Jugendmedienstudie: Mehr Künstliche Intelligenz – und weniger Selbstkontrolle

Wenn der Wecker klingelt, schauen viele sofort aufs Handy. Abends wird noch stundenlang gescrollt. Das Smartphone ist ständiger Begleiter im Leben vieler Jugendlicher. Laut der aktuellen Studie „Jugend, Information, Medien“ (JIM) sind fast alle von ihnen täglich am Handy aktiv (95 Prozent).
Die Studie beleuchtet die Mediennutzung Jugendlicher zwischen 12 und 19 Jahren und wird seit 1998 jährlich vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest erhoben. Getragen wird das Projekt vom Südwestrundfunk sowie den Landesmedienanstalten Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.
Wie Jugendliche sich wirklich informieren
Die von Jugendlichen meistgenutzte App ist weiterhin Whatsapp (96 Prozent) vor Instagram (63) und Snapchat (56), das zuletzt 2020 Platz drei belegte. Die Jüngeren sind vor allem bei Youtube aktiv, später werden Instagram und Tiktok wichtiger. Ein Trend, der sich abzeichnet: Die tägliche Nutzungsdauer ist höher als noch 2024. Das zeigt, welche Sogwirkung das Smartphone auf viele Jugendliche hat. Rund zwei Drittel verbringen mehr Zeit mit dem Handy als eigentlich geplant. 29 Prozent sind morgens oft müde, weil sie abends zu lange am Smartphone waren. Und fast die Hälfte lässt sich bei den Hausaufgaben vom Handy ablenken.
„Je jünger die Jugendlichen sind, desto mehr ist es Aufgabe der Eltern, hierbei zu unterstützen, selbst Vorbild zu sein und Leitplanken zu setzen“, sagt Thomas Rathgeb von der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK). „Insbesondere für jüngere Kinder bieten sich technische Jugendschutzlösungen und Geräteeinstellungen an.“
Immer mehr Fake News und Hassbotschaften
Wer glaubt, Jugendliche informierten sich nur auf Social Media über das Weltgeschehen, liegt indes falsch. An erster Stelle stehen Gespräche mit der Familie und Freunden, gefolgt von Nachrichten im Radio und Fernsehen. Je älter die Jugendlichen werden, desto mehr gewinnt Instagram als Informationsquelle an Bedeutung. Bei den Achtzehn- und Neunzehnjährigen liegt die App fast gleichauf mit den Gesprächen in der Familie.
Was beschäftigt die Jugendlichen am meisten? Fast die Hälfte zeigt sich über Weltgeschehen und Kriege besorgt. Auch die politischen Entwicklungen im In- und Ausland (15 Prozent) sowie die eigene schulische und berufliche Zukunft (15) treiben viele Jugendliche um.
Ein besorgniserregender Trend: Rund zwei Drittel geben an, mit Fake News konfrontiert zu werden; außerdem mit Beleidigungen (64 Prozent), extremen politische Ansichten (59), Hassbotschaften (47) und Verschwörungstheorien (46). 28 Prozent stießen ungewollt auf pornographische Inhalte.Im Vergleich zum Vorjahr sind fast all diese Werte gestiegen. 29 Prozent haben außerdem sexuelle Belästigung im Internet erfahren, Mädchen häufiger als Jungs und ältere häufiger als jüngere Kinder. Die meisten Vorfälle gibt es bei Instagram, vor Tiktok und Snapchat.
Künstliche Intelligenz in der Schule und zu Hause
„Angesichts der vielschichtigen Mediennutzung sind diese negativen Begleiterscheinungen leider Teil des Alltags. Bislang ist nicht abzusehen, dass das deutlich zurückgeht“, sagt Rathgeb. Die Landesmedienanstalt sieht vor allem Plattformbetreiber in der Pflicht, gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen.
„Umso mehr ist es notwendig, dass Jugendliche verstehen, wie die Ergebnisse von KI-Anwendungen zustande kommen, und so die Arbeit von KI kritisch hinterfragen können“, sagt Rathgeb. „KI ist längst Teil der Schularbeiten zu Hause. Sie sollte daher auch Thema des Unterrichts sein.“
Australien verhängt Social-Media-Verbot
Ein Social-Media-Verbot ist nach Ansicht der Forscher wenig hilfreich, würden Altersbeschränkungen doch oft umgangen. Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick nach Australien. Die Regierung hat das Social-Media-Verbot für Kinder unter 16 Jahren auf zwei Anbieter ausgeweitet: das Internetforum Reddit und die Livestreaming-Plattform Kick. Sie müssen nun genauso wie Instagram, Tiktok und Youtube Maßnahmen ergreifen, um die Einhaltung der Altersbeschränkung sicherzustellen. Für die Umsetzung hatten die Plattformen ein Jahr lang Zeit, am 10. Dezember tritt das Gesetz in Kraft.
Mit dem Verbot ist Australien weltweit Vorreiter. Ähnliche Pläne werden in Dänemark und hierzulande diskutiert. Bislang gibt es in Deutschland kein gesetzlich festgelegtes Mindestalter, pro forma weisen Anbieter in ihren Nutzungsbedingungen auf ein Mindestalter von 13 Jahren hin.
Source: faz.net