Kulturpolitik Italien: Rechte Kontrolle in Italiens Kulturinstitutionen?

An der Mailänder Scala hat Daniel Barenboim am Montag die Konzertsaison mit einem Beethoven-Abend eröffnet, und der Beifall am Ende hätte vermutlich noch länger angehalten, hätte das wiederholte Zurückkehren auf die Bühne den Maestro nicht so erschöpft.

Das Mailänder Publikum feiert jede Rückkehr Barenboims, mit dem es eine lange gemeinsame Geschichte verbindet, wie ein großes Fest. Diesmal erschien der Applaus allerdings auch wie eine Geste des Aufbegehrens gegen den politischen Druck, dem sich Italiens Musiklandschaft ausgesetzt sieht. Am Wochenende hatte der Staatssekretär für Kultur, Gianmarco Mazzi von Melonis Brüdern Italiens, während einer Konferenz in Verona eine „künstlerische Überprüfung“ aller Opern- und Symphonieorchester angekündigt.

Es fehle Italien an musikalischer Spitzenleistung. „Wenn wir einen Vergleich mit dem Tennis anstellen, dann haben wir kein Sinner-, sondern ein Cerúndolo-Orchester“, sagte Mazzi (der argentinische Tennisspieler Francisco Cerúndolo steht auf Platz 21 der Weltrangliste). Es gebe Protokolle, so Mazzi weiter, die künstlerische Überprüfungen vorsehen, doch das stark gewerkschaftlich geprägte Opernsystem bekämpfe sie.

Ehrung als bestes Opernorchester der Welt

Die Mitarbeiter der Scala reagierten prompt. Die vom Staatssekretär für Kultur angekündigten Überprüfungen „erscheinen, so wie sie dargestellt werden, letztlich als reine Vergeltungsmaßnahme, als ‚Zurechtweisung‘“, heißt es in einer Stellungnahme der Gewerkschaften der Scala. Es stelle sich die Frage, ob kontrolliert werden solle, um etwas zu verbessern oder um dem Opernhaus womöglich zu schaden.

Künstlerische Kontrollen seien laut Tarifvertrag ohnehin vorgesehen, und sowohl Orchestermusiker als auch Chorsänger und Tänzer hätten sich bei ihren Bewerbungen um eine Festanstellung umfassenden Überprüfungen ihrer Fähigkeiten zu unterziehen. Die künstlerische Überprüfung als ein neu einzuführendes Instrument darzustellen, bedeute, die Realität zu verzerren. In der Erklärung wird außerdem auf das internationale Ansehen des Scala-Orchesters verwiesen. Es hat 2018 und abermals 2024 den ersten Preis bei den Opera Awards als bestes Opernorchester der Welt gewonnen.

Mit seinen Äußerungen hat Mazzi die ohnehin schon aufgeheizte Stimmung in Italiens Opernwelt weitergeschürt. Die Affäre um Beatrice Venezi, die kürzlich zur neuen Generalmusikdirektorin des Opernhauses La Fenice in Venedig berufen wurde, sorgt dort für anhaltende Erschütterungen. Der 35 Jahre alten Dirigentin, die ihren Posten im Oktober 2026 antreten wird, fehle es an ausreichender Erfahrung in renommierten Opernhäusern, heißt es in einem gemeinsamen Protestbrief der Orchestermitglieder.

Die Entscheidung für die Personalie sei über ihre Köpfe hinweg getroffen worden. Abgesehen von einer kurzen Videoaufzeichnung während der Pandemie hat das Opernhaus noch nie mit Venezi zusammengearbeitet. Das Orchester und die Gewerkschaftsvertretungen des Theaters riefen zu Streiks auf. Die Premiere von Alban Bergs „Wozzeck“ fiel deshalb aus, das Orchester spielte stattdessen draußen, vor dem Opernhaus. Eine Petition gegen die Ernennung Venezis wurde ebenfalls lanciert.

Neue Generalmusikdirektorin: Die Dirigentin  Beatrice Venezi während der Film Festspiele von Venedig
Neue Generalmusikdirektorin: Die Dirigentin  Beatrice Venezi während der Film Festspiele von VenedigAlessandra Tarantino/Invision/AP

Beatrice Venezi ist in Italien vor allem als Gast in Talkshows bekannt und gilt als Freundin von Regierungschefin Giorgia Meloni. So wie sie besteht Venezi darauf, sich mit der männlichen Form ihres beruflichen Titels als „Dirigent“ und nicht als „Dirigentin“ anreden zu lassen. Vor der Parlamentswahl 2022 trat sie bei Veranstaltungen von Melonis Partei, der Brüder Italiens, auf. Nach der Wahl wurde sie zur musikalischen Beraterin des Kulturministeriums.

Dort hat man den Vorwurf, die Ernennung der Dirigentin zur Generalmusikdirektorin sei eine politische Entscheidung, zurückgewiesen. Bea­trice Venezi bleibe an der Fenice, erwiderte Kulturminister Alessandro Giuli auf die Kritik: „Sie wird die Prinzessin von Venedig werden und die Orchestermusiker in sie verliebt machen.“

Dass die Musiker in Venedig in anderen Kategorien denken, haben sie schon deutlich gemacht. In Mailand haben sie jetzt auch betont, dass man am Opernhaus weder „mediale Erschütterungen noch Kontrollen, die als Strafmaßnahmen empfunden werden“, gebrauchen könne. Vielmehr brauche es Investitionen, die Anhörung von Fachleuten sowie die Anerkennung schon bestehender Spitzenleistungen.

Source: faz.net