Wirtschafter David Autor: „Kein Land freut sich mehr gut Trump wie China“
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Zölle. Aber sie müssten Teil einer umfassenden, strategischen Politik sein. Sie können kein Rennen gewinnen, indem Sie Sand vor die Füße der anderen werfen. Ich kann verstehen, wenn man den Markt vor subventionierten chinesischen E-Autos schützt oder die Ausfuhr von Nvidia-Chips beschränkt. Aber die USA haben jetzt auch hohe Zölle auf Lebensmittel. Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Und die USA sind einfach zu klein: Wir haben etwa elf Millionen Industriearbeiter, China über 100 Millionen. Wir werden nie alles selbst produzieren, was die Chinesen herstellen.
Das klingt hoffnungslos.
Aber zusammen mit der EU haben wir eine viel höhere Kaufkraft. Das gibt uns Verhandlungsmacht, wenn wir zusammenarbeiten. Aber Trump tut das Gegenteil. Die USA setzen gerade die Zukunft aller demokratischen Industrieländer aufs Spiel. Und der Rest der Welt hat – anders als die Amerikaner – nicht für diesen Mist gestimmt. Kein Land freut sich gerade mehr über Trump als China, vielleicht noch Russland. Sie sehen in ihm einen Chaos-Agenten, der den Untergang des Westens beschleunigt – und sie liegen nicht falsch.
Deutschland hat immer noch mehr Industrie als Amerika, aber jetzt bekommen auch wir den chinesischen Wettbewerb zu spüren.
Das war vorhersehbar. China hat westliche Hersteller in Zwangsehen mit sehr raffinierten Produzenten gesteckt. Es war eine Frage der Zeit, bis die Chinesen lernen, selbst Autos, Maschinen und Roboter zu bauen. Deutschland hat einst enorm von Chinas Aufstieg profitiert. Jetzt sieht es sich einem harten Wettbewerb gegenüber.
Ergibt es Sinn, wenn der deutsche Staat die Autoindustrie unterstützt? Oder ist dieser Kampf eh schon verloren?
Doch, das ergibt Sinn. Deutsche Autokonzerne sind gute Unternehmen, die gute Produkte herstellen. Die deutschen Autos von heute sind ja keine Trabants mit Wänden aus Pappe. BMW baut zum Beispiel sehr erfolgreiche Elektroautos. Deutschland muss lernen, im Wettbewerb zu bestehen. Aber wenn Sie gleich in der ersten Runde den K.-o.-Schlag abbekommen, stehen Sie nur schwer wieder auf. Die chinesischen Produzenten sind nicht mehr so stark subventioniert wie früher – aber wenn sie nicht auf wundersame Weise viel effizienter arbeiten als gedacht, dann verlieren sie alle Geld.
Industriejobs gelten als gute Arbeit mit hohen Löhnen und großer Stabilität. Aber selbst wenn die Wende zur E-Mobilität gelingt, werden deutsche Autobauer weniger Leute brauchen.
In jedem reichen Land nimmt der Anteil der Industriearbeitsplätze ab, auch in Deutschland. Entscheidend ist die Geschwindigkeit. Schnelle Umbrüche richten großen Schaden an. Arbeitsmärkte haben eine natürliche Anpassungsrate: Jedes Jahr gehen etwa drei Prozent der Menschen in den Ruhestand. Die meisten Verschiebungen in neue Berufe geschehen zwischen den Generationen, nicht mitten im Berufsleben. Wenn der Wandel schneller ist, werden Menschen verdrängt – mit hohen ökonomischen und politischen Kosten.
Ist an Industriejobs irgendetwas grundsätzlich besser als an Dienstleistungen?
In der Industrie findet viel Innovation statt. Dort lernen wir eine Menge. Das sind gute Jobs, weil sie spezialisierte Expertise verlangen – und weil sie Stabilität bieten.
Die USA haben viel weniger Industrie als Deutschland und sind im Durchschnitt trotzdem reicher.
Ja, weil die USA sehr viele Innovationen hervorbringen. Ein großer Teil unseres Wohlstands stammt aus innovativen Branchen. Die USA haben in ihrer Geschichte schon öfter Industrien geschaffen und dann verloren – aber selten die an der Spitze des Fortschritts. Früher haben die USA die Welt mit Autos beliefert. Heute kommen Chips, Software, Künstliche Intelligenz von dort. Ich liebe mein Smartphone, und es ist mir wichtig, dass es von Apple entwickelt wurde, weil viel von der Wertschöpfung in die USA zurückfließt.
Gebaut wird das iPhone in China und zunehmend in Indien.
Das stimmt. Und sobald etwas in China hergestellt wird, ist es wahrscheinlicher, dass wir es verlieren. Das ist es, was mit deutschen Produkten passiert. Eine Zeit lang können Sie mit „designed in Germany, made in Shenzhen“ leben. Aber irgendwann heißt es: „designed in Shenzhen, made in Shenzhen“.
Dienstleistungsjobs gelten als weniger attraktiv. Kann sich das ändern? Industriejobs waren ja auch anfangs mal sehr prekär.
Definitiv. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen. Sie kann mehr Menschen ermöglichen, als Fachkräfte im Gesundheits- oder Rechtssektor zu arbeiten oder Software zu entwickeln. Die Industrie wird nicht auf Dauer der größte Arbeitgeber sein, sie wird kleiner. Aber sie bleibt wichtig: strategisch, für Innovation und für die Verteidigung.
