Vertrag zu Händen Jugendmedienschutz: Politik geht gegen Pornographie vor

Seit dem 1. Dezember gelten wesent­liche Veränderungen beim Jugend­medienschutz. Zu den Neuerungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags gehört, dass die Betriebssysteme mobiler Geräte und PCs ihm nun unterfallen und die Bestimmungen mit dem nationalen Jugendschutzgesetz verzahnt werden. Das Ziel sei, so die Rundfunkkommission der Länder, den Schutz von Kindern und Jugend­lichen zu stärken und die Aufsichtsbehörden zu unterstützen.

So erhält die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedi­enanstalten (KJM) neue Instrumente, mit denen sie sogenannte Mirror-Pages – also illegale Kopien von Websites – sperren lassen und Zahlungsströme bei rechtswidrigen Angeboten unterbinden kann. Der Staatsvertrag schafft zudem Anreize für Anbieter, eigene Schutzmaßnahmen zu ent­wickeln, indem neue technische Lösungen von der Kommission für Jugendmedienschutz anerkannt werden können.

Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Direktorin der Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb), bezeichnet die Novelle als wegweisenden Schritt, um den Schutz junger Menschen im digitalen Raum zu verbessern und effektivere Vollzugsmöglichkeiten gegen rechtswidrige Angebote zu schaffen. Viele der neuen Regelungen griffen Erfahrungen aus der Aufsichtspraxis der Medienanstalten auf und sorgten dafür, wirksam gegen jugendgefährdende Angebote vorzugehen.

BSW und AfD sehen im Gesetzesentwurf eine Zensur

Die durchschnittliche Smartphone-Bildschirmzeit von Jugendlichen zwischen zwölf und neunzehn Jahren liegt bei knapp vier Stunden. Fast jeder dritte Jugendliche (28 Prozent) berichtet laut aktueller JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) von Er­fahrungen mit ungewolltem Kontakt zu pornographischen Inhalten. Insbesondere Pornoplattformen haben bislang gesetzliche Schlupflöcher genutzt. Durch den neuen Staats­vertrag können Sperrverfügungen schneller und unbürokratischer durch die Access Provider umgesetzt werden. Anbieter werden zudem verpflichtet, technische Vorkehrungen zu treffen, die den Zugang zu ungeeig­neten Inhalten und Apps altersgerecht einschränken.

Nach dem Vorbild der Regelungen für illegales Glücksspiel können Zahlungsströme bei schwerwiegenden rechtlichen Verstößen un­terbunden werden. „Illegale Geschäftsmodelle, die mit jugendgefährdenden Inhalten Geld verdienen, müssen verhindert werden. Die ‚Follow-the-Money‘-Regelung hilft uns, diese Geschäftsmodelle zu erschweren und somit den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz zu verbessern“, sagt Marc Jan Eumann, Vor­sitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und Direktor der Medienanstalt Rheinland Pfalz.

Wie die Debatten in den Landtagen zum Gesetzesentwurf zeigten, sind die Änderungen nicht unumstritten. Vor allem BSW und AfD befürchten, dass durch die technische Voreinstellung eine Blockade „unliebsamer“ Inhalte und damit eine Zensur erfolge. Für Marc Jan Eumann „hat es etwas Absurdes, von Zensur zu reden, wenn Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Inhalten geschützt werden. Denn das Verbot von Vorzensur steht der Durchsetzung geltenden Rechts nicht im Wege. Das Verbot von Vorzensur schützt nicht vor Aufsicht, die sich darum kümmert, dass der Schutz der Menschenwürde und der Kinder- und Jugendmedienschutz beachtet und deren Verletzung geahndet werden“, sagt er im Gespräch mit der F.A.Z.

Google und Microsoft beklagen die Auflagen

Vorbehalte existieren auch bei der digitalen Wirtschaft und Onlinean­bietern. So moniert der Bitkom, der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, es werde ein Alters­klassifizierungssystem eingeführt, das international etablierten Standards wi­derspreche und länderspezifische technische Verpflichtungen für alle Betriebssystemanbieter schaffe. Zudem, so der Bitkom, beeinträchtige der Staatsvertrag den freien Warenverkehr und schränke die Freiheit für Anbieter audiovisuellen Mediendienste unzulässig ein.

Wie zu erwarten, wehren sich auch Konzerne wie Google und Microsoft gegen die Auflagen und verweisen auf eigene Lösungen für den Jugendschutz. Die Vorschriften führten, so die Klage, zu recht­lichen und technischen Problemen.

Die Regeln für Betriebssysteme treten erst am 1. Dezember 2027 in Kraft und gelten nur für Hardware, die neu in den Handel kommt. Alte Geräte, für die keine Softwareupdates mehr bereitgestellt werden, sind ausgenommen. Für Technik, die bereits pro­duziert wird, gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren.

Source: faz.net