Leidenschaftlich, übertrieben, gewaltsam – dieser stärkste Mustang aller Zeiten

Kein künstliches Fiepen, kein elektrisches Surren, nur ein tiefes Dröhnen: Ford macht eine Kehrtwende bei der E-Mobilität und lässt einen Sportwagen aus dem Stall, der gar nicht erst versucht, vernünftig oder politisch korrekt zu sein.

Der Streit um die Zölle, fadenscheinige Friedensangebote, die Rolle rückwärts beim Klimaschutz – aus Washington kommen derzeit nur wenig gute Nachrichten. Doch gibt es ja noch Detroit. Während uns US-Präsident Trump die Liebe zu seinem Land unnötig schwer macht, beweist uns Motown, dass die USA immer noch großartig sind und man sie einfach lieben muss. Zumindest, wenn man ein Petrolhead ist und einen Sinn hat für Sportwagen hat, die gar nicht erst versuchen vernünftig oder politisch korrekt zu sein, sondern genauso vorlaut und protzig sind wie der Hausherr in Washington. So hat Ford bei der Elektromobilität gerade den Rückwärtsgang eingelegt, den Nachfolger des elektrischen F-150 gestrichen haben und auch hinter den Mustang Mach-E ein Fragezeichen gesetzt. Stattdessen steigt das Unternehmen voll aufs Gas und baut Autos, die nur so vor Benzin triefen.

Zum Beispiel den neuen Mustang GTD. Hinter dem harmlosen Namen, der seine Wurzeln im amerikanischen Rennsport hat, verbirgt sich nicht nur der bislang stärkste und schnellste Mustang in immerhin schon mehr als 60 Jahren Modellgeschichte, sondern dahinter auch eine unverhohlene Kampfansage an die europäische Elite auf der linken Spur. Lange haben Ferrari, Lamborghini, Porsche oder AMG über den meistverkauften Sportwagen der Welt nur milde gelächelt, weil er halt doch nur ein pubertäres Musclecar war. Selbst wenn er in den letzten zwei Generationen merklich an Raffinesse gewonnen hat und plötzlich nicht mehr nur auf der Geraden schnell war. Doch wenn im neuen Jahr die ersten Exemplare des GTD nach Europa kommen, könnte der Vollgasfraktion ihr hochmütiges Lachen im Halse stecken bleiben.

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Schon sein bloßes Dasein ist ein Schlag ins glänzend polierte Gesicht der europäischen Sportwagendynastien, die seit Jahrzehnten über allem stehen, was vier Räder hat. Und dann kommt Ford. In den USA ein schnöder Massenhersteller und in Europa ein Problemfall, in die Krise getrieben von einer ausgedünnten Modellpalette, schrumpfenden Verkaufszahlen, der verstolperten Elektrifizierung und einem Image, das eher nach Familienkombi als nach Rennstrecke riecht.

Und plötzlich bringen sie so ein Ding. Der GTD ist kein Mustang, er ist eine Mutation, von Hand beim gleichen Rennstall in Kanada gebaut, der für AMG auch den One auf die Räder gestellt hat. Ein Monster in Kohlefaser, geboren in Frankensteins Labor, entstanden aus einem GT3-Rennwagen, genauso wild, genauso kompromisslos, und doch mit Straßenzulassung. Die erste Begegnung: Brachialer Auftritt, breite Schultern und eine Aerodynamik, die eher an Kampfjets erinnert als an den Straßenverkehr. Man merkt, dass dieser Wagen nicht entworfen wurde, um nett zu sein. Der GTD will einschüchtern. Und das gelingt ihm schon im Stand.

Drin sieht die Sache leider etwas anders aus: Abgesehen vom spektakulären Fenster zum Fahrwerk, das dort ins Bodenblech geschnitten wurde, wo sonst die Rückbank montiert wird, ist der Innenraum – gemessen am detailverliebten Technik-Tuning – erschreckend nah am Standard-Mustang und wirkt entsprechend lieblos. Das ist schade bei einem Auto mit einem solchen Preisschild. Während es den herkömmlichen Mustang schon für läppische 54.000 Euro gibt, verlangt Ford für die wenigen GTDs, die im Jahr nach Deutschland kommen dürften, stolze 359.000 Euro.

