FRAKTUR: Lieber Daniela Katzenberger wie Johann Wadephul

Daran, dass wir Journalisten einen schlechten Ruf haben, ist nichts mehr zu machen. Daher: Augen auf bei der Berufswahl! Wer das Hirnschmalz oder die Muskelmasse dazu hat, kann ja auch einen anständigen und angesehenen Beruf ergreifen, Installateur, Ingenieur oder gar Richter. Der letztgenannte Stand genießt ganz besondere Wertschätzung bei den Leuten (wenn die nicht gerade selbst vor Gericht stehen). Während nach der jüngsten Allensbach-Umfrage für die F.A.Z. nur noch 22 Prozent der Deutschen den Medien vertrauen, sind es im Fall des juristischen Olymps, also des Bundesverfassungsgerichts, 63 Prozent.

Die Parteien dagegen schneiden noch schlechter ab als die Medien, und auch dem Bundestag wird längst nicht mehr so vertraut wie früher. Zum Glück ist wenigstens das Selbstvertrauen der Bürger ungebrochen. Jeder zweite Deutsche meint sogar, er könnte besser Recht sprechen als die Richter. Wir wussten zwar, dass wir 83 Millionen Fußball-Bundestrainer haben, hätten aber nicht geglaubt, dass die Hälfte von ihnen auch noch Jura studiert hat. Da Juristen bekanntlich alles können, wundert es uns nicht, dass ebenfalls die Hälfte der Deutschen der Aussage zustimmt „Die Politiker haben keine Ahnung, das könnte ich besser als die“.

Wenn schon Personenkult, dann doch nicht Wadephul

Und unsere hauptberuflichen Politiker liefern ja auch immer wieder ­Material, das zu dieser Einschätzung verleiten kann. Nehmen wir unseren Außenminister. Der lässt jetzt in allen Botschaften sein Konterfei aufhängen, gleich neben dem des Bundespräsidenten. Da sagt sich doch Otto Normalverbraucher: Wenn schon Personenkult, dann plakatieren wir lieber Daniela Katzenberger, egal, ob prä- oder postoperativ.

Das zentrale Problem unserer Rentenversicherung, dessenthalben die Koalition sich beinahe zerlegte, hätte der gesunde Menschenverstand auch schon längst gelöst. Nicht indem man die Akademiker länger arbeiten lässt, wie das die Nichtakademikerin Bas vorschlägt (das Sein bestimmt immer noch das Bewusstsein). Sondern dadurch, dass man zu Beginn des Krieges, der uns nach Ansicht des NATO-Generalsekretärs bevorsteht, zuerst die Alten an die Front schickt, die Politiker noch vor den übrigen Akademikern.

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So wird es bestimmt auch Trump machen, wenn er endlich bei uns für Ordnung sorgt mittels der AfD-Marionettenregierung, die er nun ganz offiziell installieren will, um den Niedergang Deutschlands, ja des ganzen Abendlandes aufzuhalten. Trump hat, unter Beifall aus Moskau, gerade wieder festgestellt, dass es in Europa nicht nur dumme Politiker gibt, sondern auch „ein paar richtig Dumme“. Klar, mit Trumps Intelligenz kann nicht einmal Orbán mithalten. Den zählt der amerikanische Einstein aber immerhin zu den guten Führungspersönlichkeiten, deren Ratschlägen er vertraut.

Was eine gute und vertrauenswürdige Führungspersönlichkeit ausmacht, fragen Sie? Na, dass sie die Bürger oder Mitarbeiter „abholt“ und „mitnimmt“, wie man das heutzutage zum Glück in jedem Personalführungsworkshop lernt. Früher beherrschten das Abholen und Mitnehmen nur die Stasi und die Gestapo.

Leider gelingt es auch uns Journalisten nicht immer, die Leser beim Frühstück abzuholen und wenigstens ein paar Sätze lang mit auf unsere Gedankenreisen zu nehmen. Vollkommen gescheitert sind wir bei Leser Siegfried Friedrich Weick, der sich nicht nur nicht unserer Haltung in Hinblick auf den Ukrainekrieg anschließen wollte, sondern derenthalben sogar zum „Lünchmord“ an uns aufrief. Der Tod an der Straßenlaterne sollte uns freilich erst nach ausführlicher Misshandlung vergönnt sein.

Die hat der Leser derart anschaulich beschrieben, dass wir schon dachten: Der würde unseren Job vielleicht besser machen als wir. Nur bei der Rechtschreibung haperte es: „Nazifurtz“ schreibt man ohne t, „Schweinestschloch“ konnten wir im Duden gar nicht finden. Verlieren wir aber bloß wegen ein paar Schreibfehlern das Vertrauen zu unseren Lesern? Natürlich nicht! Und keinesfalls glauben wir, dass wir besser Augen ausstechen und Gelenke zertrümmern können als der eindeutig fachkundige Leser Weick. Vielleicht schaffen wir mit diesem Eingeständnis ja auch eine neue Vertrauensbasis.

Source: faz.net