Rentenzoff zu Gunsten von Dummies: Liebe Junge Union, dieser Erklärtext ist nur zu Gunsten von Euch

Niemand hatte wohl die Absicht, eine Regierungskrise zu verursachen, aber genau das ist passiert: Die Junge Union, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und dessen Koalitionspartner SPD haben sich im Streit um das Rentenpaket so verhakt, dass sie kaum mehr einen Ausweg zu finden scheinen.

Seit Wochen wird über den Streit berichtet, aber eigentlich verstehen die wenigsten, worum es geht. Was sind die Streitpunkte? Wer hat Recht? Was ist dieses „Rentenniveau“, das hier mit einer „Haltelinie“ festgezurrt werden soll? Und was steht bei der ganzen Sache auf dem Spiel?

Worum geht es im „Rentenzoff“ zwischen Junger Union, Kanzler Merz und der SPD eigentlich wirklich?

Angefangen hat der Konflikt damit, dass eine Gruppe von 18 „Rentenrebellen“ ankündigte, dem Rentenpaket der schwarz-roten Regierungskoalition nicht zuzustimmen.

Die Abgeordneten sind Mitglieder der Jungen Union, der Jugendorganisation von CDU und CSU. Weil die schwarz-rote Koalition nur eine hauchdünne Mehrheit von 12 Stimmen im Bundestag hat, könnte ein vor allem für die SPD wichtiges Projekt scheitern. Und die Koalition daran zerbrechen.

Was ist das Rentenpaket?

Stein des Anstoßes: Das Rentenpaket (Originaltitel: „Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten“), dessen Entwurf im August im Kabinett von den CDU-, CSU- und SPD-Ministerinnen und ‑Ministern der Bundesregierung beschlossen wurde. Verantwortlich für den Entwurf war Sozialministerin Bärbel Bas von der SPD.

Am 16. Oktober hat der Deutsche Bundestag in erster Lesung über das Gesetz beraten. In den Augen der „Rentenrebellen“ aus der CDU- und CSU-Bundestagsfraktion reicht das Rentenpaket zu weit in die Zukunft und führt zu unerträglich hohen Kosten.

Tatsächlich setzt der Gesetzesentwurf erst einmal das um, was CDU, CSU und SPD im Mai im Koalitionsvertrag vereinbart haben: „Wir werden die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße stellen. Deshalb werden wir das Rentenniveau bei 48 Prozent gesetzlich bis zum Jahr 2031 absichern. Die Mehrausgaben, die sich daraus ergeben, gleichen wir mit Steuermitteln aus.“

Wenn Schwarz-Rot von „Rentenniveau absichern“ spricht, dann ist Folgendes gemeint: Eigentlich würde das Rentenniveau sinken, deshalb muss man es stützen, mit Zuschüssen aus dem Haushalt („Haltelinie“).

Was ist noch mal das Rentenniveau?

Jedenfalls nicht das, was irgendeine Rentnerin tatsächlich ausbezahlt bekommt. Sondern das Verhältnis von Eckrente (oder Standardrente) zu Durchschnittseinkommen aller Versicherter. Die Eckrente ist eine fiktive Zahl: Wenn jemand 45 Jahre lang gearbeitet hat, und sein Gehalt jedes Jahr dem Durchschnittseinkommen entsprochen hat, dann würde diese Person für jedes Jahr eingezahlter Rentenbeiträge einen Rentenpunkt zugeschrieben bekommen. Zusammen wären das 45 Rentenpunkte, und das wäre dann die Eckrente (aktuell: 1.835,55 Euro brutto. Achtung: Das ist eine fiktive Zahl, die tatsächlich bezogene durchschnittliche Rente in Deutschland liegt deutlich niedriger, je nach Berechnung zwischen 1.100 und 1.200 Euro, ebenfalls brutto.)

Setzt man die Eckrente in ein Verhältnis zum heutigen Durchschnittseinkommen aller Versicherten, bekommt man das Rentenniveau: Heute liegt es bei 48 Prozent.

Okay. Was war jetzt noch mal der Anlass für den Konflikt?

Das Rentenniveau orientiert sich an der Entwicklung der Löhne, aber als Folge einer früheren Reform aus dem Jahr 2004 bremst ein sogenannter „Nachhaltigkeitsfaktor“ einen Anstieg der Renten, wenn dieser zu höheren Beitragszahlungen führen würde.

(Das, was bei Rentnern jeden Monat auf dem Konto landet, kommt – weil umlagefinanziert – aus den Beitragszahlungen der Arbeiterinnen und Angestellten, die jeden Monat einzahlen. Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung müssen zueinanderpassen, sonst gibt es ein Loch in der Rentenkasse.)

Weil die Koalition sich aber, wie schon die Ampel-Regierung, darauf geeinigt hat, dass das Rentenniveau stabil bleiben soll, braucht es „Haltelinien“: Also Zuzahlungen aus dem Haushalt.

