Rheinland-Pfalz: Vier Minister ringen um Mainz

Gewählt wird in Rheinland-Pfalz erst im März. In der Landeshauptstadt läuft der Wahlkampf aber schon seit einigen Wochen. Gleich vier Minister kämpfen hier um Direktmandate. Familienministerin Katharina Binz von den Grünen lädt zum Spielplatzrundgang im Stadtteil Neustadt oder zum kulturpolitischen Rundgang durch die Altstadt. Mit Plakaten lädt sie Interessierte ein und signalisiert, dass sie sich engagiert.

Vor knapp fünf Jahren gewann Binz das Direktmandat in der Mainzer Innenstadt. Ein Ärgernis für die SPD, die dort lange Zeit die Nase vorn hatte. Mit dem Sozialdemokraten Michael Ebling, dem Innenminister des Landes, hat Binz nun einen Gegenkandidaten, der sich mit großer Wucht in den Wahlkampf wirft. Er lädt in wechselnde Kneipen zum „Meenzer Stammtisch“.

Seinem Spitznamen „Schorle-Michi“ alle Ehre machend, mischt er dort selbst die Weinschorlen und zapft Bier. Ebling ist in Mainz beliebt. Zweimal wurde er zum Oberbürgermeister gewählt und wechselte vor drei Jahren kurzfristig ins Landeskabinett, als der damalige Innenminister zurücktrat.

Binz, Ebling, Eder, Ahnen

Im Wahlkreis Mainz II treten ebenfalls zwei Ministerinnen gegeneinander an. Die grüne Spitzenkandidatin Katrin Eder, bis zu ihrem Wechsel ins Umweltministerium Dezernentin der Stadt Mainz, gegen Doris Ahnen (SPD). Nachdem Ahnen 13 Jahre Bildungsministerin des Landes war, ist sie seit 2014 für Finanzen und Bauen zuständig. Zuletzt rückte Ahnen im Vorwahlkampf die Schaffung von mehr Wohnraum in Mainz in den Mittelpunkt. Interessierte fuhren mit ihr und Ebling im Bus zu neu entstandenen Quartieren mit geförderten Mietwohnungen.

Ob sie damit in den teils dörflich geprägten Teilen ihres Wahlkreises punkten kann, ist offen. Auch wenn die Grüne Eder selbst keine Chance auf ein Direktmandat haben dürfte, könnte sie Ahnen wichtige Stimmen kosten, um gegen den CDU-Kandidaten zu gewinnen.

Für SPD und Grüne ist es wichtig, wie es in Mainz läuft. Die SPD Rheinland-Pfalz, die stärker als andere Landesverbände einen Mitte-Kurs verfolgt, will auch im großstädtischen Milieu „anschlussfähig“ sein, wie es gern heißt. Für die Grünen geht es in Mainz I um das einzige Direktmandat, auf das sie in Rheinland-Pfalz überhaupt Aussichten haben.

Drei von vier Rheinland-Pfälzern wohnen auf dem Land

Dass vier der neun Minister aus Mainz kommen, wird besonders fernab der Landeshauptstadt genau beobachtet. Auf dem Land pflegt man das Vorurteil, im Landtag denke man vor allem an die Großstädte in Rheinland-Pfalz, die nicht einmal allzu groß sind. Fünf Städte haben mehr als 100.000 Einwohner, drei davon liegen nur knapp über dieser Marke.

Drei Viertel der Rheinland-Pfälzer wohnen auf dem Land. Hinzu kommt, dass es nicht bei den vier Mainzer Ministern bleibt. Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) kommt aus dem nahen Alzey, Sozialministerin Dörte Schall (SPD) lebt mit ihrer Familie in Bonn, knapp außerhalb der Landesgrenze, und ist unter der Woche in Mainz. Auf der Liste der Grünen für die Landtagswahl stammen die ersten zwei Kandidaten (Eder und Binz) aus Mainz, die dritte Frau aus dem Landkreis Mainz-Bingen.

Die Kritik der Opposition im Landtag lautet, dass das Mainzer Übergewicht sich auch in der Politik der Ampelkoalition niederschlage. Ein allzu städtisch geprägter Politikansatz.

Ist das so? Bei der Gesundheitsversorgung, die sich auf dem Land zuletzt deutlich verschlechtert hat, äußert man in der Landesregierung Unverständnis: Mehr irrationale Ängste als echte Probleme seien das.

Weniger Krankenhäuser, mehr Windräder

Seit 2020 haben in einem Dutzend Krankenhäuser, mehrheitlich im Norden des Landes, aus Kostengründen die Notaufnahmen geschlossen. Aus den meisten der betroffenen Städte und Gemeinden sind die Krankenhäuser ganz verschwunden. Es ist eine bundesweite Entwicklung, die sich im ländlichen Rheinland-Pfalz besonders rapide vollzieht.

Ein anderes Thema, das auf dem Land Ärger hervorruft, ist die Windkraft. Lange Zeit fuhr man etwa im Hunsrück einen Kurs, der für viel Akzeptanz sorgte: Die Anlagen auf kommunalem Grund spülten viel Geld in die Kassen der Gemeinden und der Kreise.

Inzwischen sollen Windräder aber auch – ohne kommunale Beteiligung – in den Landesforsten gebaut werden. Es gibt Proteste gegen Projekte, beispielsweise im Soonwald im Hunsrück. Es gibt ja schon viele Windräder. Mancher Landrat und Bürgermeister fragt sich, wie viele Windräder hingegen in Mainz stehen. Die Antwort ist einfach: Selbst auf den Äckern, die die Stadt umgeben, findet man nur sehr wenige.

Die Finanzen der Kommunen

Auch bei den Schulden gibt es ein Stadt-Land-Problem. Traditionell haben viele Kommunen im Land hohe Verbindlichkeiten. Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs 2023 führte dazu, dass die kreisfreien Städte, die etwa durch ihre Jugendämter stärker belastet sind, mehr bekamen, die kleinen Ortsgemeinden hingegen weniger. Die Haushaltslöcher wuchsen.

Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) hat das Thema durchaus erkannt. Für den ländlichen Raum hat er ein umfangreiches Förderprogramm aufgelegt, das zusätzlich ein „Dorfbudget“ von jährlich 1500 Euro für Ehrenamt und Projekte vorsieht. Finanziell profitiert die Landeshauptstadt nicht direkt davon, dass so viele Minister dort ihren Wahlkreis haben. Die Stadt beklagt viel zu geringe Zuschüsse des Landes zum Sozialetat.

Wer die Landtagswahl gewinnen will, muss auf dem Land punkten. Die beiden Spitzenkandidaten haben das verstanden. Schweitzer betont gerne, dass er „vom Dorf“ kommt, aus Bad Bergzabern, tief in der Südpfalz. CDU-Spitzenkandidat Gordon Schnieder berichtet oft von dem, was er in seinem Heimatort in der Eifel im Norden des Landes erlebt. Beides ist ziemlich weit weg von Mainz.

Source: faz.net