USA II | So gespalten sind die Demokraten: Bernie und die jungen Wilden gegen dies Establishment

Graham Platner, Austernfarmer und Veteran, tritt in Maine an. Unterstützt von Politveteran Bernie Sanders, könnten junge Wilde wie Zohran Mamdani und Platner die sozialdemokratische Wende in den USA einläuten


Kann ausgerechnet Maine den Beginn eines Machtwechsels bei den Demokraten markieren?

Foto: Angela Weiss/Getty Images


Vor einigen Jahren spottete der Comedian Bill Maher, dass die Bevölkerung von Maine lediglich aus zwei Hummern, einem Bären und dem Schriftsteller Stephen King bestehe. Tatsächlich leben in dem abgelegenen Bundesstaat im Nordosten der USA knapp 1,4 Millionen Menschen, aber für die dortige Politik hat sich im Rest des Landes kaum jemand interessiert – bis jetzt.

Denn in Maine treffen bei den Senats-Vorwahlen der Demokraten im kommenden Jahr nicht nur zwei sehr unterschiedliche Kontrahenten aufeinander: Hier zeichnet sich ein wegweisender Kampf um die Zukunft der demokratischen Partei ab, die seit der zweiten Niederlage gegen Donald Trump bei einer Präsidentschaftswahl auseinanderfällt. Das alte Establishment hält an der Macht fest, junge Gesichter mit dezidiert linker politischer Agenda wollen sie beerben. Nirgendwo wird dieser Konflikt deutlicher als in Maine.

Als Vertreterin der alten Garde tritt Janet Mills an. Beim Amtsantritt 2027 wäre sie 79 Jahre alt. Mills ist seit mehr als 20 Jahren in der Politik, aktuell Gouverneurin von Maine und in der Bevölkerung äußerst unbeliebt. Als „moderate“ Demokratin vertritt Mills wirtschaftsfreundliche Positionen. Sie verhinderte ein Gesetz, das die Arbeitnehmerrechte von Erntehelfern stärken sollte, blockierte Steuererhöhungen für Großverdiener und genießt die Rückendeckung der Parteispitze in Washington.

Ihr Widersacher ist Graham Platner, halb so alt wie Mills, Austernfarmer, Afghanistan-Veteran und politischer Quereinsteiger. Er fordert eine öffentliche Krankenversicherung für alle, kritisiert die „Oligarchie“ im Land, befürwortet allerdings auch das umstrittene Recht auf Waffenbesitz und musste vor Kurzem einräumen, sich als Marine-Soldat während eines feucht-fröhlichen Landgangs ein rechtsradikales Tattoo stechen lassen zu haben, ohne (so Platner) dessen Bedeutung zu kennen.

Das gerontokratische Establishment kann sich nicht gegen Trump durchsetzen

Seiner Popularität schadete die Kontroverse kaum. Platner füllt Veranstaltungssäle und wird vom linken Senator Bernie Sanders unterstützt. Maine könnte so zum Testballon für die kommende Wahl werden. Wollen die Wähler weiterhin „moderate“ Kandidaten oder ist Amerika reif für eine sozialdemokratische Wende?

In der Großstadt New York haben sich die Bürger vergangene Woche bereits entschieden. Der 34-jährige Sozialist Zohran Mamdani hat bei der Bürgermeisterwahl auch gegen Andrew Cuomo gewonnen, den ehemaligen Gouverneur des Bundesstaats New York, und gegen eine gut finanzierte Gegenkampagne von New Yorker Milliardären und der örtlichen Regenbogenpresse.

In Washington hat dagegen noch das alte Establishment das Sagen. Chuck Schumer, 74, Fraktionsvorsitzender im Senat, sitzt seit 26 Jahren im Kongress. Loslassen fällt der Gerontokraten-Riege schwer. In den vergangenen drei Jahren sind acht Abgeordnete der Demokraten im Amt verstorben. Trotz Krebs im Endstadium und offensichtlicher Demenz trotzten sie allen Rücktrittsforderungen – so als hätten sie ein lebenslanges Anrecht auf ihr Mandat.

Erfahrung übersetzt sich jedoch offensichtlich nicht in effektive Politik. Die Oppositionsarbeit der alten Garde gegen Donald Trump ist schwach. Während dessen erster Amtszeit konzentrierte man sich darauf, ihm (weitgehend erfolglos) Beziehungen zu Russland nachzuweisen – trat dabei aber zumindest einigermaßen geschlossen auf.

