Erwartungen dieser Finanzmärkte: Die Fed senkt die Zinsen, die EZB nicht

Für die Europäische Zentralbank (EZB) und die amerikanische Notenbank Federal Reserve stehen in den nächsten drei Wochen Zinsentscheidungen an. Die Erwartungen an den Finanzmärkten über deren Ausgang sind aber höchst unterschiedlich.

Hinsichtlich der Fed haben sich die Vorhersagen offenbar gedreht: Die Märkte preisen mittlerweile eine Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent für eine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte im Dezember ein, noch vor einer Woche waren es nur 30 Prozent.

Gründe für diesen Stimmungswandel scheinen die Äußerungen von Fed-Vertretern und der Konjunkturbericht der amerikanischen Notenbank gewesen zu sein. Die Leitzinsen würden damit auf ein Band von 3,5 bis 3,75 Prozent sinken.

Für die EZB dagegen wird an den ­Finanzmärkten die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im Dezember mit null Prozent bewertet, wie Commerzbank-Ökonom Marco Wagner sagte. Der wichtigste Leitzins, der Einlagensatz, würde damit auf 2,0 Prozent verharren, der Hauptrefinanzierungssatz auf 2,15 Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz auf 2,4 Prozent.

Die EZB-Zinsentscheidung wird am 18. Dezember verkündet, die Fed ist schon vorher, am 10. Dezember an der Reihe.

Die Fed hatte ihre Leitzinsen zweimal gesenkt, im September und Oktober, nachdem sie diese zuvor das ganze Jahr unverändert gelassen hatte. Die EZB hingegen hatte ihre Zinsen seit dem vergangenen Sommer achtmal gesenkt und sie dann seit Juni unverändert gelassen.

Neue Inflationsprognosen

In der EZB wurde zuletzt vor allem über die Frage diskutiert, ob es ein Risiko ist, dass die Inflation gleichsam „nach unten abhaut“. Die Notenbank erwartet nach der derzeitigen Prognose fürs kommende Jahr 1,7 Prozent, für 2027 dann 1,9 Prozent. Am 18. Dezember soll es eine neue Prognose für diese beiden Jahre und dann erstmals auch für 2028 geben.

Wenn die neuen Prognosen viel niedriger als die alten ausfallen sollten, könnte das den Befürwortern weiterer Zinssenkungen im EZB-Rat Rückenwind geben. Als mögliche Gründe für niedrigere Inflationsprognosen werden bisweilen der tiefe Ölpreis und die schwache Konjunktur genannt; auch Verzögerungen für das europäische Emissionshandelssystem ETS 2 könnten Auswirkungen auf die Teuerung haben.

EZB-Vizepräsident Luis de Guindos sagte allerdings am Mittwoch im Gespräch mit Bloomberg TV, er halte zu niedrige Inflationsraten über längere Zeit für nicht besonders wahrscheinlich. „Das Risiko eines Unterschreitens des Ziels ist aus meiner Sicht begrenzt“, sagte de Guindos: „Ich sehe keinerlei Entankerung der Inflationserwartungen.“

Der kroatische Notenbankchef Boris Vujčić gab auf einer Veranstaltung in ­Kopenhagen zu bedenken, dass es die Notenbank ohnehin nicht schaffen könne, ihr Ziel von zwei Prozent immer „punktgenau“ zu treffen. Der Versuch eines solchen „Mikromanagements“ würde nur zu unnötiger Volatilität führen, ­also zu störenden Schwankungen an den Finanzmärkten.

Lettlands Notenbankchef Mārtiņš Kazāks sagte, es sei für eine Diskussion über eine weitere Zinssenkung jedenfalls zu früh. Die Inflation im Euroraum könne sich als hartnäckiger erweisen als gedacht: „Angesichts der bisherigen Daten halte ich die Zeit für eine Diskussion über eine Zinssenkung nicht für reif.“

Aus Sicht von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane ist vor allem ein Rückgang der Inflation ohne Energiepreise erforderlich, um sicher zu sein, dass die Inflation beim Notenbankziel von zwei Prozent bleibt. Zwar hat sich die Inflation im Euroraum fast das ganze Jahr um dieses Ziel herum bewegt, im Oktober betrug sie 2,1 Prozent. Aber die Inflation ohne Energiepreise liegt immer noch deutlich oberhalb von zwei Prozent, im Oktober betrug sie 2,4 Prozent.

„Für eine nachhaltige Inflation von zwei Prozent müssen wir also eine stärkere Verlangsamung der Nicht-Energie-Inflation sehen“, sagte Lane auf einer Finanzveranstaltung in Paris. „Wir sind zuversichtlich, dass dies geschehen wird, denn alles, was wir beobachten, deutet darauf hin, dass sich die Lohndynamik weiter abschwächen wird.“

Aus dem Protokoll der letzten EZB-Zinssitzung im Oktober, das am Donnerstag veröffentlicht wurde, geht hervor, dass einige EZB-Ratsmitglieder die Abwärtsrisiken für die Inflation stärker betonen wollten, als dies schließlich in der gemeinsamen geldpolitischen Erklärung zum Ausdruck kam.

Insbesondere die Frage, ob die amerikanischen Zölle die Konjunktur so drosseln könnten, dass die Inflationsrate niedriger ausfällt als erwartet, war offenbar Gesprächsthema. Das Gegenargument war, dass eine Fragmentierung des Welthandels längerfristig auch zu höheren Inflationsraten führen könnte.

Insgesamt gab es aber wohl recht einmütige Unterstützung für den Plan, die Zinsen im Oktober unverändert zu lassen.

Geldmenge wächst um 2,8 Prozent

Am Donnerstag wurden zudem Wirtschaftsdaten für den Euroraum veröffentlicht, die keine großen Überraschungen brachten – und somit auch eher für unveränderte EZB-Leitzinsen sprechen könnten. Die Geldmenge M3 stieg im Oktober um 2,8 Prozent. Zu M3 zählen Bargeld, Einlagen auf Girokonten sowie Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten dies erwartet.

Hinsichtlich der Kreditvergabe an Unternehmen war jedenfalls keine stärkere Dynamik festzustellen: Die Banken reichten im Oktober wie im September 2,9 Prozent mehr Kredite an Unternehmen aus. Die Kreditvergabe an Privathaushalte stieg um 2,8 Prozent, das Plus im September betrug 2,6 Prozent.

Source: faz.net