Ausstellung im Grünen Gewölbe: Kupferpracht von welcher Größe eines Tennisballs
Ein Traum für einen Museumsdirektor: ankündigen zu können, dass in einer Ausstellung seines Hauses die größten Meisterwerke einer Disziplin versammelt sind, und das wohl letztmals, weil es jetzt schon schwierig genug war, die beteiligten Leihgeber zum zeitweisen Verzicht auf ihre Preziosen zu bewegen. Zumal „zeitweise“ hier satte zwanzig Monate meinte, denn die Schau „Rotes Gold“ erlebte ihr Debüt schon im Mai 2024 im österreichischen Leogang, und nach der zweiten Station in der slowakischen Hauptstadt Bratislava ist sie nun zum Finale in Dresden angekommen. Danach gehen ihre Glanzstücke wieder zurück nach Budapest, Wien, Aachen und Bochum.
Vor allem nach Bochum, denn dort befindet sich das Deutsche Bergbau-Museum, und gleich drei der acht in Dresden gezeigten Handsteine, darunter die beiden prächtigsten, entstammen seinem Bestand. Handsteine – so nennt man Proben aus Bergwerken, die zur Veranschaulichung der jeweiligen Erzqualität dienen sollten. Zum leichten Transport ursprünglich in handlicher Größe gehalten, entwickelte sich aus der bergmännischen eine kunsthandwerkliche Leistungsschau, denn die meisten Erzgruben waren zu Feudalzeiten in fürstlichem Besitz, und die Herrscher ließen für ihre Wunderkammern Schaustücke anfertigen, die von Goldschmieden zu kunstvollen Montanweltminiaturmodellen modelliert wurden, aber immer noch „Handsteine“ genannt wurden, obwohl sie formatbedingt gut Oberschenkelsteine hätten heißen können.
Wie aus Eisen Kupfer wurde
Die in Dresden regierenden Wettiner verfügten jahrhundertelang über die reichsten Erzförderstätten in Mitteleuropa, weshalb in deren Kunstkammer, dem berühmten Grünen Gewölbe, so manches verfeinerte Montanmusterstück zu finden ist. Aber keine Handsteine aus Herrengrund, denn dieser deutschsprachige slowakische Ort gehörte bis 1919 zu Ungarn. Er war seit dem fünfzehnten Jahrhundert berühmt für ein metallurgisches Phänomen: Eisengegenstände, die man den Gewässern dieses Erzabbaugebietes aussetzte, verwandelten sich binnen kurzer Zeit in Kupfer. Das war zwar nicht so gut wie eine Umwandlung in Gold, hinter der damals alle Alchemisten her waren, aber es galt als Anfang. Und poliert sah das Kupfer prächtig genug aus. Deshalb wurde es als Rotes Gold populär, gerne auch noch reich versilbert oder gar vergoldet. Und mit Sinnsprüchen versehen wie „Eisen war ich / Kupfer bin ich / Silber trag ich / Gold bedeckt mich“. Das war frühe Reklameprosa für Produkte aus Herrengrund, die als Skurrilitäten in ganz Europa beliebt waren.

Der eher enge Sponsel-Raum des Neuen Grünen Gewölbes gibt den rechten Rahmen ab für die auch meist eher kleinen Objekte, die hier als größere Gruppen und dann bei den Raritäten der Handsteine auch allein so in Vitrinen arrangiert sind, dass intime Nähe rundum gestattet ist, um all die Details der Ausführung zu bewundern. Geschenkt hat man sich in Dresden im Gegensatz zu den beiden vorherigen Ausstellungsstationen den montanfolkloristischen Teil: Bergleute auf Mineralstufen oder sogenannte Eingerichte – unter Glasstürzen oder in Flaschen inszenierte Winzwelten mit Holzfiguren. Das Grüne Gewölbe setzt bei der Schau auf die ästhetisch ambitioniertere Seite der damaligen Andenkenfertigung.
Nur eines der Meisterwerke ist signiert
Dazu gehören die erwähnten opulenten Handsteine, die als höchst repräsentative Gaben für die Eigentümer der Erzgruben dienten. Um sie anzufertigen siedelte sich in der mittelslowakischen Bergbauregion eine ebenso quantitativ wie qualitativ bemerkenswerte Kolonie von Silber- und Goldschmieden an, deren Namen aber kaum überliefert sind. Eine Ausnahme ist der in Bochum bewahrte halbmeterhohe Handstein, den Paulus Kolbany 1763 signiert hat. Über all die anderen gestalterischen Wundertäter weiß man bestenfalls durch schriftliche Überlieferung und kann sich an Zuschreibungen versuchen.
Mit dieser Ausstellung wird ein weitgehend unbekanntes Kapitel der Kunstgeschichte neu aufgeschlagen. Kein einziges Objekt hat am Herstellungsort überlebt, und auch Dresden besitzt nur eine eher zweitrangige Arbeit aus Herrengrund. Das meiste Gezeigte entstammt der in Leogang aufbewahrten Privatsammlung der Achim-und-Beate-Middelschulte-Stiftung. Die zwanzigmonatige Ergänzung dieser Objekte um die spektakulären Museumsstücke geht nun zu Ende. Höchste Zeit also, um noch nach Dresden zu fahren und zu staunen.
Rotes Gold – Das Wunder von Herrengrund. Im Sponsel-Raum des Neuen Grünen Gewölbes, Dresden; bis zum 4. Januar 2026. Der Katalog, noch reichhaltiger als die Ausstellung, kostet 28 Euro (Sandstein).
Source: faz.net