Insolvenzwelle rollt: Jede Krise ist verschiedenartig

Die Zahl der Firmeninsolvenzen ist in diesem Jahr mit geschätzt 23.900 Fällen so hoch wie seit zehn Jahren nicht. Was ist so schlimm daran? In der Zeit nach der Internetblase Anfang des Jahrtausends und dem Terroranschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 war die jährliche Zahl der Unternehmenspleiten mit teils mehr als 39.000 deutlich höher als nun für das Jahr 2025 erwartet.

Das macht die aktuelle Insolvenzwelle jedoch nicht harmloser. Denn jede Krise besitzt einen anderen Charakter. Gab es in den Krisen des vergangenen Vierteljahrhunderts erkennbare und abgrenzbare Krisenherde wie die Digitalbranche während der Dotcomkrise oder den Bankensektor während der Finanzkrise, trifft es die Wirtschaft nun in ihrer ganzen Breite. Selbst während der Corona-Pandemie gab es mit dem Tourismus, dem Verkehr und der Gastronomie einzelne besonders direkt betroffene Branchen, denen gezielt geholfen werden konnte.

Warum leidet das Geschäftsmodell der deutschen Industrie?

Unter den neuen globalen Konflikten, den Zöllen und den hohen Energiepreisen leidet besonders die exportaffine und energiehungrige deutsche Industrie, also ausgerechnet jene Branche, die in der Vergangenheit oft als Stabilitätsanker wirkte. Die Krisenursachen kann die Politik nicht ausschalten, weil ihr die dafür nötige internationale Macht fehlt und weil die energiewirtschaftlichen Weichenstellungen der Vergangenheit wie der Ausstieg aus Atomkraft und Kohle gepaart mit der Abhängigkeit von russischem Gas sich nicht schnell rückgängig machen lassen.

Die steigenden Insolvenzen sind daher nicht nur ein Indikator für die schwache Konjunktur, sondern vor allem ein Zeichen für einen Strukturwandel. Ohne Firmeninsolvenzen oder Betriebsaufgaben ist eine Marktwirtschaft nicht vorstellbar, denn wie sonst könnten Anbieter vom Markt verschwinden, wenn ihr Geschäft nicht mehr funktioniert? Jede Insolvenz ist ein Schicksalsschlag für die betroffenen Unternehmer und ihre Mitarbeiter. Volkswirtschaftlich aber ist entscheidend, ob nach einer Insolvenzwelle neue Unternehmen und einfallsreiche Anbieter entstehen. Letzteres ist im Moment noch nicht erkennbar.