Artistic Research Festival Berlin: Erst zensiert, dann gestrichen
Das Artistic Research Festival könnte das letzte seiner Art sein. Künstlerinnen wie Holly Herndon, Henrike Naumann oder Anta Helena Recke zeigen, warum ihre Arbeit verteidigenswert ist – gerade jetzt
Schauspieler Milan Peschel fragt sich im Deutschlandfunk Interview, was mit der Aufrüstungspolitik eigentlich noch verteidigt werden soll, wenn in allen anderen Bereichen dermaßen gekürzt wird
Foto: Future Image/Imago Images
Der Deutschlandfunk interviewte kürzlich den Schauspieler Milan Peschel zur drohenden Schließung des RambaZamba Theaters, weil die Förderung des inklusiven Theaters in Berlin für 2026 nicht gesichert ist. Und in diesem Interview sagte Peschel im allerschönsten Berlinerisch, dass ja im Moment von der Politik so viel Geld in Waffen gesteckt würde und dass man sich fragen würde, was man mit diesen Waffen eigentlich verteidigen will, wenn man alles zusammenstreicht und nicht mehr bereit ist, für die Kultur Geld auszugeben. Und das ist natürlich ein bedrückender Gedanke.
Dieses Interview kam mir in den Sinn, als die Pressemitteilung des Artistic Research Festival ins Postfach plingte. Das Festival findet zwischen dem 2. und dem 7. November an verschiedenen Orten in Berlin statt, zum Beispiel in der Galerie SAVVY Contemporary oder in den Sophiensælen. Zu sehen sind Talks, Performances, Musik wird gespielt. Oder, wie es in der Selbstbeschreibung heißt: „ein poröser, vielstimmiger Vorschlag für ein Miteinandersein, in dem künstlerische Forschung keine feste Disziplin oder zu beherrschende Methode ist, sondern eine lebendige Befragung dessen, wie wir wissen, wahrnehmen, imaginieren und in Beziehung treten“.
Das Festival jedenfalls zeigt die Beiträge, die von den Stipendiaten des Berliner Programms Künstlerische Forschung erarbeitet wurden: Anton Kats forscht zum Gelände der einst größten Werft der Sowjetunion, die von sowjetischen Gefangenen erbaut wurde. Henrike Naumann beschäftigt sich mit einem Wandbild, das in einem sächsischen Dorf am Haus der örtlichen Feuerwehr angebracht wurde und einen Feuerwehrmann mit NS-Wehrmachtshelm zeigt, der eine leicht bekleidete Frau aus einem brennenden Haus trägt. Und Holly Herndon hat drei KI-Modelle entwickelt und beschäftigt sich mit Liedern, Gesang, Chören.
Keine Fördermittel für 2026
Ziel des Berliner Programms Künstlerische Forschung ist es, den Austausch zwischen den Forschenden zu fördern, und zwar disziplinenübergreifend. Dafür wurde das Programm 2020 von der Gesellschaft für künstlerische Forschung in Deutschland, kurz gkfd, mit Mitteln der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa gestartet. Und diese Gemeinsamkeit ist doch gut. Oder sogar verteidigenswert. Beim Abschlussabend am 7. November sind neben Naumann und Herndon außerdem Anta Helena Recke, Anna Zett, Pary El-Qalqili, Murat Adash und Marta Popivoda dabei. Ihre verschiedenen Formate und Themen werden hier miteinander verflochten. Ihre Soundarbeiten, Performances, Videoformate werden in Wechselbeziehung gesetzt. Und das erweitert ja jede künstlerische Arbeit noch einmal.
Man freue sich schon sehr auf das Festival, man sei aber auch ziemlich bedrückt, heißt es im Hinweis der Veranstalterin. Denn: „Nachdem das Berliner Programm Künstlerische Forschung schon im vergangenen Jahr um mehr als 50 Prozent gekürzt wurde, haben wir im Oktober 2025 erfahren, dass die Regierung unter CDU/SPD es nun vollständig streichen will.“ Ab 2026 seien keine weiteren Fördermittel für das Programm vorgesehen. Brutal wirkt auch Folgendes: „Es wurde keine Rücksprache mit uns gehalten oder Kontakt aufgenommen.“ So heißt es in der Pressemitteilung des Programms weiter.
Das bedeutet also das Ende des Programms, kein weiteres Festival, keine verbindende Forschung mehr, Arbeitsplätze und Strukturen fallen weg. Und auch wenn es wirklich keine Kunst gibt, die so toll ist, dass es sich lohnen würde, sie mit der Waffe zu verteidigen, so wie es auch kein Land gibt, das so toll ist, das es sich lohnen würde, es mit dem Leben zu verteidigen, so ist doch die Vorstellung, dass es hier demnächst immer weniger Kunst, Kultur und Künstlerinnen geben wird, schon bedrückend genug.