Recycling von Seltenen Erden: Secondhand-Magneten sind jetzt sehr gesucht

Wenn es um das Thema Seltene Erden geht, wird Matthias Walch emotional. Er kann sich über die Politik ärgern, über die Wissenschaft, die Ingenieure und die Einkaufsmanager von international verflochtenen Unternehmen. Unter seinem Vater ist er Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Lars Walch GmbH & Co. KG, eines mittelständischen Entsorgers mit 20 Mitarbeitern im fränkischen Baudenbach – auf halber Strecke von Würzburg nach Nürnberg. „Das Theater hatten wir 2011 schonmal, deshalb kümmern wir uns seither darum“, sagt er.

Schnell ist im Gespräch mit ihm herauszuhören, dass er sich wundert, wie wenig sich andere zwischenzeitlich noch darum kümmern. Sie scheinen lieber von der Annahme ausgegangen zu sein, dass die Preisexplosion des Jahres 2011 für die in der Magnetproduktion wichtigen Metalle nur ein Unfall war. Leichte Ausschläge der Preiskurve im Jahr 2022 sahen viele als mehr oder wenig zufällig an. Doch als China, der wichtigste Exporteur Seltener Erden, Anfang Oktober die Kontrolle der Lieferketten zum Instrument im Zollstreit mit den Vereinigten Staaten machte, wurde allen schlagartig bewusst, dass die Abhängigkeit zu gravierenden Engpässen führen kann. Seither hat eine Reihe von Unternehmen hinter vorgehaltener Hand durchblicken lassen, dass die Knappheit ihre Produktion zum Stoppen gebracht hat. Kaum eines hatte Reserven auf Lager gehalten.

Nun gilt Recycling auf einen Schlag wieder als sinnvolle Strategie im Kampf um Rohstoffe. Und Entsorger Walch wundert sich, dass wieder mehr Leute so reden wie er schon seit mehr als einem Jahrzehnt. In Kürze werden vier Windanlagen geliefert, aus denen sein Team Magneten recycelt und wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückführt. Er hat sich darum bemüht, Festplattenmagneten wieder aufzubereiten. Als er vor sieben Jahren vor einem Fachpublikum referierte, er werde auch die Magneten in Größe einer Euromünze aus Lautsprechern herausholen, erntete er Gelächter von den promovierten Fachleuten.

Debatte kehrt nach einigen Jahren wieder zurück

Kurz nach den Turbulenzen im vergangenen Jahrzehnt hat Claas Oehlmann ein Buch zum Thema veröffentlicht. Der Geschäftsführer der Initiative Circular Economy des Bundesverbands der Deutschen Industrie sieht wiederkehrende Muster in der Debatte. „Sie verläuft in Zyklen und kehrt wieder, wenn es Probleme gibt. Dann wird gesagt, wir brauchen Recycling“, sagt er. In der Krisenphase gilt Resilienz als ein hoher Wert. Man möchte die Lieferketten diversifizieren und Materialkreisläufe schließen.

„Immer wieder beruhigt sich die Diskussion, wenn Lieferungen wieder einsetzen und sich Preise normalisieren“, sagt Oehlmann. Die Datenlage ist unübersichtlich, aber mit einem Importwert unverarbeiteter Selten-Erd-Metalle ist China mit Abstand wichtigstes Lieferland, wie aus einer Studie von IW Consult für die Förderbank KfW von März vergangenen Jahres hervorgeht. Umgekehrt ist der deutsche Markt für China vernachlässigenswert klein. Im Jahr 2022 seien Güter der Wertschöpfungskette Seltene Erden im Wert von 248 Milliarden Euro nach Deutschland importiert worden. Eine Entkopplung vom Bergbau ist den Autoren zufolge unvorstellbar.

Lagerhaltung binde viel Kapital, werde aber in einzelnen Fällen angewendet. „Eine belastbare und ausreichend dimensionierte Recyclingkette für Seltene Erden besteht in Deutschland beziehungsweise Europa bislang nicht“, heißt es in der Studie. „Auf absehbare Zeit sind Rückläufer nicht ausreichend, um den kompletten Bedarf in Europa zu sichern“, sagt Marius Kern, Geowissenschaftler der Deutschen Rohstoffagentur. Der Bedarf werde in den kommenden Jahren stark zunehmen. Aber die oft langlebigen Produkte, in denen Magneten verbaut sind, blieben noch lange in Gebrauch. „Eine Windanlage von zehn Jahren hat noch 30 Jahre vor sich“, sagt er.

Die Wind- und Automobilbranche braucht am meisten

Seltene Erden kommen nach der IW-Consult-Studie in 335 Produkten in Deutschland zum Einsatz. Am wichtigsten sind die Windbranche und die Autoindustrie, wo sie in Elektromotoren verwendet werden. In Kopfhörern bringen sie die Membran zum Schwingen. Fensterheber im Auto, Magnetresonanztomografen, mit denen sich Abbilder vom Hirn erzeugen lassen, sind andere Verwendungsmöglichkeiten. Die betroffenen Branchen sind vielfältig.