Einige Leute setzen viel Hoffnung auf die Künstliche Intelligenz, andere sind sehr pessimistisch. Sie scheinen irgendwo dazwischen zu stehen.
Nicht dazwischen – ich sehe beides. Die Auswirkungen der KI werden sehr unterschiedlich sein: sehr gut und sehr schlecht. Die Technik ist eine riesige Chance, aber auch ein enormes Risiko. Ich bin weniger pessimistisch als viele Ökonomen. Viele sehen in KI nur Automatisierung und erkennen nicht, wo sie menschliche Expertise ergänzen und wertvoller machen kann.
Auf dem Arbeitsmarkt sehen wir bereits negative Auswirkungen. Branchen, in denen KI eine Rolle spielt, stellen weniger junge Mitarbeiter für Einstiegsjobs ein.
Ich kenne die Forschung dazu, aber ich bin davon nicht überzeugt.
Die Effekte setzen viel zu plötzlich ein, fast zur selben Zeit oder sogar bevor ChatGPT auf den Markt kam. In derselben Zeit begann aber auch die amerikanische Notenbank, den Zinssatz von null auf über fünf Prozent anzuheben. Dass weniger junge Leute eingestellt werden, sehen Sie immer in einem Abschwung. Ich habe neulich jemanden von Meta gefragt. Sie sagte, sie stellten noch junge Programmierer ein, aber niemanden mehr, der einfachen HTML-Code schreibt. Sie suchen Leute, die KI-Werkzeuge bedienen können. Das erfordert mehr konzeptionelles Denken als bloßes Programmieren.
Vielleicht warten die Unternehmen auch einfach ab, was die neue Technik wirklich kann. Es werden bisher weniger Leute eingestellt, aber nicht mehr gefeuert.
Absolut, es ist eine Zeit großer Unsicherheit – nicht nur wegen der KI, auch wegen Zöllen und politischer Risiken.
Sie unterscheiden zwischen Automatisierung und dem, was Sie „kollaborative KI“ nennen, die menschliche Fähigkeiten verstärkt. Wie kann man Anreize dafür schaffen?
Das ist der schwierige Teil. Unternehmen haben einen Anreiz, Mitarbeiter zu ersetzen. Mitarbeiter kosten Geld. Aber die Firmen tragen nicht die sozialen Kosten. Das macht mir Sorge. Die Staaten könnten mehr tun. Sie konzentrieren sich bisher auf Regulierung, aber sie zahlen zum Beispiel für Bereiche wie Gesundheit und Bildung. Dort könnten sie Anreize für Werkzeuge schaffen, die das System effizienter machen und Fachkräfte unterstützen. Ein Teil des Problems wird sich auch von selbst erledigen.
Warum das?
KI-Systeme, die Arbeiter ersetzen sollen, sind oft nicht verlässlich. Viele dieser Automatisierungsprojekte werden scheitern. Wir gehen jetzt vielleicht einen Umweg, aber am Ende werden Unternehmen die Richtung ändern. Ich glaube nicht, dass der Computer auf Dauer viele Aufgaben oder gar ganze Jobs allein übernehmen wird. Er wird von Menschen beaufsichtigt werden – und das ist eine wichtige Fähigkeit.
Was würden Sie jungen Menschen raten: Was müssen sie lernen, um im KI-Zeitalter zu bestehen?
Analytisches Denken. Wir leben in einer Welt, in der wir ständig von komplexen, oft unzuverlässigen Informationen überflutet werden. In diesem Umfeld gute Entscheidungen zu treffen, andere zu überzeugen und Führung zu übernehmen, das wird sehr wichtig – in einem konkreten Bereich. Sie können kein reiner Generalist mehr sein. Sie brauchen einen formellen Wissensfundus, in Gesundheit, Recht, Informatik, Marketing oder Design. Und die menschlichen Fähigkeiten, diese komplexen Werkzeuge zu managen, die für uns arbeiten.
Und Sie? Würden Sie heute noch Ökonom werden?
Ja. Ich liebe, was ich tue, und das Fach ist durch Künstliche Intelligenz nur noch spannender geworden. Es sollte aber nicht jeder Ökonom werden – das wäre zu viel Konkurrenz.
Studieren lohnt sich also weiterhin?
Ich habe in München mit Studenten gesprochen und sie nach ihrer Meinung zu KI gefragt. Von fünfzehn sah nur einer die Entwicklungen positiv, einer war unsicher, die Übrigen sagten: Das ist schlecht, unser ganzer Karriereplan ist in Gefahr. Selbst wenn sie damit falschliegen, ist das gefährlich. Wenn junge Leute ihre Zukunft für bedroht halten, dann investieren sie weniger in ihre Bildung. Vielleicht ist das die deutsche Mentalität, aber ich vermute, in anderen Industrienationen ist es ähnlich. Ich wette, in Entwicklungsländern bekämen Sie ganz andere Antworten. Dort sehen viele die enormen Chancen der Technologie. Wir sehen im Westen viele Dinge zu pessimistisch, die die Welt als Ganzes besser machen. Aber Pessimismus ist eine Bürde. Er steht im Weg, wenn man nützliche Dinge tun will. Und eine Politik des Nihilismus ist nicht gut.