Liebe in Zeiten des Heterofatalismus: Wenn Männer stolz ihre Freundin posten

Das kleine Wörtchen „Rage bait“ wurde zum Oxford-Wort des Jahres 2025 gewählt. Und wahrscheinlich gibt es kaum ein besseres Beispiel für so einen „Wutköder“ als den vieldiskutierten Artikel der Vogue mit der Männer bei ihrer Ehre packenden Überschrift „Is it embarassing to have a boyfriend now?(deutsch: Ist es jetzt peinlich, einen Freund zu haben?). Darin teilte die Autorin ihre Beobachtung, dass in ihrem liberalen, wohlhabenden New Yorker Umfeld wenige ihrer Freundinnen ihre männlichen Partner auf Social Media zeigen. Und sie sich – ganz aufmerksamkeitsökonomisch – über schwindende Followerzahlen beschweren, wann immer sie ihn eben doch zeigen.

Seitdem wurde – auch bei uns – ein wochenlanger Diskurs rund um die Frage geführt. Es ging um die unterschiedliche Lebenserwartung und Sicherheit vor Gewalt von Frauen in heterosexuellen Beziehungen und Singlefrauen, die falsche Transaktionsrechnung von Arbeit in Partnerschaften und darum, dass „Scham“, wie sie in „peinlich“ mitschwingt, im Feminismus eigentlich keine Rolle spielen sollte.

Als Mann habe ich die Debatte fleißig verfolgt, mich mit Kolleginnen und meiner Freundin unterhalten, mein eigenes Postingverhalten und das meiner Freundin beobachtet und bemerkt: Die Vogue-Autorin könnte in ihrer Beobachtung recht haben. In der fein kuratierten Welt aus Storys und Instagram-Feedposts meiner Freundin spiele ich keine große Rolle. Es geht bei ihr um Politik, ihre Freundinnen, die Bücher, die sie liest und die Stadt, in der sie lebt. Ihre Katzen, die Raben und Krähen im Park. An letzter Stelle komme ab und an mal ich.

Männer, die ihre Freundin posten

Verglichen mit ihr poste ich meine Freundin sehr oft. Tatsächlich sogar öfter als mein eigenes Gesicht zeige ich sie im Museum, beim Kaffeetrinken oder auf Spaziergängen. Oft reicht es sogar, einen Gedanken von ihr zu teilen. Und anders als die New Yorker Frauen ernte ich dafür regen Zuspruch. (Eine meiner meistgelikten Storys der letzten Monate war die einfache Bemerkung meiner Freundin: „Darüber habe ich mir schon Gedanken gemacht, als ich drei Jahre alt war“, nachdem ich etwas umständlich nach Gründen für den geringen Männeranteil auf der Frankfurter Buchmesse gesucht hatte.)

Mit der Dynamik unserer Beziehung sind wir tatsächlich nicht alleine. Absurderweise sind es nämlich gerade jene Frauen, die ihre festen Freunde nicht posten, die ständig in den Storys und Feeds ihrer männlichen Partner auftauchen.

Wer sich in den letzten Monaten auf Social Media umgesehen hat, wird an einem Phänomen nicht vorbeigekommen sein: Junge Männer filmen sich beim Abwasch, beim Einkaufen, Kochen, Aufräumen, Putzen und Blumen kaufen für eine bis zum Ende des Videos nicht auftauchende „sie“. Die Person, um die es geht: ihre hart arbeitende Partnerin, die von der Arbeit oder auch einer Geschäftsreise zurückkehrt.

Die Kommentarspalten darunter: voll mit weiblichem Lob und der entscheidenden Floskel: „If he wanted to, he would.“ (Wenn er wollte, würde er). Im Sinne von: Wenn ein Mann die Beziehung wirklich schätzen würde, würde er sich den extra Aufwand machen, und seiner Partnerin, wo immer nötig, den Rücken freihalten und mehr Sorgearbeit übernehmen.

Heterofatalismus, und die 4B-Bewegung vs. „Wife Guys“

Die zunehmende Desillusion von Frauen mit Heterobeziehungen, die momentan unter dem Namen „Heterofatalismus“ im Zuge des Vogue-Artikels verhandelt wird, aber auch schon zuvor rund um die 4B-Bewegung diskutiert wurde, geht nämlich interessanterweise mit dem Phänomen einher, dass Männer, die sich bereitwillig in ihrer Hetero-Beziehung unterordnen, im linken Teil des Internets auf Lob und Anerkennung stoßen. Für diese neue „devote“ Art der Männlichkeit, der ich mich in diesem Fall wohl oder übel zuordne (sonst würde ich diesen Artikel nicht schreiben können), haben sich in der Internetkultur drei Bezeichnungen etabliert, die sich eher gegenseitig ergänzen, als ausschließen.

