Musik | Jüdische Kulturtage Berlin: Klänge pro die Verständigung

Avishai Cohen und Yamma Teiman machen die Vielfalt jüdischer Kultur hörbar


Die Musik von Cohen ist eingängig bei aller Raffinesse und Virtuosität, man hört ihr aber an, dass sie durch die Schule des Modern Jazz gegangen ist

Foto: Boaz Arad


Beim Besuch der Jüdischen Kulturtage sollte man die musikalischen Events keineswegs auslassen. Das Yamma Ensemble wird Musik der jemenitischen Juden und Jüdinnen vortragen, so vielleicht auch den Song of Salomon, den ich in anderer Fassung voriges Jahr bei einem Konzert des Lausitz Festivals im Programm Nigun. Hebräische Chormusik kennenlernte: „Ich suchte ihn und fand ihn nicht“, „den meine Seele liebt“, dabei ist sie, das von Yamma evozierte Mädchen, „auf den Straßen und auf den Plätzen“ umhergegangen. Es ist jedenfalls Zeit, den Geliebten zu suchen, „denn siehe, der Winter ist vorbei“, worauf also noch warten?

Den Nachsatz vom vergangenen Winter, vom Frühling also als der Zeit der Liebe, hat Yamma dem dritten Kapitel des „Hohelieds“, aus dem der Songtext genommen ist, hinzugefügt: Er macht deutlich genug, was dort direkt ausgesprochen wird, dass nämlich noch gar nicht klar ist, wer der Geliebte sein wird. „Des Nachts auf meinem Lager“ hat das Mädchen zu suchen begonnen, und wenn es auf der Gasse einen findet, den Richtigen, wird es ihn „packen“ und „in die Kammer“ bringen, in der es geboren wurde. Es wird mit ihm zu einem Lager, zu ihrem Lager zurückkehren. Auf Yammas Internetseite kann man sie sich auch anhören.

In der auf dem Lausitz Festival bei Nigun vorgetragenen Komposition von Yehezkel Braun war das direkt zitiert. Während Brauns Musik der traditionell europäischen abgewonnen ist, orientiert sich Yamma an arabischer Musik. Dabei greift wiederum diese jüdisch-arabische Musik hier und da auf europäisch-amerikanische Jazzmuster zurück. Und so regt Yammas Gesang, abgesehen davon, dass er bezaubernd ist, auch zum Nachdenken an: Das ist doch eine Musik und das sind Texte, die zwischen dem christlich gewesenen Abendland und der islamischen Welt vermitteln – könnte solche Vermittlung nicht überhaupt die kulturelle wie politische Friedensrolle von Juden und Jüdinnen in der Welt von heute sein?

Ein großer Genuss wird es auch sein, die Jazzkompositionen Avishai Cohens und seiner Band anzuhören. Cohen ist Bassist, das Bassplayer Magazine hat ihn, den 1970 geborenen Israeli, zu den hundert einflussreichsten Bassisten des 20. Jahrhunderts gezählt. In der von ihm komponierten Musik soll man auch Einflüsse des Nahen Ostens hören können. Das ist mir so schnell nicht gelungen, als ich Full Studio Live Session auf Youtube anhörte, umso leichter ist es aber, die Zugehörigkeit zu „Fusion“ wahrzunehmen, der Verschmelzung von Jazz und Rock. Aber auch von Jazz und Funk.

Eingängig und virtuos

So beginnen alle Stücke von Cohens kleiner Band aus Bass, Posaune, Schlagzeug und Piano mit einem Lied, das dann wie im ältesten Jazz von den Solisten – und der jungen Solistin, man wird die wunderbare Schlagzeugerin Roni Kaspi auf den Kulturtagen hören – nacheinander variiert wird. Die Musik ist eingängig bei aller Raffinesse und Virtuosität, man hört ihr aber an, dass sie durch die Schule des Modern Jazz gegangen ist. Cohen hat mit Jazzgrößen wie John Coltrane und Chick Corea zusammengespielt. Er selbst beruft sich auf israelische „Komponisten, die den mediterranen Sound und die arabischen Rhythmen der Darbuka“, das ist eine Bechertrommel, „mit westlichen Harmonien verbanden. Das brachte einen speziellen Sound hervor. Dieser Sound bin ich.“

Was seine Band spielt, ist so stimmig, dass man sich vorstellt, es sei, geboren zwar aus der Improvisation aller Bandmitglieder, zuletzt bis ins Detail von ihm auskomponiert worden. Wenn zum Beispiel die Schlagzeugerin schnell eine kleine Sternfunkenexplosion in den Übergang zweier Melodieteile wirft, ist das sicher ihre eigene Handschrift, aber dass es im komplexen Kleinsten des Zusammenspiels so haargenau passt, wird Cohens Nacharbeit zu verdanken sein. Viel Spaß allen, die zuhören werden!

Avishai Cohen. The Hebrew Book Band Part II 15. November, 20.30 Uhr Yamma Teiman. Traditionelle jüdische Musik und zeitgenössische Klänge aus Nahost 16. November, 19.30 Uhr Synagoge Rykestraße, Berlin