Vorratsdatenspeicherung: Kampf um vereinigen Popanz

Vorratsdatenspeicherung? Der Begriff war schon immer schräg und das Bild falsch: Es war nie so und wird auch künftig nicht so sein, dass der Staat die Daten all seiner Bürger anlasslos speichert, zentral hortet und sie zu gläsernen Untertanen macht. Jeder hinterlässt täglich zahlreiche Spuren, analog und digital. Im Fall des Verdachts einer Straftat kann der Staat darauf zugreifen und dann unter Umständen auch, wenn man so will, ein Bewegungsprofil erstellen. Nicht einfach so, sondern unter rechtsstaatlichen Bedingungen. Das sieht auch jeder ein. Ein dauerhafter Aufschrei beispielsweise gegen die Speicherung von Fahrzeugkennzeichen und die Möglichkeit ihrer Abfrage ist jedenfalls nicht bekannt.

Dass Internetanbieter nun Verbindungsdaten drei Monate speichern sollen, ist also eine Rückkehr zur Normalität, ein Gebot eines freiheitlichen Staates, der sich nicht selbst aufgibt. Geschuldet auch einer vernünftigen SPD, die anders als die Ampel-FDP die Bedeutung einer wirksamen (nicht nur scheinbaren) Strafverfolgung schätzt – auch das ist übrigens ein Wert von Verfassungsrang. Das hat auch der Europäische Gerichtshof längst eingesehen, der freilich wie auch das Bundesverfassungsgericht die Speicherung der Daten stets im Grundsatz anerkannt hat. Es kommt auf die Ausgestaltung an. Und selbstverständlich muss man hier genau hinsehen. Kinderpornographie und Betrug im Onlinehandel sind Fälle, in denen die Ermittlungen bisher oft ins Leere laufen, aber nicht die einzigen.

Dass die Strafverfolgung, die ja auch der Entlastung eines Beschuldigten dienen kann, stets verhältnismäßig sein muss, sollte klar sein. Doch gerade der in der Politik so beliebte Kampf gegen „Hass und Hetze“ hat zu fragwürdigen Auswüchsen geführt. Das bestätigt tatsächlich, dass man bei der Abwägung von Verfassungsgütern immer wachsam bleiben muss. Der nun schon bald ein Vierteljahrhundert währende Kampf um einen Popanz namens Vorratsdatenspeicherung hat jedenfalls viel Kraft gekostet. Die sollte man künftig sinnvoller einsetzen.

Source: faz.net