Derzeit bröckelt die Front der US-Demokraten gegen die Republikaner

Während Trumps zweiter Amtszeit, in der der Präsident wesentlich demokratiegefährdender agiert, ist von dieser Geschlossenheit nichts mehr zu spüren. Einzelne Senatoren stimmten zum Beispiel für Trumps Kabinettsmitglieder. Bei den aktuellen Shutdown-Streitigkeiten bröckelt die Front gegen die Republikaner.

Die Partei des Präsidenten will die öffentlichen Zuschüsse zur Krankenversicherung kappen. Die ohnehin schon überteuerten Policen wären für Millionen Amerikaner nicht mehr leistbar. Dennoch stimmten acht Demokraten am Montag im Senat für einen Deal mit den Republikanern, ohne entscheidende Zugeständnisse – und das, obwohl die Wähler vor allem Trump für die Pattsituation verantwortlich machen.

Auffälligerweise muss sich keiner der acht Senatoren 2026 zur Wiederwahl stellen. Das heißt: Entweder Chuck Schumer hat seine Fraktion nicht unter Kontrolle oder die Abgeordneten haben hinter den Kulissen ausgemacht, wer bei der Abstimmung den Buhmann spielen muss. In jedem Fall zeigt die Shutdown-Niederlage, wie führungs- und orientierungslos die Demokraten sind.

Das registrieren auch die Wähler. 2024 konnte Trump alle Wechselwählerstaaten gewinnen und selbst in New York enorme Zuwächse verbuchen. Zwar konnte die Partei jetzt dank der unpopulären Politik des US-Präsidenten bei den Gouverneurswahlen in New Jersey und Virginia wichtige Wahlsiege verbuchen, ein nachhaltiger Aufschwung scheint jedoch unwahrscheinlich. Nur ein knappes Drittel der Wähler befürwortet aktuell die Politik der Partei.

Bernie organisiert den Widerstand im Land

Wie schon 2016 machen die Demokraten kaum Anstalten, einen Erneuerungsprozess anzustoßen. Kamala Harris tourt mit ihren Wahlkampf-Memoiren, in denen sie keine nennenswerten Fehler eingesteht, durch die Mehrzweckhallen des Landes und kokettiert mit einer erneuten Präsidentschaftskandidatur.

Wenigstens leisten mittlerweile einzelne Demokraten Widerstand gegen die eigene Parteiführung. Da ist etwa der linke Abgeordnete Ro Khanna, der mit einer Handvoll weiterer Abgeordneter nach dem Desaster in den Haushaltsverhandlungen offen den Rücktritt Schumers fordert. Der Grund, warum viele Kollegen sich der Forderung nicht anschließen würden, sei, „es würde die Geldgeber verärgern“.

Die Partei müsse sich allerdings fragen, ob sie sich Milliardären verpflichtet fühle, „die uns zweimal Trump eingebrockt haben“, oder den Menschen im Land. Währenddessen tourt der Politik-Veteran Bernie Sanders mit seiner „Kämpft-gegen-die-Oligarchie“-Tour unermüdlich durchs Land, um öffentlichen Widerstand gegen Trump zu organisieren, und unterstützt nach Kräften Politiker wie Mamdani und Platner, die die alten Platzhirsche herausfordern.

Gegen Chuck Schumer könnte 2028 die populäre linke Abgeordnete und Sanders-Verbündete Alexandria Ocasio-Cortez antreten. Und auch anderen Amtsinhabern drohen Kampfkandidaturen durch junge linke Abgeordnete, die dem Rechtsruck nicht nur eine Rückkehr zum Status quo vor Trump entgegensetzen wollen, sondern eine neue Vision für ein sozial gerechteres Amerika.

Graham Platner fordert übrigens ebenfalls den Rücktritt Schumers. „Wir brauchen Führungspersonal, das bereit ist zu kämpfen“, sagte er am Montag in einem Video und schaute dabei entschlossen in die Kamera. Laut einer Wahlumfrage führt er derzeit deutlich vor Gouverneurin Mills. Womöglich assoziiert der Rest Amerikas Maine bald nicht mehr nur mit Hummern, Bären und Stephen King – sondern auch mit Graham Platner.