Koalitionsausschuss: Deutschland bekommt kombinieren Staatsfonds – so soll er laufen

Tief im Entwurf für den Bundeshaushalt 2026 existiert er schon, der neue Hoffnungsträger der schwarz-roten Koalition. Mit der Titelnummer 671 01-691 steht der Deutschlandfonds im Etat des Bundeswirtschaftsministeriums, Rubrik „Mittelstand: Gründen, Wachsen, Investieren“. Noch handelt es sich um einen sogenannten Leertitel.

Eine konkrete Geldsumme ist nicht hinterlegt. Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung zehn Milliarden Euro für den Deutschlandfonds bereitstellen – in der Hoffnung, dass private Investoren mindestens 90 Milliarden Euro dazu geben. „Ein starkes Instrument, um die Modernisierung unseres Landes voranzutreiben“ sei der Fonds, heißt es im Beschlusspapier zum jüngsten Koalitionsausschuss.

Norwegen hat einen, Singapur auch, Saudi-Arabien und diverse andere arabische Länder ebenso: Staatsfonds sind auf der Welt weit verbreitet. Ihre Strukturen und Ziele unterscheiden sich jedoch. Manche Staatsfonds investieren breit angelegt in Aktien, Anleihen und Immobilien, um mit den Erträgen das staatliche Rentensystem mit zu finanzieren. Andere Länder legen den Schwerpunkt auf industriepolitisch erwünschte Beteiligungen. In der deutschen Politik tauchte der Begriff Deutschlandfonds erstmals im Jahr 2007 auf, als der damalige SPD-Chef Kurt Beck ein Beteiligungsinstrument schaffen wollte, das Unternehmen zusätzliches Kapital und Mitarbeitern Renditeaussichten eröffnen sollte.

Ein „Technologie-Booster“?

Knapp zwanzig Jahre später nehmen Union und SPD nun neuen Anlauf. „Finanzierungslücken im Bereich des Wachstums- und Innovationskapitals schließen“: So lautete die Zielsetzung aus dem Koalitionsvertrag. Doch je länger an dem Konzept für den Fonds gearbeitet wird, desto komplexer wird es. Start-ups, Mittelstand, Rohstoffe, Energienetze, womöglich auch noch Wohnungsbau: Der Deutschlandfonds ist zur Projektionsfläche für alle Wünsche geworden, für die es trotz der Rekord-Neuverschuldung noch an Geld mangelt.

Bis zum Jahresende wollen das Finanz- und das Wirtschaftsministerium die Eckpunkte präsentieren. Was schon feststeht, ist, dass der Deutschlandfonds ein Dachfonds sein wird, der teils neue, teils existierende Förderinstrumente bündelt. Eine Säule wird der Zukunftsfonds sein, der im Jahr 2021 von der damaligen schwarz-roten Koalition geschaffen wurde und von der staatlichen Förderbank KfW verwaltet wird. Unter seinem Dach sind etwa über den „DeepTech & Climate Fund“ oder den „High-Tech Gründerfonds“ schon heute staatliche Beteiligungen an Start-ups möglich.

Nach dem aktuellsten Jahresbericht kann der Zukunftsfonds bis zum Jahr 2030 rund 12,5 Milliarden Euro ausgeben. Bis Ende 2023 wurden 3,3 Milliarden Euro für Projekte zugesagt. Direkt und indirekt seien durch den Fonds 12,1 Milliarden Euro private Mittel mobilisiert worden, heißt es.

Investitionsschwäche in Deutschland

Der bisherige Zukunftsfonds soll unter dem Dach Deutschlandfonds erweitert werden. Der Koalitionsausschuss spricht von „weiteren Beteiligungs- und Finanzierungsplattformen“, in Berlin kursiert schon der Name „Technologie-Booster“. Helfen soll das Unternehmen, die auf dem zersplitterten europäischen Kapitalmarkt nicht genügend privates Kapital zum Wachsen bekommen. Die Palette der Instrumente reicht von Krediten und Garantien über Mezzaninekapital bis hin zu direkten Beteiligungen mit Eigenkapital. Explizit angesprochen werden nun auch Unternehmen, die Rüstungs- oder Dual-Use-Güter produzieren.

