Elektromobilität: Der Ausbau des Ladenetzes ist Sache jener EU

Für die flächendeckende Einführung von Elektroautos fehlt in der Hälfte Europas die entscheidende Voraussetzung: die nötigen Ladesäulen. Ost-und Südeuropa, mit der Hälfte der EU-Bevölkerung, verfügen daher gerade einmal über 20 Prozent von Europas Ladesäulen, nur über 16 Prozent der wirklich schnellen Lader mit mehr als 150 Kilowatt Leistung, die für Langstreckenreisende und Urlauber von Bedeutung sind. Die Daten vom August dieses Jahres weisen für ganz Kroatien 241 dieser schnellen Ladesäulen aus, für ein Land, das mehr als zweimal so groß ist wie das Bundesland Hessen. Mancher deutsche Landkreis kann da mithalten.

Richtig gut aufgestellt für das Laden von Elektroautos sind nur einige skandinavische Länder, gefolgt von Belgien und den Niederlanden. Deutschland ist besser als der Durchschnitt. Hier ist es für routinierte Langstreckenfahrer in der Regel kein Problem, ihr Auto entlang der Autobahn schnell zu laden.

Doch der ursprüngliche grün-rote Plan hatte ja das Ziel, bis 2030 rund 15 Millionen rein batterieelektrische Autos auf die Straßen zu bringen, mehr als sieben Mal so viel wie heute. Und dafür wäre das aktuelle deutsche Ladenetz natürlich viel zu klein. Doch ironischerweise hat sich zuletzt auch noch die Ausbaugeschwindigkeit verringert, während zusätzliche Beschleunigung nötig wäre.

Die EU schweigt

Alarmierend ist der Umstand, dass die unzureichende und sehr ungleichmäßig verteilte Ausstattung der EU mit Ladesäulen von der EU-Kommission in Brüssel nicht klar und laut hörbar zur Kenntnis genommen wurde und dass man daraus keine Konsequenzen zieht. In der Brüsseler EU-Zentrale blicken offenbar zu viele Eurokraten zufrieden auf die Straßen der belgischen Hauptstadt, die sich relativ zügig mit immer mehr Elektroautos füllen, und man verliert die Lage in Süd- und Osteuropa aus dem Blickfeld.

Vielleicht sollten nächstens für EU-Mitarbeiter Dienstreisen mit dem Elektroauto vorgeschrieben werden statt klimaschädlicher Flüge, dann könnte jeder ganz praktische Erfahrungen mit E-Autos auf der Langstrecke machen.

Absurd wirkt das Festhalten der Brüsseler an den harten Reduzierungsgrenzen für den Flottenausstoß neu zugelassener Autos, wenn damit einerseits eine kräftige Steigerung des E-Auto-Verkaufs verlangt wird und Milliardenstrafen angedroht sind, andererseits aber die Voraussetzungen für den Betrieb von Elektroautos fehlen. Unter diesen Umständen ist klar, dass die Autokäufer in Süd- und Osteuropa keine Lust haben auf alltägliche Enttäuschungen beim Betrieb von Elektroautos.

Umso verwunderlicher wirkt, dass die Autohersteller weiterhin die Verantwortung für den steigenden Absatz von Elektroautos auf sich nehmen. Sie sollten endlich die Verantwortlichkeiten klarstellen: Der Ausbau des Ladenetzes ist Sache der EU und deren Mitgliedsländer. Wenn diese dann die Voraussetzungen für eine Antriebswende geschaffen haben, dann und erst dann kann wieder über Flottengrenzwerte, Verbrenner-Aus oder Strafzahlungen diskutiert werden.