Freigelassene Oppositionelle in Belarus: „Ich denke an all jene, die noch nicht frei sind“
Der belarussische
Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki will sich nach seiner Freilassung weiter für die
Freiheit politischer Gefangener und die Bürgerrechte einsetzen. „Unser
Kampf geht weiter“, sagte der 63-Jährige nach seiner Freilassung dem
Oppositionssender Belsat in Vilnius. Den ihm 2022 verliehenen
Nobelpreis nannte er eine „Anerkennung unserer Arbeit, unserer noch
nicht verwirklichten Bestrebungen“.
Neben ihm wurden die Oppositionelle Maria Kolesnikowa sowie 121 weitere politische Gefangene in Belarus freigelassen. Unter ihnen ist laut der Menschenrechtsorganisation Wjasna auch der ehemalige Präsidentenkandidat Viktor Babariko.
Das Nobelkomitee in Oslo äußerte sich nach der
Freilassung Bjaljazkis „äußerst erleichtert und erfreut“. Bjaljazkis
Freiheit sei „ein überaus willkommener und lang ersehnter Moment“, teilte Nobelkomitee-Chef Jörgen Watne Frydnes mit. Er forderte die Freilassung aller weiterhin in Belarus inhaftierten 1.200
politischen Gefangenen: „Ihre fortgesetzte Inhaftierung verdeutlicht die
anhaltende, systematische Repression im Land.“
Ales Bjaljazki war im März 2023 wegen angeblicher
Finanzdelikte zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Der
Demokratieaktivist hatte bereits früher mehrere Jahre im Gefängnis
gesessen. 2011 musste er in einem anderen Fall für rund drei Jahre in
Haft. 2022 wurde der Bürgerrechtler mit dem Friedensnobelpreis
ausgezeichnet. Bjaljazki hatte Wjasna 1996 gegründet, die bekannteste
Bürger- und Menschenrechtsgruppe in Belarus.
Kolesnikowa spricht von „großem Glück“
Auch die prominente belarussische Politikerin Kolesnikowa sprach wenige Stunden nach
ihrer Freilassung öffentlich: „Ich denke an all jene, die noch nicht frei sind.“ In einem Videointerview mit einer ukrainischen Regierungsbehörde sprach sie von einem „großen Glück“, dem ersten Sonnenuntergang wieder in Freiheit. „Ich sehne den Moment herbei, in dem wir uns alle wiedersehen und
umarmen können“, fügte die 43-Jährige hinzu.
Kolesnikowa gehörte zu den Anführerinnen der Massenproteste in Belarus nach der von
beispiellosen Manipulationsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl
2020. Lukaschenko ließ die Proteste niederschlagen. Als eine der wenigen führenden belarussischen
Oppositionellen entschied sich Kolesnikowa gegen die Flucht ins Exil. 2020
wurde sie inhaftiert, immer wieder gab es monatelang kein Lebenszeichen
von ihr.
Belarus spricht von „Begnadigung“ durch Lukaschenko
Staatschef Alexander Lukaschenko habe
insgesamt 123 Häftlinge aus verschiedenen Ländern begnadigt, hieß es in
einem der belarussischen Präsidentschaft angegliederten Telegram-Kanal. Die Freilassung der Gefangenen erfolgte auf
Vermittlung der USA. Ihr war eine Lockerung von US-Wirtschaftssanktionen
gegen Belarus vorausgegangen, die den Export von belarussischem
Kalidünger betreffen. Laut Wjasna wurden 114 Freigelassene in die
Ukraine gebracht, darunter Maria Kolesnikowa. Andere Entlassene wie Ales
Bjaljazki wurden in die litauische Hauptstadt Vilnius gebracht.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, dass unter den
Freigelassenen auch mehrere Staatsbürger seines Landes seien; demnach
sei die Ukraine an den Vorbereitungen zur Freilassung der Gefangenen beteiligt
gewesen. Selenskyj dankte den USA für ihre „aktive Rolle“ und sagte,
dass es nun darum gehen müsse, auch alle Ukrainer in russischer
Kriegsgefangenschaft nach Hause zu holen.