Tasla-Chef: Die Musk-Sekte

Wenn Elon Musk sagt, die „Zukunft der Zivilisation“ stehe auf dem Spiel, ist Vorsicht angebracht. Der Vorstandschef von Tesla verwendet diese dramatische Formulierung gerne, um dem, was er sagt und tut, ein besonderes Gewicht zu verleihen, ob mit Blick auf seine Unternehmen oder seinen politischen Aktivismus. Als er im Januar auf einer Veranstaltung der von ihm unterstützten AfD auftrat, sagte er, die bevorstehende Bundestagswahl könne über die Zukunft der Zivilisation entscheiden.

Jetzt hat er argumentiert, Wohl und Wehe der Menschheit hänge davon ab, wie viel er verdient – ein sogar für seine Verhältnisse besonders krasses Beispiel für Selbstüberhöhung. Musk hat gedroht, Tesla zu verlassen, falls ihm nicht auf der Aktionärsversammlung ein Gehaltspaket gewährt wird, das bis zu einer Billion Dollar wert sein und ihm deutlich mehr Kontrolle über das Unternehmen geben könnte.

Die Aktionäre fügten sich mit dem Wunsch mit deutlicher Mehrheit und haben damit einmal mehr unterstrichen, dass Tesla einer Sekte gleicht. Sie lauschten gebannt, wie Musk über Produkte wie einen humanoiden Roboter sprach, der noch nicht auf dem Markt ist, aber ihm zufolge eines Tages den Wert ganzer Volkswirtschaften vervielfachen könnte. Gleichzeitig sahen sie darüber hinweg, dass Musk Teslas gegenwärtige Schwierigkeiten im Geschäft mit Elektroautos, das heute für den größten Teil des Umsatzes steht, völlig ignorierte. Dabei ist er mitverantwortlich für diese Abschwächung. Sein politisches Engagement hat viele potenzielle Kunden abgeschreckt, und ihm ist anzulasten, dass Teslas Produktpalette heute veraltet ist.

Das nun gewährte Gehaltspaket ist leistungsabhängig, was prinzipiell sehr zu begrüßen ist. Es ist an das Erreichen bestimmter Meilensteine geknüpft, und um das ganze Aktienpaket zu bekommen, müsste Tesla in völlig andere Dimensionen hineinwachsen und zum Beispiel seinen Gewinn mehr als verzwanzigfachen. Die Vorgaben für die ersten Tranchen dieses Pakets sind freilich deutlich machbarer, und auch das würde ihm schon zweistellige Milliardenbeträge bringen.

Angesichts der an Erpressung grenzenden Drohung Musks, sich von Tesla zu verabschieden, hatten die Aktionäre gute Gründe, für das Gehaltspaket zu stimmen. Der Börsenwert ist eng an Musks Person geknüpft. Ohne Musks Zukunftsverheißungen wäre Tesla im Moment nur einer von vielen wachstumsschwachen oder gar schrumpfenden Autoherstellern. Aus Anlegersicht ist es einfacher, Musks Zukunftsvisionen zu folgen, als sich der unangenehmen Frage zu stellen, ob Tesla völlig überbewertet ist.

Aber eines Tages muss aus den Visionen auch Realität werden, und Musk hat jetzt schon für die nähere Zukunft die Messlatte sehr hoch gelegt. Er hat versprochen, im nächsten Jahr werde die Serienproduktion des Roboters, eines geplanten Roboterautos und eines Lastwagens beginnen. Das klingt äußerst ambitioniert, und Musk hat sich damit enorm unter Druck gesetzt. 2026 muss ein Jahr großer Weichenstellungen für Tesla werden. Personenkult um Musk hin oder her: Irgendwann wird auch unter Tesla-Aktionären die Toleranz für uneingelöste Versprechen an Grenzen stoßen.