Kostendruck und KI: Tausende Arbeitsplätze in niederländischen Banken verschwinden

Bankangestellte in den Niederlanden bangen um ihre Arbeitsplätze. Große Geldhäuser in der fünftgrößten Volkswirtschaft der EU streichen in Summe Tausende Arbeitsplätze, bedingt durch Programme zur Kostensenkung und Künstliche Intelligenz (KI). Die drittgrößte heimische Bank ABN Amro setzt zu einem besonders kräftigen Schnitt an: Sie baut bis 2028 etwa 5200 Arbeitsplätze ab und damit jede fünfte Stelle. Die Marktführerin ING und die viertgrößte Bank ASN werden voraussichtlich bis Ende kommenden Jahres knapp tausend Stellen wegrationalisieren – im Fall ASN wäre das etwa jede vierte im Konzern.

Niederländische Banken sehen sich unter Druck, Kosten zu senken: ABN erhöht wie zuvor ASN ihr Ziel für die „Cost-Income-Ratio“, also das Verhältnis von Kosten und Erträgen. Mit dem Stellenabbau im Finanzsektor steht das Land nicht allein: Nach Prognose des Finanzdatendienstleisters Bloomberg streichen Banken in aller Welt in den nächsten drei bis fünf Jahren 200.000 Stellen. KI dürfte Aufgaben übernehmen, die jetzt noch von Angestellten verrichtet werden – auch wenn sie gleichzeitig neue Funktionen erfordern könnte: etwa für Spezialisten, welche die Transparenz der KI-Systeme und den Datenschutz überwachen. Der Einsatz erfordert Investitionen, die erst nach und nach die Effizienz steigern.

ABN Amro kündigte ihren Stellenabbau zum Kapitalmarkttag am Dienstag an, auf den Investoren mit Spannung gewartet hatten. Die neue Vorstandsvorsitzende Marguerite Bérard, die im April Robert Swaak abgelöst hatte, legte ihre Strategie offen. Damit löste die Veranstaltung auch das Rätsel, das Swaak der Branche zum Wechsel an der Konzernführung gegeben hatte. Der Manager hatte im vergangenen Jahr – und nach nur vier Monaten in seiner zweiten Amtszeit – seinen Abgang angekündigt, ohne dass die Bank gleich einen Nachfolger parat hatte. Als Grund gab Swaak an, ABN Amro gehe in eine neue strategische Periode. Worin die Neuerung bestand, blieb unklar.

Größte Übernahme seit der Verstaatlichung

Wie die Bank aus Amsterdam nun erläuterte, will sie das heimische Privatkundengeschäft stärken, ebenso das Geschäft mit Familienunternehmen und -vermögen. Investitionen in die Geschäftsbank werden dagegen zurückgefahren. Ein Signal hatte in diesem Monat schon der Plan zu einer Großübernahme gegeben: ABN Amro will den Konkurrenten NIBC übernehmen, der jetzt noch dem amerikanischen Finanzinvestor Blackstone gehört (F.A.Z. vom 13. November). Das Institut mit Sitz in Den Haag ist aus einer Förderbank für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und war somit früher das Pendant der deutschen KfW. Heute ist es in erster Linie Hypotheken- und Sparerbank. An der Spitze steht seit diesem Jahr ein alter Bekannter der Frankfurter Finanzszene: Nick Jue, bis Ende vergangenen Jahres Deutschlandchef von ING. Der Preis liegt bei voraussichtlich 960 Millionen Euro, womit die Transaktion die größte seit der Verstaatlichung ABN Amros im Jahr 2008 wäre. Die Kosten sollen nach Abschluss der Integration um 100 Millionen Euro niedriger liegen; der NIBC-Sitz Den Haag wackelt stark, darauf lassen Andeutungen Bérards schließen. Im vergangenen Jahr hatte ABN Amro in Deutschland Hauck Aufhäuser Lampe (HAL) erworben, nachdem hierzulande schon die Bethmann Bank in ihr aufgegangen war.

Dagegen trennt sich ABN Amro von der Privatkredit-Einheit Alfam; sie geht an das zweitgrößte niederländische Geldhaus Rabobank. ABN Amro werde seinen Kunden weiterhin Privatkredite anbieten, aber fortan über eine Vereinbarung mit Rabobank, hieß es am Dienstag.

ABN Amro ist in der heutigen Form aus den Niederlande-Geschäften der 2008 in Schieflage geratenen Fortis entstanden. Sieben Jahre nachdem der Staat die Geschäfte übernommen hatte, leitete er per Börsengang die Reprivatisierung ein. Seitdem hat er den Anteil in Etappen gesenkt: Momentan sind es gut 30 Prozent, aber angekündigt ist ein weiterer Abverkauf auf 20 Prozent. Je mehr der Einfluss des Staates schrumpft, desto mehr wird die Bank Kandidat für eine Übernahme, ähnlich wie in Deutschland die Commerzbank. Das erhöht den Druck, den Aktienkurs zu steigern. Am Dienstag verteuerte sich das Papier um fünf Prozent.

Kosten, Ertrag und Eigenkapitalrendite

Wenn die Bank einen Abbau von 5200 Arbeitsplätzen nennt, so sind damit Vollzeitstellen gemeint – und es gilt der Vergleich zur Belegschaft Stand Ende 2024. Seitdem sind 1000 Stellen weggefallen, das Programm ist insofern schon zu etwa einem Fünftel abgearbeitet. „Ich verstehe, dass Veränderungen in unserer Kostenbasis, vor allem weniger Vollzeitstellen, Unsicherheit für unsere Kollegen bringen“, ließ Bérard sich zitieren. Daher verpflichte sich die Bank zu einem starken Sozialplan und biete Hilfe auf der Suche nach neuen Stellen an. Bis 2028 soll die Eigenkapitalrendite mindestens zwölf Prozent erreichen und das Kosten-Ertragsverhältnis unter 55 Prozent liegen.

ASN hatte bei der Bekanntgabe seiner Sparpläne diesen Monat 50 bis 55 Prozent als Ziel für die Kennziffer genannt. 850 bis 950 Stellen sollen bis Ende 2026 wegfallen. Das Institut hieß bis vor kurzem „de Volksbank“ mit den Marken ASN Bank, SNS, Regiobank and BLG Wonen. Die Geschäfte laufen neuerdings unter dem einheitlichen Namen ASN. Die Marktführerin ING stellt in Aussicht, 950 Stellen in den Niederlanden abzubauen, das kam durch eine entsprechende Meldung der Bank an die Sozialversicherung und Arbeitnehmervertreter heraus. Als Gründe nennt sie „Digitalisierung, KI und sich ändernde Kundenbedürfnisse“.

Source: faz.net