Pop | Auf Tauchkurs: Taylor Swifts unerwartetes Schweigen unter Trump

In den vergangenen Wochen nutzte die Trump-Regierung in drei Social-Media-Posts Musik aus Taylor Swifts aktuellem Album The Life of a Showgirl. Der erste, geteilt vom offiziellen Tiktok-Account des Weißen Hauses, zeigt eine patriotische Bildersequenz, untermalt mit der Single The Fate of Ophelia. Während Swift singt: „Pledge allegiance to your hands, your team, your vibes“, blendet das Video über zu Bildern der US-Flagge, Präsident Trump, Vizepräsident JD Vance sowie der First und Second Lady. Die beiden anderen Posts stammen von Team Trump, dem offiziellen Account der Trump-Kampagne. Der erste, untermalt mit Father Figure, spielt mit der Songzeile „This empire belongs to me“. Die Bildunterschrift lautet hier: „This Empire belongs to @President Donald J Trump“. Der zweite feiert eine Auszeichnung von Melania Trump als „Patriot des Jahres“ und ist mit dem Song Opalite unterlegt.

Die Trump-Regierung geriet in der Vergangenheit wegen der Verwendung von Popsongs immer wieder in Schwierigkeiten. Die White Stripes und die Erben von Isaac Hayes versuchten jeweils, die Regierung wegen der unerlaubten Verwendung ihrer Musik zu verklagen. Künstler:innen wie Céline Dion, Beyoncé, Rihanna, ABBA und die Foo Fighters veröffentlichten Stellungnahmen, in denen sie Trump aufforderten, ihre Songs nicht mehr bei Wahlkampfveranstaltungen und öffentlichen Auftritten zu verwenden. Zuletzt verurteilte Olivia Rodrigo die Regierung öffentlich. Der offizielle Instagram-Account des Heimatschutzministeriums und der des Weißen Hauses verwendeten ihren Song All-American Bitch für ein Video, in dem die Regierung ihre umstrittenen Abschiebemaßnahmen anpreist und bewirbt.

Woher die Kehrtwende?

Taylor Swift hingegen hat sich bisher nicht öffentlich zur Nutzung ihrer Songs seitens des Trump-Nukleus geäußert. Das Schweigen jener Künstlerin, die sonst für ihre unerbittliche Vorgehensweise bei der unerlaubten Nutzung ihrer Musik oder ihres Bildes bekannt ist, überrascht: Swift verklagte bereits einen Freizeitpark wegen der unlizenzierten Wiedergabe ihrer Musik, ging gegen Etsy-Verkäufer vor, die ihre Songtexte für inoffizielle Merchandise-Artikel verwendeten, verklagte Youtuber wegen Urheberrechtsverletzungen und forderte nachträgliche Songwriting-Credits von jüngeren Künstler:innen (darunter Olivia Rodrigo). Es ist für viele Fans bemerkenswert, dass Swift und ihr Team noch keine Stellungnahme abgegeben haben, in der sie sich von dem Präsidenten und seiner Regierung distanzieren, die bis zum Anschlag in Skandale verstrickt ist und wegen Zensur, gewaltsamer Razzien gegen Einwanderer und rechtsextremer Politik weltweit in der Kritik steht.

Ich muss auf der richtigen Seite der Geschichte stehen

Taylor Swift

Taylor Swift hielt sich mit politischen Meinungsäußerungen lange zurück. Bis zum Jahr 2018. Wie sie zu dieser Entscheidung fand, ist das zentrale Thema des Dokumentarfilms Miss Americana. Darf und soll sie sich politisch äußern oder nicht? 2024 unterstützte sie Kamala Harris bei der US-Präsidentschaftswahl und kritisierte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, Roe v. Wade aufzuheben. „Ich muss auf der richtigen Seite der Geschichte stehen“, proklamiert sie in Miss Americana und widersetzt sich damit dem Rat ihres Teams, darunter auch ihr Vater. Unklar ist, ob das einst Gesagte heute noch Gültigkeit hat. Falls doch, scheint Swift wenig Interesse daran zu haben, das in irgendeiner Weise gut zu kommunizieren: Weder zu den Razzien der Einwanderungsbehörde ICE gibt es von ihr ein Statement noch zum Israel-Gaza-Konflikt. Dieser überneutrale Fahrstil ähnelt dem vieler anderer sonst engagierter Promis. Zu politischen Themen halten viele heute lieber die Füße still.

Jennifer Lawrence erklärte kürzlich, sie werde über den Präsidenten nicht mehr öffentlich diskutieren, da dies nur „Öl ins Feuer gießen würde, das das Land zerreißt“. Stattdessen seien „viele der Filme meiner Produktionsfirma Ausdruck der politischen Lage“, sagte sie, „und so kann ich meiner Meinung nach einen Beitrag leisten“. Andere Stars, die sich 2024 neben Swift für Harris aussprachen, darunter Beyoncé, Jennifer Lopez und Katy Perry, blieben ebenfalls stumm. Auch Euphoria-Star Sydney Sweeney weigerte sich, sich an politischen Debatten zu beteiligen, auch nachdem bekannt wurde, dass sie als Republikanerin registriert ist.

