Heile Welt und 80er-Jahre-Charme – Warum die Schumanns solange bis heute treue Fans nach sich ziehen

Am 3. November 1983 startete im ZDF „Ich heirate eine Familie“. Die Serie wurde ein großer Publikumshit und hat noch heute treue Fans. Das liegt an den bestens ausgewählten Darstellern und den Drehbüchern – die nicht ohne Grund besonders authentisch sind.

Wer die Bundesrepublik der 1980er-Jahre miterlebt hat und nostalgisch veranlagt ist, hat heute oft eine besondere Schwäche für jenes Jahrzehnt. Aber auch Jüngere haben vielfach ein Faible für die Mode, die Musik, die Filme, Bücher oder TV-Serien von damals.

Experten diagnostizieren dabei „eine Sehnsucht nach einer Zeit, in der zumindest gefühlt alles einfacher war – unabhängig davon, ob man die Zeit selbst erlebt hat oder nicht.“ Und unabhängig davon, ob in den 80ern in der Bundesrepublik tatsächlich „alles besser“ war. Denn so war es natürlich nicht; oft wird in der Rückschau etwa die bedrückende Angst vor einem Atomschlag im Zeitalter des Kalten Krieges ausgeblendet, die das Jahrzehnt überschattete (und die nicht unbegründet war, wovon etwa der Fall „Able Archer 83“ kündet).

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Wahr ist aber auch, dass damals eine große Fülle von Klassikern mit unverkennbarem 80er-Charme entstand, die ein unbeschwertes Lebensgefühl transportieren, deren Qualität noch heute begeistert, die einfach „Kult“ sind. Darunter großartige Popsongs, lebenslustige Werbespots, innovative Computerspiele, amüsante Kinofilme.

Und legendäre TV-Serien. Eine solche aus bundesdeutscher Produktion, gedreht in West-Berlin, hatte am 3. November 1983 ihre Premiere im ZDF: „Ich heirate eine Familie“. Darin geht es um den aus Wien stammenden, erfolgreichen Werbegrafiker Werner Schumann (gespielt von Peter Weck, der auch Regie führte), einem Junggesellen mittleren Alters, der sich bisher nur von einer Affäre zur nächsten hangelte und nun die geschiedene Angelika „Angi“ Graf (Thekla Carola Wied) kennen- und liebenlernt.

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Was Werner anfangs nicht weiß: Angi hat drei Kinder, nämlich Tanja (Julia Biedermann), Markus (Timmo Niesner) und Tom (Tarek Helmy). Schnell erobert auch Angis Nachwuchs Werners Herz; er heiratet Angi, tauscht seinen Porsche gegen eine VW-„Familienkutsche“ ein und holt die vier in sein Haus in Berlin-Grunewald, das er bisher nur mit seinem Hund Lulu bewohnt hatte, umsorgt von seiner Haushälterin Frau Rabe (Bruni Löbel), die anfangs noch etwas eifersüchtig auf die neue, quirlige „Rasselbande“ ist. Fortan spielen sich kleine und große Abenteuer ab, durchleben die Schumanns den gemeinsamen Familienalltag in all seinen Facetten.

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Die Serie war von Beginn an ein großer Erfolg mit hohen Einschaltquoten, bis 1986 wurden 14 Folgen produziert. Neben den bestens besetzten Darstellern, die mit viel Spielfreude agierten, fanden die mit Witz und Herz gespickten Drehbücher von Curth Flatow viel Anklang, die auch deswegen sehr authentisch wirkten, weil der Autor persönliche Erlebnisse einfließen ließ – denn er hatte selbst eine Familie geheiratet.

Noch heute laufen Wiederholungen von „Ich heirate eine Familie“, sie gilt als Klassiker einer amüsanten „Feel good“-Serie, die eine heile Welt zeigt, ohne dabei platt, übertrieben süßlich oder allzu betulich zu sein. Neben Flatows Büchern lag das auch an Wecks Regie, der seine Herangehensweise in einem Interview mit „Der Standard“ später so beschrieb: „Usus ist beim Fernsehen, dass Pointen abgeschmeckt werden: ‚Das war eine Pointe!‘ Aber ich habe gesagt: ‚Das geht nicht. Die Pointe kommt an oder nicht, aber sie muss im Vorbeigehen passieren.‘ Oder: Thekla Carola Wied war sehr erpicht darauf, ernsthafte Rollen zu spielen. Sie wollte nicht in die Nähe des Boulevards kommen. Ich bemerkte aber, dass sie, wenn ich ihr viele Aufgaben stellte, nervös und kribblig wurde. Da wusste ich: Das ist es. Und sie hatte einen riesigen Erfolg, eben weil sie so schusselig war. Solche Tricks haben vielleicht den Charme der Serie ausgemacht.“

Für West-Berlin-Nostalgiker hat „Ich heirate eine Familie“ heute den zusätzlichen Reiz, viele Orte der Stadt wiederzusehen, die sich seit den 1980ern völlig verändert haben oder gänzlich verschwunden sind. So taucht etwa der gute alte Flughafen Tegel (TXL) in mehreren Folgen auf, der zugunsten des unsäglichen BER geschlossen wurde und von vielen schmerzlich vermisst wird.

Wegen des bleibenden Erfolgs der Serie gab es in den 1990ern Überlegungen, daran anzuknüpfen. Doch Weck lehnte ab, aus Sorge, die Magie des Originals nicht erneut erreichen zu können: „Man wollte zehn Jahre später eine Fortsetzung – als Großeltern. Aber ich sagte: Wenn das schon eine Kultserie ist, dann lassen wir sie so.“

Für WELTGeschichte blickt Martin Klemrath neben klassischen historischen Themen auch regelmäßig auf popkulturelle Phänomene vergangener Jahrzehnte zurück. Darunter eine weitere Kult-Familienserie.

Source: welt.de