Politischer Einfluss ist käuflich: Das Tegernsee-Versprechen welcher Weimer Media Group
„Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger“? Wem auch immer das Versprechen in die Werbematerialien des Ludwig-Erhard-Gipfels der Weimer Media Group gerutscht ist, ist für seine Ehrlichkeit zu danken
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer
Foto: Ipon/Imago Images
Haben Sie schon einmal an einer „exklusiven Executive-Night“ teilgenommen? Mit der Chance auf „Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger“? Und das Ganze auch noch am wunderschönen Tegernsee? Wenn nicht, haben Sie kommenden April die Chance dazu. Sie müssen sich lediglich zwischen dem „Matterhorn-Paket“ für 60.000 Euro und dem „Montblanc-Paket“ für 80.000 Euro entscheiden.
So versprechen es zumindest Werbematerialien der Weimer Media Group, die diese laut Süddeutscher Zeitung auf Anfrage verschickt hatte. Benannt ist sie nach Wolfram Weimer, aktuell Kulturstaatsminister unter Friedrich Merz (CDU). Die WMG richtet den „Ludwig-Erhard-Gipfel“ in Gmund am Tegernsee aus, an dem Wolfram Weimer und sein Wanderfreund Friedrich Merz auch privat residieren.
Einmal pro Jahr trifft sich hier, wie es auf derWebsiteheißt, „die Elite aus Wirtschaft, Politik, Medien und Wissenschaft auf dem großen Get-Together der Multiplikatoren“. Für kommendes Jahr sind unter anderem die Bundesminister:innen Katherina Reiche, Dorothee Bär und Thorsten Frei angekündigt, auch Markus Söder soll vorbeischauen.
50 Prozent des Unternehmens gehörten noch immer Kulturstaatsminister Wolfram Weimer
Dass nun ausgerechnet ein rechtes Boulevardportal wie Apollo News die Berichterstattung über das unmoralische Angebot der WMG ins Rollen brachte, liegt wohl weniger an aufrechter Empörung über den Klüngel zwischen Politik und Wirtschaft und mehr an Weimers Ankündigungen, verstärkt gegen die Macht der großen Tech-Konzerne vorzugehen. Seitdem scheinen Medien vom rechten Rand wie Nius, Apollo News & Co. sich Weimer zum Feindbild erkoren zu haben.
Trotzdem: Auch ein rechtes Huhn findet einmal ein Korn. Zwar hat Wolfram Weimer vor Amtsantritt als Kulturstaatsminister seinen Posten als Geschäftsführer der WMG geräumt – 50 Prozent der Unternehmensanteile hielt er aber bisher weiter. Die übrigen 50 Prozent gehören der neue Geschäftsführerin: Christiane Goetz-Weimer, Wolfram Weimers Ehefrau.
Inzwischen kritisieren völlig zu Recht auch die großen Medien der Mitte, dass ein Unternehmen, das für fünfstellige Summen „Einfluss auf die politischen Einflussträger“ ermöglicht, zu fünfzig Prozent einem aktiven Regierungsmitglied gehörte. Unter dem öffentlichen Druck hat Weimer inzwischen angekündigt, seine Unternehmensanteile an einen Treuhänder abzugeben.
„Sagen Sie der Politik, wo’s brennt, ich nehm alles entgegen“ (Hubert Aiwanger beim Gipfel 2025)
Und doch: Selbst wenn Wolfram Weimer morgen seine gesamten Unternehmensanteile an Save the Children spenden würde, änderte das nichts daran, dass der Ludwig-Erhard-Gipfel ein Ort ist, an dem Menschen mit viel Geld einmal viel näher an die Macht dürfen als ein Normalverdiener es sich je erträumen könnte. „Sagen Sie der Politik, wo’s brennt, ich nehm alles entgegen“, sagte der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) überraschend ehrlich schon beim vergangenen Ludwig-Erhard-Gipfel. Adressiert war das freilich nur an alle, die sich die Anwesenheit beim Gipfel leisten konnten.
Insofern machen die (un)glücklich formulierten Werbematerialien zum diesjährigen Ludwig-Erhard-Gipfel einfach nur transparent, was schon immer eine Hauptmotivation für die teure Teilnahme an allerlei Wirtschaftsgipfeln war, egal ob am Tegernsee, in Davos oder in Frankfurt.
Das eigentliche Problem ist nicht, dass ein Bundesminister Anteile eines von seiner Ehefrau geführten Konzerns hält, der gegen Geld Treffen zwischen gut betuchten Wirtschaftsvertretern und Politikern vermittelt. Sondern dass er und überhaupt irgendein Unternehmen, Gipfelveranstalter oder Lobbyist das tun kann, ohne gegen ein einziges Gesetz zu verstoßen.
Wer Minister sehen will, braucht nur eine gute Lobbyagentur und Geld
„Wenn Ihr Kunde einen Minister sehen will, dann werden wir das hinkriegen“, sagte vergangenes Jahr ein Top-Lobbyist zu Undercover-Journalist:innen von ZDF undabgeordnetenwatch.de– ohne zu wissen, für welche Firma er dieses Treffen überhaupt organisieren sollte. Auch dieser Fall zeigt: Um die „Top-Entscheider“ der Politik zu treffen, braucht es nur eine gute Lobbyagentur und das Geld, sie zu bezahlen.
Wem auch immer das Versprechen auf „Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger“ in die Werbematerialien des Ludwig-Erhard-Gipfels gerutscht ist, ist für seine Ehrlichkeit zu danken. Denn die Formulierung macht transparent, was selten ausgesprochen wird und doch offensichtlich ist: In Deutschland kann sich praktisch jeder mit ausreichend Kleingeld Einfluss auf die Regierung erkaufen.