Der Sound des V8-Motors ist überwältigend

Auch auf den zweiten und dritten Blick sind es nicht viel mehr als ein paar neue Grafiken auf den riesigen Screens und eine ins Plastik gefräste Plakette mit der Seriennummer vor dem Beifahrer, die den Unterschied machen. Es sei denn, man greift noch einmal richtig tief in die Tasche. Dann gibt es die Schaltwippen für die ins Heck verlegte Achtgang-Doppelkupplung aus dem Titan ausgemusterter F22-Kampfflieger. Doch sobald der V8 zum Leben erwacht, sind alle Zweifel weggewischt. Unter der Haube tobt ein 5,5 Liter großes Kraftwerk, das noch nach der Holzhammer-Methode arbeitet und mehr Leistung raushaut als jeder Mustang davor: 828 PS machen den GTD zum wildesten Hengst in Henry Fords Stallungen und zum Helden aller Petrolheads. Kein künstliches Gefiepe, kein elektrisches Surren und erst recht kein filigranes Herumgestreichele an der Klangästhetik – der GTD dröhnt aus tiefster, ehrlicher Seele und schreit heißer mit seinem Kompressor. Der Sound ist nicht schön, er ist überwältigend.

Doch so ungehobelt das Kraftwerk klingen mag: Der Mustang GTD ist kein rabiater Draufgänger, sondern wird erstaunlich präzise mit dem spektakulären Pushrod-Fahrwerk von Multimatic. Der GTD ist dadurch kein schlingerndes Muscle-Car mehr, das sich mit brachialer Gewalt durch die Kurven zwängt. Er gleicht einer scharfen Klinge, die sauber durch den Asphalt schneidet. Auf der Autobahn gibt er den fast schon entspannten Tiefflieger, der mit lockeren Zügeln, aber weit mehr als 250 Sachen über die linke Spur jagt und mit seiner breiten Fratze genug Autorität hat, um sich freie Fahrt zu verschaffen. Und wenn doch mal einer zu lange links gondelt, wippt man halt schnell mal ein, zwei Gänge runter und es ist, als würde ein Reiter mit der Zunge schnalzen. Ganz kurz holt der Mustang Luft, dann bläst er umso schneller davon und bekommt weit jenseits von 250 km/h seinen zweiten Wind.

Und wehe, man wechselt auf die Landstraße und dann in den Sport- oder nach einem kurzen Zwangsstopp gar in den Race-Mode, der sich nur im Stand aktivieren lässt. Dann fällt das Auto von jetzt auf sofort vier Zentimeter tiefer auf die Straße und wird zur gierigen Bestie, die Meter um Meter mehr den Asphalt frisst. Während die fast profillosen Gummis am Teer pappen als wären sie von Pattex und der Fahrtwind den Mustang nach unten drückt wie die Faust eines Riesen, galoppiert der heiße Hengst immer wilder davon, krallt sich in den Kurven fest wie ein Schiffbrüchiger an die letzte Blanke, nur um danach noch schneller wieder aus ihnen heraus zu schießen. Der Sprint von Null auf 100 gelingt in kaum mehr als drei Sekunden und erst bei 325 km/h ist die Raserei vorbei. Und selbst da hat der Mustang von so viel Puste, dass man sich fragt, warum jetzt eigentlich schon Schluss ist.

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Gerade weil Ford in Europa momentan so schwach dasteht, trifft einen der GTD wie ein Donnerschlag. Die Modellpalette schrumpft, der Fiesta ist Geschichte und seit ein paar Tagen auch der Focus, viele Händler blicken in eine unsichere Zukunft und die allermeisten in Europa haben Ford längst abgeschrieben. Und dann kommt dieser GTD. Ein Auto, das plötzlich wieder zeigt, wofür Ford stehen kann: Leidenschaft, Mut, Unvernunft – all das, was VW oder Opel längst vergessen haben.

Natürlich ist der GTD teuer. Brutal. Übertrieben. Aber er ist gleichzeitig das leidenschaftlichste Auto, das Ford seit Jahrzehnten im Angebot hatte, leidenschaftlicher sogar als die verschiedenen Generationen des GT. In einer Zeit, in der Ford in Köln ziemlich verzweifelt wirkt, lässt Detroit unsere Herzen mit dem GTD wieder schneller klopfen.

Autotester Thomas Geiger sieht für Ford in Europa mittlerweile ziemlich schwarz, doch solange Autos wie der Mustang GTD aus Detroit kommen, hält er den Amerikanern gerne die Treue.

Source: welt.de