, ob auch Neonazis zur Trump-Bewegung gehören sollen. Mit der Rechtspopulistin Marjorie Taylor Greene hat der US-Präsident gebrochen – und sie mit ihm -, aber das ist ein Sonderfall. Normalerweise hat Trump nichts dagegen, der Messias auch von Rechtsextremisten, Rassisten und Verschwörungsaposteln zu sein.

Sein Vize JD Vance hat es gerade erst abgelehnt, sich von solchen Figuren zu distanzieren. „Präsident Trump hat die größte politische Koalition nicht dadurch aufgebaut, dass er seine Anhänger endlosen, selbstzerstörerischen Reinheitsprüfungen unterzogen hat“, sagte er. Es ist das Gegenteil einer Brandmauer. Auch Feinde der Demokratie sind in Trumps Bewegung willkommen. Die in Deutschland und Europa zu unterstützen, gehört inzwischen zur offiziellen US-Regierungslinie.

Parallelen zu Putin

Im eigenen Hinterhof erwägt Trump aktuell einen Angriff auf Venezuela. Auch eine Annexion Grönlands ist für Trump weiterhin auf dem Tisch, einen „Sondergesandten“ für die weitgehend autonome, zu Dänemark gehörende Insel hat er bereits ernannt. Allein das zeigt: Europa muss seine Sicherheit nicht nur schleunigst ohne die USA organisieren. Über kurz oder lang könnte es dazu kommen, dass Europa sich vor US-Übergriffen schützen muss.

Bei allen Unterschieden liegen die Parallelen zu Putins Russland auf der Hand. Trump droht mit Krieg, Putin führt ihn seit bald vier Jahren in großem Stil. Seltsamerweise unterstellen wir dem russischen Machthaber in der Regel ein politisches Kalkül, das Trump häufig abgesprochen wird. Auch hier liegt ein Missverständnis vor. Psychologisch dürfte Putin ähnlich wenig Nadeln an der Tanne haben wie Trump. In Sachen Narzissmus jedenfalls scheint der Kremlchef dem US-Präsidenten in nichts nachzustehen, wie zuletzt seine Inszenierung in seiner jährlichen Fernsehshow zeigte.

Politisch relevant sind solche Bewertungen nicht. Es kann entlastend wirken, Trump oder auch Putin für „verrückt“ zu erklären. Aber auch ohne Putin wäre Russland mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Bedrohung, auch nach Trump werden sich die USA nicht mit nichts dir nichts in eine stabile Demokratie zurückverwandeln. Beide, Putin und Trump, stehen für gefährliche politische Entwicklungen, gegen die Europa selbst keinesfalls immun ist.

Quelle: ntv.de

Source: n-tv.de