Hintergrund der Bemühungen ist die anhaltende Investitionsschwäche in Deutschland. Die Privatwirtschaft, von der rund 90 Prozent aller Investitionen kommen, steht seit Jahren auf der Bremse. Das Ifo-Institut rechnete kürzlich vor, dass die privaten Investitionen auf das Niveau des Jahres 2015 gefallen sind. Weniger private Investitionen, das bedeutet weniger neue Arbeitsplätze, Gewinne und letztlich auch Einnahmen für den Staat.

Der im Sommer verabschiedete „Investitionsbooster“ mit verbesserten Abschreibungsbedingungen hat noch nicht die erhoffte Trendwende gebracht. Nun soll durch den Deutschlandfonds Kapital im Land „andocken“, wie Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) am Rande der Sitzung sagte.

Eine Säule soll die Energieinfrastruktur sein

Auch der Mittelstand soll nach dem Willen der Koalition gestärkt werden. Dass im Beschlusspapier dazu nur dieser eine Satz steht, liegt daran, dass die Sache heikel ist. Juristen prüfen derzeit, ob 2,3 Milliarden Euro, die aus der Zeit der Finanzkrise noch ungenutzt im Bankenrettungsfonds Soffin liegen, vom Bund in einen Mittelstandsfonds überführt werden können. So hatten es Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart. Nicht alle Banken sind damit jedoch einverstanden. Bis die Rechtslage geklärt ist, dürfte es noch dauern.

Zu diesen auf Innovationen und Wachstum ausgerichteten Bausteinen des Deutschlandfonds sollen weitere hinzukommen. So wird der von der Ampelkoalition mit einer Milliarde Euro gefüllte Rohstofffonds künftig unter dem Dach des Deutschlandfonds laufen. Der von der KfW gemanagte Fonds fördert Unternehmen, die hierzulande kritische Rohstoffe abbauen oder ihre Importquellen diversifizieren wollen.

Eine weitere Säule des Deutschlandsfonds soll sich der Energieinfrastruktur widmen, den Stromnetzen ebenso wie den kommunalen Wärmenetzen. Der Investitionsbedarf in diesem Bereich ist angesichts des näher rückenden Ziels Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 enorm. Viele Stadtwerke haben sich in den vergangenen Monaten hilfesuchend an die Politik gewandt, weil ihnen das Geld für den Ausbau und die Dekarbonisierung ihrer Energienetze fehlt. In der Bundesregierung sind sie zuversichtlich, dass es genügend Interesse privater Investoren aus dem In- und Ausland gibt, Kapital für die komplexe deutsche Energiewende zur Verfügung zu stellen.

Angesichts der Fülle der Pläne wird der Deutschlandfonds wohl schrittweise starten, eine Säule nach der anderen. Im Sommer 2026, so berichten es Beteiligte, könnte der Startschuss fallen. Eine wichtige Vorarbeit ist schon erfolgt. Im Februar dieses Jahres wurde die Anlageverordnung für Pensionskassen gelockert. Versicherungen können dadurch einen höheren Anteil ihres Vermögens in Anlagen mit höherem Risiko wie Start-ups ebenso wie in Infrastrukturprojekte investieren.

Dass es nicht einfach wird, die Vielzahl der geplanten Säulen und Unterinstrumente Investoren zu erklären, ahnen die Beteiligten in den Ministerien. Nach einer eingängigen Vermarktungsstrategie suchen sie noch. Zumindest über einen Punkt müssen sich die Verantwortlichen indes wenig Sorgen machen: Für die Finanzierung des Deutschlandfonds muss nicht erst noch Geld an anderer Stelle im Haushalt eingespart werden.

Kapitalhilfen zählen zu den finanziellen Transaktionen. Diese können außerhalb der Schuldenbremse getätigt werden, weil ihnen ein Vermögenswert gegenübersteht. Nur für etwaige Ausfallrisiken muss im Haushalt Geld eingeplant werden. Im Titel 671 01-691 wird am Ende also ein deutlich kleinerer Betrag als die zehn Milliarden Euro stehen.

Source: faz.net