Rechtspopulisten im Aufwind: Brandmauer aufwärts Schwedisch

Die nordischen Länder gelten zuweilen als Vorbild für eine Normalisierung im Umgang mit Rechtspopulisten. In Finnland sind die Rechtspopulisten Teil der Regierungskoalition; in Schweden regieren sie faktisch mit. Dort sind die Schweden­demokraten zwar formell weiterhin Teil der Opposition, doch tolerieren sie die bürgerliche Minderheitsregierung aus Moderaten, Liberalen und Christdemokraten.

Alle vier Parteien haben sich auf ein Abkommen (Tidö-Vereinbarung) geeinigt, das harsche Schritte vor allem im Bereich der Einwanderung und inneren Sicherheit vorsieht. Diese Maßnahmen gehen überwiegend auf die Schwedendemokraten zurück, die stärker als die drei Parteien der Minderheitsregierung sind.

Weniger als ein Jahr vor der nächsten Parlamentswahl führt das schwedische Konstrukt nun zu Verwerfungen. Denn die Schwedendemokraten streben nach der Wahl die volle Normalisierung und damit Ministerämter an.

Ministerpräsident tritt beim Parteitag der Schwedendemokraten auf

Er sei dafür, eine Mehrheitsregierung im bürgerlichen Lager zu bilden, sagte bei einem Parteitag am Wochenende der Vorsitzende der Partei, Jimmie Åkesson. Seine Partei und die Moderaten würden einen „natürlichen Kern“ der nächsten Regierung bilden.

Der Vorsitzende der Moderaten, Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson, trat an dem Tag neben Åkesson auf. Es war das erste Mal, dass ein moderater Parteivor­sitzender einen Parteitag der Schwedendemokraten besuchte. Kristersson bedankte sich dafür, was man bisher gemeinsam erreicht habe, „für die harte Arbeit im Reichstag“ und für die „unglaublich gute Zusammenarbeit“. Diese sei erst der Anfang.

Am gleichen Tag trat Kristersson auch beim Parteitag der Liberalen auf, dem kleinsten Partner seiner Koalition – der nach der Wahl für Sprengstoff sorgen könnte. Denn die Liberalen weigern sich, einem Bündnis zuzustimmen, dessen formeller Teil die Rechtspopulisten sind.

Die Liberalen liegen in Umfragen nur bei drei Prozent

Am Wochenende beschloss die Partei, lieber in die Opposition zu gehen, als eine Regierung zu unterstützen, in der die Schwedendemokraten Mitglied sind. Zugleich kündigten Vertreter der Liberalen öffentlich an, die bisherige Zusammenarbeit auch nach der Wahl fortsetzen zu wollen.

In diesem Spagat übte sich auch Umweltministerin Romina Pourmokhtari, die Mitglied der Liberalen ist. Sie warf den Schwedendemokraten einerseits Verantwortungslosigkeit vor. Deren Vertreter hätten den raschen NATO-Beitritt Schwedens untergraben, indem sie Koranver­brenner angestachelt und damit die Ablehnung der Türkei provoziert hätten, so Pourmokhtari. Zugleich sagte sie, die Wähler verdienten es, rechts zu wählen, ohne dass dies zu einer Regierungsbetei­ligung der Schwedendemokraten führe.

Diese formelle Ablehnung der Rechtspo­pulisten verbunden mit einer faktisch erstaunlich reibungslosen Zusammenarbeit hat sich für die Liberalen bisher nicht ausgezahlt. Derzeit liegen sie in Umfragen nur bei rund drei Prozent, würden also den Wiedereinzug in den Reichstag nicht schaffen.

Sollten die Liberalen aus dem Parlament fliegen, hätten die beiden anderen verbliebenen Regierungsparteien wohl kaum Probleme, sich mit den Schwedendemokraten zu einigen. Die derzeitigen Umfragen legen nahe, dass sie das dann als Juniorpartner tun würden. Die Folge wäre eine vermutlich abermals deutlich verschärfte Einwanderungspolitik.

Den Ton dafür setzte am Wochenende Denice Westberg, die Vorsitzende der „Jungschweden“, des Jugendverbands der Schwedendemokraten. „Jemand muss es wagen, das zu sagen: Der Islam hat in Schweden keinen Platz“, sagte sie. Gegenüber dem Sender SVT erläuterte sie später, sie finde, „man kann nicht hierherkommen und erwarten, dass man eine Religion ausüben darf, die oft im Widerspruch zu unseren schwedischen Werten steht“.

Source: faz.net