Neben Entsorger Walch ist auch die Heraeus-Tochtergesellschaft Remloy seit den Turbulenzen des vergangenen Jahrzehnts auf einem konsequenten Kurs unterwegs. Im Jahr 2016 wurde das Recyclingunternehmen auf die Spur gesetzt. Seit zwei Jahren beliefert das Unternehmen vom Werk im Sachsen-anhaltischen Bitterfeld andere Unternehmen mit wiederaufbereiteten Seltenen Erden. „Wir haben in Europa nicht so viel Bergbau, Urban Mining ist unerlässlich“, sagt David Christian Bender, Co-Leiter von Heraeus Remloy. Nachdem China über drei Jahrzehnte durch permanente Skaleneffekte zum führenden Produktionsstandort der Welt getrimmt wurde, sieht er hierzulande keine gleichwertigen Wettbewerbsbedingungen. „Die Kernherausforderung ist das ökonomische Problem, das ist der Preiswettbewerb mit China“, sagt er.

In der jüngeren Vergangenheit sei das Thema Recycling zunächst über das abstrakte Ziel der Nachhaltigkeit zum greifbareren Thema der Wettbewerbsfähigkeit geworden. Zuletzt stand der Sicherheitsaspekt im Vordergrund – und die Dringlichkeit nahm schlagartig zu. Viele Unternehmen hätten ihm gesagt, dass sie Produktionsbänder anhalten mussten. Dass aber eine sicherere, diversifiziertere Versorgung mehr koste, sei vielen von ihnen noch nicht ausreichend bewusst. „Unsere Kunden sind nicht bereit, für eine resilientere Lieferkette zu bezahlen“, sagt Bender.

Die Frage, ob sein Angebot preislich wettbewerbsfähig sei, beantwortet er deshalb nicht mit einem klaren Ja oder Nein. „In einem europäischen Binnenmarkt können wir gegen westliche Welt wettbewerbsfähig sein, aber nicht gegen China“, sagt er. Das gefragte Material zu sammeln, sei schwierig. Die Magnete dürfen nicht verunreinigt sein. Besser seien Geräte, die sich leicht auseinanderbauen lassen. Ein Windrad sei einfach, Magneten aus einem iPhone lohnten sich noch nicht. Bei der Qualität dürfe Heraeus Remloy keine Abstriche machen.

Europäische Regeln sind eher Absichtserklärungen

Eng kooperiert das Unternehmen mit dem Pumpenhersteller Wilo aus Dortmund. Dieser rühmt sich, über die Rücknahme alter Pumpen an 620 Sammelstellen in Deutschland tausend Tonnen CO2 eingespart zu haben. Seltene Erden blieben im Kreislauf und müssten nicht aufwendig neu im Bergbau gewonnen werden. Das Unternehmen achtet auf ein Produktdesign, das den Ausbau erleichtert. Alte Magneten werden pulverisiert und der Produktion neu zugeführt.

Die Europäische Union hat in ihrem Critical Materials Act festgelegt, dass sie ein Viertel der kritischen Rohstoffe im Jahr 2030 durch Recycling erzeugen will. Was passiert, wenn sie das Ziel verfehlt, ist nicht Teil der Verordnung. Auch nicht, durch welche Maßnahmen sie es erreichen will. „Das sind mehr Absichtserklärungen als verbindliche Vorgaben“, sagt Marius Kern von der Rohstoffagentur.

Abhängigkeit lässt sich nur gemeinsam überwinden

Durch die dominante Stellung in der Produktion habe China die Wertschöpfungskette des Recyclings zunehmend ausgebaut und werde auf dem europäischen Markt aktiv. Wolle man sich aus dieser Abhängigkeit lösen, reiche es nicht aus, dass einzelne Unternehmen wie Heraeus Remloy, der Entsorger Walch und der Pumpenhersteller Wilo vorangingen. „Man muss an verschiedenen Hebeln gleichzeitig ansetzen. Die Firmen sind gefragt und die Politik“, sagt er.

Ohne politische Rahmensetzung werde es nicht gehen, glauben die Fachleute. Heraeus-Remloy-Geschäftsführer Bender wünscht sich eine Quote für europäisches Selten-Erd-Material in der Produktion, nur so lasse sich der Binnenmarkt von China entkoppeln. Das Produktdesign sei ein Schlüssel, sagt BDI-Experte Oehlmann. „Das ist extrem wichtig, solange wir keine Robotik haben, die alles kann“, sagt er. Designvorgaben erleichterten das Recycling. „Wir brauchen auch Kennzeichen, wo die Magnete sind. Wo sind die Rezyklate? Wie nutzt man sie?“

Und Entsorger Matthias Walch wünscht sich noch viel Grundlegenderes: dass es nicht mehr ein Jahr dauert, bis eine neue Halle, und fünf Jahre, bis ein Ofen genehmigt ist, den man benötigt, um Magneten aus einer Windkraftanlage zurückzugewinnen. „Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden immer wieder durch Behördenauflagen durcheinandergebracht“, kritisiert er. Die überall grassierende Bürokratie ist derzeit offenbar auch eine Bremse, sich ein bisschen unabhängiger vom alles dominierenden Rohstofflieferanten China zu machen.