Breuer Building in New York: Eine Festung jener Kunst öffnet wieder ihre Tore

Die berühmten, trapezförmig ausgestülpten Fenster sind natürlich noch da: Wo sich Marcel Breuer 1964 von Marc und Evelyne Bernheim in dem von ihm geschaffenen Gebäude fotografieren ließ, blickt man immer noch auf die Fassade gegenüber an der Madison Avenue. Anders als damals hängen hier und auf den anderen Stockwerken jetzt aber Gemälde, die verkäuflich sind, denn das Auktionshaus Sotheby’s hat das Breuer Building übernommen. Gustav Klimts Bildnis der Elisabeth Lederer könnte bei den bald stattfindenden Eröffnungsauktionen 150 Millionen Dollar einbringen; ein Selbstbildnis Frida Kahlos ist auf mindestens sechzig Millionen Dollar taxiert.

Behutsam renoviert

Bei der Vorschau für geladene Gäste und Medienvertreter ist die Stimmung festlich. Die Renovierung des Gebäudes durch das in Basel ansässige Architekturbüro Herzog & de Meuron ist das, was man behutsam nennt: Die historischen runden Lampen an der Decke im Foyer etwa sehen aus wie früher, dank neuer Leuchtmittel strahlen sie jetzt nur heller.

Mehr Licht für käufliche Kunst: restaurierte Lobby des Breuer-Gebäudes
Mehr Licht für käufliche Kunst: restaurierte Lobby des Breuer-GebäudesStefan Ruiz / Sotheby’s

Das im brutalistischen Stil erbaute Gebäude beherbergte nach seiner Eröffnung 1966 für fast fünfzig Jahre das Whitney Museum, danach wurde es unter dem Namen Met Breuer für einige Zeit eine Außenstelle des Metropolitan Museum. Zuletzt bewahrte man hier während der Renovierung der Frick Collection Werke von dort auf. Nun zieht also eines der wichtigsten Auktionshäuser der Welt ein – und der museale Charakter des Hauses wurde aktualisiert. Kunstwerke hängen jetzt an verschiebbaren, samtbezogenen Wänden in Blau oder Grün; Tafeln klären über die Bedeutung der Bilder und Sammlungen auf. Anders als in den meisten Museen kann der Besucher hereinspazieren wie in eine Galerie, ohne Eintritt zu bezahlen.

Räume als Module

Die Probleme, über die sich Skeptiker den Kopf zerbrochen haben, nachdem Sotheby’s das Gebäude gekauft hatte, scheinen behoben. Praktikabilität schien hier immer ein wenig gegen Prestige zu stehen: Die Frage war, ob sich die Ausstellungsräume wirklich für große Auktionen und Veranstaltungen eigneten, ob man hier großformatige Objekte würde bewegen können. So waren die Aufzüge schon zu Zeiten des Whitney ein Ärgernis. Nur ein einziger Fahrstuhl war für den Transport von Kunstwerken leidlich geeignet, weshalb ein neuer Aufzug eingebaut wurde. Die Ausstellungssäle sind nun zum Teil so modularisiert, dass sie sich für Großveranstaltungen und Auktionen umbauen lassen.

Auf grünem Samt: Frida Kahlos Selbstporträt, das im November versteigert werden soll
Auf grünem Samt: Frida Kahlos Selbstporträt, das im November versteigert werden sollStefan Ruiz / Sotheby’s / VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Das Auktionshaus hatte dem Whitney Museum das Breuer-Gebäude für rund hundert Millionen Dollar abgekauft. Zugleich trennte es sich für 510 Millionen Dollar von seinem bisherigen Hauptsitz an der York Avenue. Damit sinkt die Kapazität im vorgesehenen modularen Ausstellungs- und Auktionssaal immerhin von 450 auf nur noch 200 Plätze. An der York Avenue wird das Versteigerungsunternehmen weiterhin Büros mieten, ein Hinweis darauf, dass der Platz im neuen Zuhause begrenzt ist.

Der Umzug fällt in eine schwierige Phase am Kunstmarkt: Allein bei Sotheby’s ist der Umsatz im vergangenen Jahr um 23 Prozent zurückgegangen. Doch die Prognosen sind optimistischer. Zusammen mit den anderen großen Auktionshäusern will man in diesem Herbst um die zwei Milliarden Dollar mit Kunstverkäufen umsetzen und den Abwärtstrend umkehren. Allein aus dem Nachlass von Leonard Lauder kommen im Breuer Building Werke für 400 Millionen Dollar zum Aufruf.

Ein architektonisches Meisterwerk oder ein Kunstbunker?

Ein Architekturdenkmal als neues Domizil bringe auch eine Auseinandersetzung mit der Geschichte mit sich, sagt Charles Stewart, der leitende Geschäftsführer von Sotheby’s, bei der Vorbesichtigung. Der fünfgeschossige, sich an einer Seite nach oben hin stufenweise verbreiternde Quader, dessen Fassade aus Sichtbeton und grauem Stein nur wenige Fenster durchbrechen, wurde von vielen New Yorkern schon immer heiß geliebt und von anderen vehement abgelehnt. Auch die Ansichten der Kritik über das Werk des Bauhausschülers Breuer, dessen populärste Entwürfe wohl seine Stahlrohrstühle sind, waren von Beginn an geteilt.

Als architektonisches Meisterwerk von den einen gefeiert, weckte das Breuer Building nach seiner Fertigstellung bei dem Kritiker von „Newsweek“ eher Erinnerungen an das Gefängnis Alcatraz, während die „New York Times“ es als „dunkel romantisch“ beschrieb. Seit 1980 steht das Gebäude unter Denkmalschutz und ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem überwiegend geliebten Wahrzeichen der Upper East Side geworden. Entsprechend groß war das Interesse für die Wiedereröffnung – und das lag nicht nur an Maurizio Cattelans „America“ genannter goldener Toilette, die, in einem verspiegelten Raum ausgestellt, auf ihre Auktion wartet und bis dahin ein optimales Instagram-Motiv abgibt.

Auch Messeunternehmen haben schon Interesse an den Räumlichkeiten angemeldet. Die Kunstmesse Independent 20th Century wird kommendes Jahr im Breuer-Gebäude stattfinden. Das dürfte im Sinne vieler New Yorker sein: Sie freuen sich, dass die ehemalige Heimstatt zweier geliebter Museen und eine Attraktion der Upper East Side wieder zugänglich ist, wenn auch unter einem neuen Besitzer.

Source: faz.net