Digitaler Euro | Mysteriöses „Projekt 2029“: Hat jener digitale Euro nur zusammenführen Zweck – uns zu beaufsichtigen?
Es hagelt Kritik, trotzdem soll er kommen: Der E-Euro ist ein Prestigeprojekt der Europäischen Zentralbank und könnte laut Kritikern zur Bedrohung für unsere Privatsphäre werden. Bringt er auch Nutzen – oder nur Kontrolle über unser Geld?
Mit dem Bitcoin hat der digitale Euro (leider?) nicht viel gemein
Grafik: Der Freitag
Keiner will ihn, keiner mag ihn, und dennoch soll er kommen. Beim digitalen Euro handelt es sich um eines der fragwürdigsten Projekte der Europäischen Zentralbank (EZB). Ökonomen bezeichnen ihn als „Geld ohne Nutzen“, Banken sehen in ihm ein „Prestigeobjekt der EZB“, und für Aktivisten ist er ein „Instrument der Totalüberwachung und staatlichen Kontrolle“. Was das digitale Zentralbankgeld bringen soll, ist ein Mysterium.
Ende Oktober gaben die Notenbanker bekannt, dass die im November 2023 eingeleitete Vorbereitungsphase erfolgreich abgeschlossen wurde und nun die technischen Voraussetzungen für den digitalen Euro gelegt werden sollen. Gesetzt den Fall, dass die EU 2026 den dazugehörigen Rechtsrahmen beschließt, könnte 2027 ein Pilotprojekt mit ersten Transaktionen starten und das neue Geld 2029 zur Erstausgabe bereitstehen.
Vorgesehen ist, den digitalen Euro zusätzlich zum Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel zu etablieren. Dazu könnte die EZB eine elektronische Geldbörse („Wallet“) bereitstellen, die sich die Nutzer auf ihr Smartphone laden können. Möglich ist auch die Integration in bereits bestehende Angebote der Geschäftsbanken, und für Menschen ohne Computer und Handy könnte es eine Offline-Version in Form von Bezahlkarten geben.
Geschätzte Kosten laut EZB: 1,3 Milliarden Euro
Die Kosten des Projekts schätzt die EZB auf 1,3 Milliarden Euro, die jährlichen Betriebskosten sollen bei 320 Millionen Euro liegen. Für den Nutzer soll die Bereitstellung kostenlos erfolgen. Emittent wäre die EZB. Das Neue am digitalen Euro ist, dass der Bürger damit künftig auch digital Zugang zu Zentralbankgeld hätte. Dieses existiert für ihn bisher nur offline als Bargeld, also in Form von physisch greifbaren Scheinen und Münzen.
Der digitale Euro ist damit klar abzugrenzen vom Giralgeld der Geschäftsbanken, das per Kreditvergabe geschaffen wird und zur Abwicklung des täglichen Zahlungsverkehrs dient. Auch mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin hat das neue Geld außer seiner digitalen Form fast nichts gemein. Kryptowährungen werden dezentral erzeugt, versprechen Anonymität sowie ein hohes Maß an Staatsferne. Der digitale Euro ist genau das Gegenteil davon. Hier behält die Zentralbank die komplette Kontrolle über das Geld.
Die EZB arbeitet bereits seit Oktober 2020 an dem Projekt. Auslöser waren der Aufstieg der Kryptowährungen sowie die Pläne des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg, mit Libra (später Diem) eine digitale Weltwährung zu erschaffen. Das Vorhaben hat Zuckerberg fallen gelassen. Geblieben ist die Befürchtung der EZB, über kurz oder lang die Kontrolle über das Geldsystem zu verlieren. Unklar ist allerdings, welchen ökonomischen Nutzen der digitale Euro überhaupt haben soll.
Ökonomen aller Couleur sind gegen den digitalen Euro
Die EZB argumentiert mit dem Bedeutungsverlust des Bargelds und damit, dass man mit dem digitalen Euro den Zugang zu Zentralbankgeld in einer zunehmend digitalen Welt sicherstellen könne. Auch könne man sich mit dem digitalen Euro im internationalen Zahlungsverkehr von US-Anbietern wie Paypal, Mastercard und Visa unabhängiger machen. Bei Ökonomen fallen diese Erklärungen komplett durch, und zwar quer über alle Lager hinweg. In einer Umfrage der Börsen-Zeitung sagte der konservative Ökonom Volker Wieland: „Es gibt keine Riesenlücke, die der geplante digitale Euro schließen würde, denn es bestehen bereits vielfältige Optionen für kleine und große digitale Transaktionen.“
Auch der Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger, im Gegensatz zu Wieland ein Keynesianer, kann „keine ordnungspolitische Rechtfertigung“ für den digitalen Euro erkennen. Bofinger plädiert vielmehr dafür, bereits existierende private Bezahllösungen wie den europäischen Dienst Wero zu stärken. Selbst die Geschäftsbanken können dem neuen Geld wenig abgewinnen. „So wie der digitale Euro derzeit geplant ist, darf er sicherlich nicht kommen“, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Ulrich Reuter, kürzlich.
Das Motiv hinter diesen Worten ist klar: Für Banken und Sparkassen ist der digitale Euro ein Konkurrenzprodukt. Sie fürchten insbesondere in Krisenzeiten, Kundengelder zu verlieren. Das Zentralbankgeld hat nämlich den Vorteil, dass es staatlich gedeckt und damit die sicherste Form des Geldes überhaupt ist. Die EZB wird überdies nicht müde, zu betonen, dass der digitale Euro das Bargeld nicht ersetzen, sondern ergänzen soll. „Auch wenn es hierzu immer wieder Verschwörungstheorien gibt, kann ich als Bargeldvorstand der Bundesbank klar sagen: Wir wollen dem Bargeld nicht in irgendeiner Weise schaden oder es gar abschaffen“, so Burkhard Balz.
Norbert Häring warnt vor „digitaler Totalüberwachung“
Kritiker indes weisen schon lange auf die Gefahren des digitalen Euro für Freiheitsrechte und Datenschutz hin. Der Bargeldaktivist Norbert Häring etwa schrieb auf seinem Blog: „Die einzige erkennbare Funktion des eEuro ist es, Bargeld verdrängen zu helfen und der digitalen Totalüberwachung näherzukommen.“
Wie es mit dem Vorhaben weitergeht, ist offen. Noch hat die EU den Rechtsrahmen nicht veröffentlicht, und auch bei dem für den digitalen Euro zuständigen Berichterstatter im EU-Parlament, dem spanischen Politiker Fernando Navarrete Rojas, scheinen sich inzwischen Zweifel breitzumachen. Navarrete hatte Ende Oktober seinen Vorschlag für die Position des EU-Parlaments präsentiert und dabei in den Raum gestellt, dass es einen vollumfänglichen digitalen Euro nur dann geben könne, wenn privatwirtschaftliche europäische Bezahlalternativen fehlten. Über seinen Vorschlag wird das EU-Parlament voraussichtlich Mitte 2026 abstimmen.