Das gilt im Übrigen auch für einen anderen Teil des Rentenpakets: für die Anerkennung von Erziehungszeiten, also die Mütterrente, die die CSU durchgesetzt hat. Die Mütter (oder Väter) haben ja in den Jahren, für die sie nun Rentenpunkte bekommen sollen, nicht eingezahlt.

(Tatsächlich gibt es ein Loch in der Rentenkasse, und zwar ein ziemlich großes: Das wird aus dem Bundeshaushalt gestopft. Es müssen ja alle Leistungen der Rentenkassen, für die keine Beiträge eingezahlt wurden oder werden, finanziert werden: Haltelinien, abschlagfreie frühere Rente, Mütterrente.)

Ich verstehe immer noch nicht, was jetzt das Problem ist. Worum zoffen die sich noch mal?

Im Gesetzesentwurf steht, dass die Haltelinie (also ein Festsetzen des Rentenniveaus auf 48 Prozent) bis zum Jahr 2031 festgeschrieben wird. Das steht auch im Koalitionsvertrag, ist also eigentlich unstrittig. Aber der Gesetzentwurf geht davon aus, dass die Berechnungen für die Jahre nach 2031 bei dem Haltelinien-Rentenniveau ansetzen: Dass also weiterhin darauf aufgebaut wird.

Die Junge Union hingegen fordert, dass für die Zeit nach 2031 die Berechnung des Rentenniveaus so tut, als hätte es die Verlängerung der Haltelinie nicht gegeben.

Sie kommt damit zu erstaunlichen Zahlen. Wahrscheinlich war der Auslöser für den ganzen Zoff tatsächlich eine Tabelle im Gesetzesentwurf, in der in zwei Spalten untereinander das Rentenniveau über die Zeit dargestellt wird, einmal mit Haltelinie und einmal ohne: einmal nach „geltendem Recht“ und einmal „mit Maßnahmen“. Für die Zeit nach 2031 macht das einen Unterschied von 1 Prozent aus: Im Jahr 2031 läge das Rentenniveau bei 47 statt 48 Prozent, im Jahr 2035 bei 45,7 statt 46,7 Prozent und so weiter.

Aus diesem Unterschied berechnen die Rentenrebellen dann astronomische Beträge: Es gehe um Folgekosten für den Haushalt in der Höhe von 120 Milliarden Euro.

Worauf Kanzler Friedrich Merz nicht zu Unrecht antwortete: Das sind ungelegte Eier, die eine ferne Zukunft betreffen. Künftige Rentenreformen, ob von der amtierenden schwarz-roten Regierung oder von einer Nachfolge-Regierung, können das alles auch anders regeln für die Zeit nach 2031. Die Merz-Regierung selbst hat sich eine große Rentenreform vorgenommen, eine Kommission soll Vorschläge erarbeiten. Politiker der Jungen Union sollen in dieser Kommission vertreten sein und so im aktuellen Streit besänftigt werden.

Die Rentenrebellen haben insofern einen Punkt, als dass nun Dinge für die Zukunft festgeschrieben werden, während völlig in den Sternen steht, ob es wirklich zu einer großen Rentenreform kommen wird: Wenn die Koalition sich schon an der einfachen Umsetzung ihres Koalitionsvertrags zerlegt, wie wahrscheinlich ist es dann, dass sie die überschäumenden Fantasien von privater Vorsorge bei der CDU mit dem Verteidigen der gesetzlichen Rentenversicherung bei der SPD zusammenbringt?

Geht es da um einen Konflikt zwischen Jung und Alt? Einen Generationenkonflikt, wie das die Junge Union sagt?

Nein, tatsächlich profitieren ja auch die Jungen von höheren Renten, und das auf längere Zeit als die heute schon Älteren. Außerdem wird die Haltelinie aus Steuergeldern bezahlt, nicht aus einer Erhöhung der Rentenbeiträge. Steuern aber bezahlen alle, auch Rentner, während Rentenbeiträge nur von denen bezahlt werden, die noch nicht in Rente sind.

Die Junge Union insistiert im Grunde darauf, dass es keine derart hohen Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt (dem Steueraufkommen) an das Rentensystem geben dürfe: Tatsächlich betragen die rund ein Viertel des ganzen Bundeshaushalts, im Jahr 2026 sollen es mehr als 120 Milliarden Euro sein.

Die „Rentenrebellen“ sind also im Grunde gar keine Rentenrebellen, sondern „Steuerzahlerrebellen“. Allerdings solche, die sich nur bei einem Thema, bei dem Menschen mit wenig Geld etwas davon hätten, aufplustern und querstellen. Und nicht bei anderen Staatsausgaben, bei denen deutlich höhere Beträge buchstäblich verheizt werden, etwa bei den Verteidigungsausgaben.