Auf Kuschelkurs mit Trump

Wie Lawrence glaubt möglicherweise auch Swift, dass öffentlicher Widerstand gegen die Trump-Regierung die ohnehin schon angeschlagene Nation weiter spalten würde. Gut möglich, dass Swift im Stillen all jene unterstützt, deren Leben durch die Angriffe der Regierung auf Einwanderer und Minderheiten maßgeblich beeinträchtigt wurde.

Sich öffentlich zu äußern, ist nicht frei von Risiko: Nachdem Taylor Swift Kamala Harris ihre Unterstützung zugesagt hatte, stänkerte Trump bereits, er „hasse“ Swift. Und wie zuletzt der Eklat bei Jimmy Kimmel zeigte, schreckt die Regierung nicht davor zurück, ihre Macht zu nutzen, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen hat jedoch nicht alle Stars zum Schweigen gebracht: Sowohl Rodrigo als auch Billie Eilish haben ihre Meinung zur Trump-Regierung deutlich gemacht, ebenso Selena Gomez, Lady Gaga, Madonna und Bruce Springsteen.

Natürlich hat Swift mehr zu verlieren als die meisten anderen. Trotz vernichtender Kritiken für The Life of a Showgirl war sie kommerziell noch nie so erfolgreich. Demnächst erscheint eine von Disney produzierte Dokuserie, die einen Blick hinter die Kulissen der „Eras“-Tour wirft und von vielen mit Spannung erwartet wird.

Und dann wäre da nicht zuletzt noch ihre bevorstehende Hochzeit mit NFL-Star Travis Kelce. Diese Lovestory machte beide zu nationalistischen Symbolfiguren unzähliger patriotischer (und rotmützentragender) Amerikaner. Der kürzlich verstorbene Charlie Kirk befürwortete diese Liebe lautstark, während andere MAGA-Anhänger sogar glauben, die Heirat würde die Amerikaner zu mehr Fortpflanzung anregen. Swifts Image hat sich so verändert, dass sogar Trump wieder mildere Worte für sie findet: „Ich halte sie für einen großartigen Menschen“, sagte er, als er dem Paar zur Verlobung gratulierte.

Gibt es Parallelen zwischen Swift und Trump?

Der Präsident erkennt in Swift möglicherweise auch einiges von sich selbst: Eine knallharte Geschäftsfrau, die mehrere Editionen ihrer Alben veröffentlicht, um zusätzliche Einnahmen zu generieren und bessere Chartplatzierungen zu sichern – aber anscheinend auch mit dem Ziel, andere am Erreichen der Spitze zu hindern. Swifts Fokus liegt derzeit offenbar darauf, dem spanischen Star Rosalía mit ihrem Album Lux den Weg zur Nummer eins so schwer wie möglich zu machen. Und zwar indem sie ständig neue, exklusiv im Streaming verfügbare Versionen von The Life of a Showgirl veröffentlicht.

So gesehen könnten sich Parallelen zwischen Swifts geldgierigen, wettbewerbsfeindlichen Strategien und Trumps profitorientierter Denkweise finden. Womöglich weist ihr Eigeninteresse sogar Ähnlichkeiten zu seiner protektionistischen Wirtschaftspolitik auf. Wie auch bei Disney, Meta, Paramount und Walmart könnte Swifts Anbiederung an Trump wirtschaftlich von Vorteil sein. The Life of a Showgirl atmet einen Hauch von Konservatismus. In Wi$h Li$t träumt sie von einem Leben mit weißem Lattenzaun, einem Basketballkorb und singt von dem Wunsch nach „ein paar Kindern / und dass der ganze Block so aussieht wie du“.

Man vergisst leicht die junge Frau aus Miss Americana, die sich so leidenschaftlich gegen die Weisungen ihres Umfelds stemmte, um für ihre Überzeugungen einzustehen. Ungeachtet dessen, was man über den Einfluss von Prominenten auf die Politik denken mag – Swifts Reichweite ist enorm. Jeder öffentliche Widerstand gegen die Trump-Regierung könnte wertvoll sein, sei es durch Kunst oder Handeln. Es mag das ohnehin schon aggressive und polarisierende politische Klima weiter anheizen, aber ihr Einfluss hätte das Potenzial, Tausende im Kampf gegen zunehmend rückschrittliche und beängstigende soziale und politische Normen zu mobilisieren.

Wenn jedoch Showgirl Swifts aktuelle Lebensthemen widerspiegelt, dann zeigt das auch ihre derzeitige Verschlossenheit. Sie zeigt sich rachsüchtig, selbstbezogen und fantasielos – es ist das Werk einer Künstlerin, die den beunruhigenden Zustand der Welt anscheinend nicht mehr wahrnimmt. „Ich beschütze die Familie“, singt sie in Father Figure. Früher wusste man genau, was das bedeutete. Heute ist das nicht mehr so ​​eindeutig.