Zum einen die – im arbeitslosen Fall – „stay-at-home-boyfriends“ (Hausmann-Freunde), dann die – im eher braven und oft auch etwas betagteren Fall – „wife guys“ (Ehefrauen-Typen) sowie die – besonders bei euphorischen, übermotivierten, eher jüngeren Semestern – „Golden Retriever Boyfriends“. Allesamt ästhetisieren sie ihre Hausarbeit, filmen sich beim Erledigen alltäglicher Tätigkeiten rund um den Haushalt, feiern die beruflichen Erfolge ihrer Partnerin und dokumentieren das Familien- und Beziehungsleben. An wen sie erinnern? Die aufmerksame Leserin wird die Parallelen bereits bemerkt haben: Oberflächlich betrachtet, sind sie das männliche Pendant zu Tradwives.

Der entscheidende Unterschied: Anders als Tradwives führen sie keine Beziehung, die traditionellen oder konservativen Geschlechterrollen folgt. Und – anders als bei Tradwives – ist das Phänomen immer mit einer Prise Selbstironie eines linken oder zumindest progressiven Spektrums verbunden.

Bestes Beispiel dafür ist wohl ein Tweet, der im Zuge der New-Yorker-Bürgermeisterwahl viral ging: „Men should always remember that if you dress modestly, limit your ambitions, and learn how to submit, a good woman will marry you and make your life complete“, steht über einem Bild von Zohran Mamdani und seiner – auf ihrem Instagram-Account in keinster Art und Weise als künftige First Lady erkennbaren – Ehefrau Rama Duwaji. Dass noch dazu der kolumbianische Präsident Gustavo Petro den Tweet teilte, spricht dafür, dass es sich bei diesem Umdrehen klassischer Tradwive-Narrative, in denen der Mann sich unterwürfig um eine gute Frau bemühen muss, keineswegs um ein US-Phänomen handelt.

Die feministische Freundin gehört zum guten Ton

Doch wie so oft, würden wir Männer dieses Spiel eben wahrscheinlich nicht mitspielen, wenn wir nichts davon hätten: Das Fünkchen Selbstironie ändert nämlich kaum etwas daran, dass Männer von dieser gelebten oder inszenierten Unterwürfigkeit profitieren: Für Männer führt ein zur Schau gestelltes umgedrehtes Rollenverhältnis nämlich dazu, dass sie sich als einer von „den Guten“ darstellen können. Als Glückspilz und Hoffnungsschimmer in Zeiten von grassierender Beziehungsunfähigkeit und Burnout auf dem Dating-Markt. Folglich gehört es für den modernen, nicht bindungsgestörten, feministischen Mann heutzutage zum guten Ton, eine feministische Freundin zu haben, die man der Welt zeigt.

Sollen Männer in glücklichen Beziehungen mit linken Frauen sich also alle wieder aus Social Media zurückziehen, aus Scham, wie Angeber zu wirken? So weit muss es nicht kommen. Vielleicht hilft es bereits, sich vom Blick der Außenwelt freizumachen. Kategorien wie „unterwürfig“ und „gemein“ sind immerhin ziemlich relativ.

So beobachtete die Paartherapeutin Jola Jovani, dass ein Mann, den man als „obsessed“ oder „besessen“ von seiner Partnerin beschreiben würde, womöglich schlicht an ihren Bedürfnissen und ihrer Meinung interessiert ist. Während eine Frau, die als „ein bisschen gemein“ beschrieben wird, womöglich gut darin ist, Grenzen und Bedürfnisse zu kommunizieren. Insofern, sagt sie, „dienen diese Eigenschaften tatsächlich als Gegengewicht zur Machtasymmetrie in unserer Gesellschaft.“ Beziehungen mit einer solchen Dynamik, so die Therapeutin, hielten tatsächlich länger, weil sie auf Augenhöhe stattfänden.

Eine gute Nachricht also, für alle unterwürfigen Männer und ihre Freundinnen, die sich ein bisschen für sie schämen. Nur im Lob der digitalen Öffentlichkeit sollten die Männer sich nicht zu sehr baden. Eigenlob stinkt nämlich, Augenhöhe in der Beziehung hin oder her. Ich werde mich zumindest was das betrifft an die eigene Nase fassen.