Seltene Erden: Wie sich die EU von China trennen will

Fürs Erste hat China die Regeln gelockert. Seit der jüngsten handelspolitischen Annäherung zwischen Peking und Washington sind Teile der seit Anfang Oktober geltenden chinesischen Exportkontrollen, die unter anderem für Lithium-Ionen-Batterien oder Technologie zur Verarbeitung Seltener Erden galten, für ein Jahr ausgesetzt. Doch in Europa ist inzwischen allen klar: Der Kontinent ist extrem abhängig von China. Ausfuhrlizenzen erhalten europäische Unternehmen gerade nur so viele, dass sie keine Vorräte aufbauen können – im Gegenzug müssen sie weitreichende Informationen an die chinesische Regierung liefern. Die EU-Kommission versucht nun, mit einem neuen Plan namens „ReSourceEU“ gegenzusteuern.
Schon im Jahr 2023 hatte die EU ein Gesetz zu kritischen Rohstoffen auf den Weg gebracht – mit dem Ziel, Abhängigkeiten zu senken und gleichzeitig der steigenden Nachfrage nach Seltenen Erden, Kobalt oder Lithium im Zuge der digitalen und nachhaltigen Transformation gerecht zu werden. Bis 2030 sollen mindestens zehn Prozent des jährlichen Bedarfs hierzulande abgebaut, mindestens 40 Prozent weiterverarbeitet und mindestens 25 Prozent recycelt werden. Außerdem sollen bis dahin nicht mehr als 65 Prozent des heimischen Konsums aus einem einzigen Drittstaat stammen – was mit Blick auf manche Rohstoffe geradezu illusorisch erscheint.
Knapp drei Milliarden Euro
Mit der Umsetzung soll es nun auf einmal viel schneller gehen. „Wir wissen, dass wir das De-Risking mit Rohstoffen beschleunigen müssen“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Stéphane Séjourné. Zwar will sein Haus auch weiterhin mit China verhandeln – zugleich aber alles dafür tun, unabhängiger von dem Land zu werden. Dazu soll im Frühjahr kommenden Jahres ein neues Europäischen Rohstoffzentrum seine Arbeit aufnehmen, welches einerseits den europäischen Bedarf überwachen und andererseits einen gemeinsamen Ankauf organisieren soll. Über eine neue Plattform soll die Nachfrage stärker gebündelt und Käufer und Lieferanten sollen enger zusammengebracht werden, ähnlich wie beim Gas in der Energiekrise.
Damit die bereits bestehenden Projekte zu kritischen Rohstoffen – 47 innerhalb und 13 außerhalb der EU – schneller vorankommen, will die Kommission im kommenden Jahr knapp drei Milliarden Euro mobilisieren. Dafür werden vor allem bestehende Mittel der EU und der Europäischen Investitionsbank umgewidmet. Der Großteil davon – bis zu zwei Milliarden Euro – soll über das Förderprogramm Invest EU für Investitionen jeglicher Art entlang der Wertschöpfungskette von Permanentmagneten sowie für Batterien und Verteidigung wichtige Rohstoffe bereitgestellt werden. Zudem fordert die Kommission Mitgliedstaaten und Regionen dazu auf, bis zu eine Milliarde Euro bereitzustellen. Genehmigungsverfahren für Minen und Fabriken sollen beschleunigt, aber Umwelt- und Sozialstandards nicht vernachlässigt werden.
Auch das Recycling kritischer Rohstoffe will Brüssel stärker fördern. Bislang wird den Angaben zufolge weniger als ein Prozent der Seltenen Erden in der EU wiederverwendet. Im kommenden Jahr will die Kommission außerdem Beschränkungen für die Ausfuhr von entsorgten Permanentmagneten sowie Aluminium- und möglicherweise Kupferschrott einführen. Produkte, die solche Materialien enthalten, sollen stärker gekennzeichnet werden. Darüber hinaus sollen weitere Partnerschaften mit anderen Ländern geschlossen werden, etwa Ruanda, Indonesien und Südafrika. Unternehmen setzen große Hoffnungen in die neue Strategie. Sie könne „entscheidend dazu beitragen, die Rohstoffresilienz der EU schnell und nachhaltig zu verbessern, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.
Keine breite Abkehr von China
Wie sehr europäische Unternehmen unter den chinesischen Kontrollen leiden, hat in dieser Woche eine Umfrage der europäischen Handelskammer in China gezeigt. Ein Unternehmen berichtete von zusätzlichen Kosten in Höhe von 250 Millionen Euro, ein anderes schätzte die Ausgaben auf ein Fünftel des gesamten Umsatzes. Die Handelskammer befragte ihre Mitgliedsunternehmen im Laufe des Novembers, 131 nahmen teil. Drei von vier Unternehmen gaben an, dass Chinas Lizenzsystem die Auslieferung ihrer Produkte um mindestens einen Monat verlängere. Das liegt der Umfrage zufolge auch an den langsamen Mühlen der chinesischen Bürokratie: Das Pekinger Handelsministerium halte seine selbst gesteckte Frist für die Bearbeitung von Anträgen häufig nicht ein. Zwei von fünf Unternehmen gaben an, dass das Genehmigungsverfahren länger als die versprochenen 45 Tage dauere. Weitere Verzögerungen träten im Nachgang auf, weil nach dem Handelsministerium auch noch der chinesische Zoll eine Genehmigung erteilen muss.
Doch zu einer breiten Abkehr von China oder dem Aufbau neuer Lieferketten scheinen die Exportkontrollen bisher nicht führen. Nur ein Drittel gab an, nach Lieferanten aus anderen Märkten zu suchen. Zwei von fünf Unternehmen warten noch ab. Immerhin 15 Prozent planen, mehr Produktion nach China verlagern. Hintergrund ist, dass Seltene Erden nicht mehr unter das Lizenzregime fallen, wenn sie in Produkten verbaut wurden. Eine im Sommer eingerichtete Plattform der EU, auf der Unternehmen ihre Lizenzanträge registrieren und mögliche Probleme mit den chinesischen Behörden melden können, stößt zudem bislang nur auf wenig Begeisterung: In der Umfrage gaben nur 18 Unternehmen an, dass sie das Tool schon benutzt haben.