„The Running Man“: Sterben pro die Quote

Wenn Geschichten über die Zukunft die
Gegenwart erreichen, hat das einen besonderen Reiz. Es drängt sich der Vergleich auf: Ist die Utopie oder Dystopie vielleicht schon eingetreten,
empfinden wir die Umstände, die damals als undenkbar galten, inzwischen als
normal? Im Jahr 1984 etwa wurde George Orwells 1948 entstandenes Werk rauf und runter
interpretiert und mit John Hurt in der Hauptrolle verfilmt. Jetzt, im Herbst 2025, sind wir in der Zukunft von The Running Man angekommen. Der Roman
über eine medial vermarktete Menschenjagd wurde 1982 von einem gewissen Richard
Bachmann veröffentlicht, besser bekannt als Stephen King.

The
Running Man
ist nach
The Long Walk die zweite King-Verfilmung in diesem Herbst, beide Geschichten erzählen
von einem Amerika, das tödliche Fernsehspiele zur Unterhaltung der Bevölkerung
veranstaltet. In The Long Walk wird ein Gewaltmarsch bis zur völligen
Erschöpfung veranstaltet, den nur ein Teilnehmer überleben wird, The Running Man ist eine im Fernsehen live übertragene Hetzjagd von Kandidaten durch
das ganze Land. Beiden Erzählungen gemein ist, dass die Teilnehmenden in der
Hoffnung auf finanzielle Erlösung um ihr Leben kämpfen.

Kings Romane entstanden in einer Zeit, die unter dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan von Rezession,
wirtschaftlicher Unsicherheit und Arbeitslosigkeit geprägt war. Mehr als 40
Jahre später steht die US-Wirtschaft unter der Politik von Präsident
Donald Trump
erneut unter
Druck, die Bevölkerung leidet unter der hohen Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten. Zugleich tobt nicht nur in den USA ein Kampf der Informationen, der die Frage nach der „Wahrheit“ ganz neu definiert.

1987 wurde The Running Man von Paul M. Glaser mit Arnold Schwarzenegger als
klassischer Actionfilm adaptiert – was gemischte Gefühle hervorrief, vor allem
wegen des eher losen Bezugs zu Kings Originalwerk. Die Neuverfilmung hat nun der
britische Regisseur Edgar Wright (Shaun of the Dead,
Hot Fuzz, Baby Driver
) übernommen.

Ein klassenverbindendes Massenspektakel

Um Medizin für seine kranke Tochter besorgen
zu können, bewirbt sich Ben Richards (gespielt von Glen Powell) für eine der
vielen menschenverachtenden und gefährlichen Fernsehshows, die permanent im
sogenannten FreeVee laufen. Als er für The Running Man ausgewählt
wird, beginnt für ihn ein Wettlauf um Leben und Tod. 30 Tage lang soll er
sich von den Kopfgeldjägern um Evan McCone (Lee Pace) unter Mithilfe der
Polizei (hier Goons genannt) sowie der Bevölkerung durch das
gesamte Land jagen lassen. Der Deal: Für jeden Tag, den er überlebt, erhält
seine Familie eine Geldprämie. Überlebt Richards den ganzen Monat, erhält er
den Hauptgewinn in Höhe von einer Milliarde Dollar.

Regisseur Wright inszeniert die Fernsehshow The
Running Man
als alle gesellschaftlichen Klassen verbindendes
Massenspektakel. Fragte man sich bei den heruntergekommenen und teils völlig
zerstörten Häusern am Wegesrand von The Long Walk, wer hier überhaupt
noch einen Fernseher besitzen soll, um das große TV-Event des „Langen Marsches“
zu verfolgen, läuft in The Running Man eigentlich
immer irgendwo das FreeVee. Der Bombast der Fernsehshow wird nicht nur
behauptet, sondern in all seinem Irrsinn zelebriert.
Im TV-Studio donnert eine jubelnde Menge den Teilnehmenden entgegen, überall
flackern Videotafeln mit den Gesichtern der Kandidaten. Als Ben Minuten nach
Spielbeginn in ein Taxi steigt, dreht sich der Fahrer um: „Hey Running Man, ich
hab dich gerade noch im FreeVee gesehen!“ Fortan steht nicht nur Ben, sondern
auch dem Kinopublikum der Paranoiaschweiß auf der Stirn. Ganz offensichtlich
spielt hier wirklich das ganze Land mit.

The
Running Man
wirft die Zuschauer in die namenlose
Großstadt eines Amerikas, das in einen totalitären Polizeistaat umgebaut wurde.
In den Straßen der sogenannten Slumside wird das ganze Elend von Kings
Dystopie deutlich. Zwischen schmutzigem Beton und blinkenden Leuchtreklamen
vegetiert die verarmte Bevölkerung dahin, während in den reichen Vierteln
der Stadt Menschen in schicken Anzügen zwischen den Wolkenkratzern flanieren. „Herumlungern“
werde hier streng bestraft, informiert eine Lautsprecherstimme die
hoffnungslosen Spielanwärter aus der Slumside, die sich an einem dieser
Wolkenkratzer zur Anmeldung für die Fernsehshows einreihen. Das weckt
Erinnerungen an Donald Trumps Ankündigung, in Washington, D. C. die
Nationalgarde einzusetzen, um
obdachlose Menschen aus der Stadt zu vertreiben
.