Tipico-Übernehmen: Kalkuliertes Risiko

Eigentlich ist die Übernahme von Tipico durch den französisch-niederländischen Konzern Banijay kaum eine Wette – zumindest nicht auf den ersten Blick. In Deutschland und Österreich sind die Märkte reguliert, Umsätze werden legal versteuert, und Tipico ist Marktführer. Und selbst die ausstehenden Urteile des Europäischen Gerichtshofes darüber, ob die Sportwettenanbieter Verluste von Spielern aus der Graumarktzeit von Onlinewetten vor 2020 zurückzahlen müssen, scheint Banijay einfach wegstecken zu können.
In jedem Falle wissen die Käufer um das Risiko, immerhin sind sie durch ihr schon bestehendes Angebot Betclic , das seine Geschäfte wie Tipico aus Malta heraus betreibt, ebenso betroffen. Wäre sich Banijay des Erfolgs nicht sicher, hätte das die Verkaufsgespräche erheblich verkompliziert. Zumal: Für Tipico und Betclic könnte es noch ein Vorteil sein, falls die aus einem negativen EuGH-Urteil resultierenden Rückzahlungen kleineren Anbietern das Genick brächen und sie deren Marktanteile einfach unter sich aufteilen könnten.
Und falls die Richter in Luxemburg zugunsten der Sportwettenanbieter urteilen, wird viel Geld frei, um den Plan der Internationalisierung voranzutreiben. Betclic ist bisher ein reiner Onlineanbieter. Tipico kombiniert stationäres und Onlinegeschäft. Für Tipico bestünde die Möglichkeit, in einigen Ländern, in denen Betclic schon digital aktiv ist, mit physischen Wettannahmestellen nachzulegen. Schon in Deutschland hat sich Tipico mit seiner zweigleisigen Strategie zum Branchenführer aufgeschwungen.
Den Schwarzmarkt im Nacken
Einen Risikofaktor gibt es aber, zumindest in Deutschland. Wie aus Zahlen des Deutschen Sportwettenverbandes hervorgeht, weisen die Wetteinsätze und die abgeführten Sportwettsteuern seit Einführung des Glücksspielstaatsvertrages 2021 eine Abwärtsbewegung auf. Die Regulierung legalisierte Onlinesportwetten zwar formell, gab ihnen jedoch ein enges Korsett.
Folgt man nun der Argumentation der Wettanbieter, wächst der Markt zwar weiter, aber einen großen Teil ihrer Einsätze verzocken Spieler bei illegalen Anbietern von außerhalb des europäischen Raums. Die Stellung von Tipico hierzulande ist stark. Aber es wäre nicht das erste Unternehmen der Glücksspiel- und Wettbranchen, das den deutschen Markt wegen der Regulierung als unrentabel abstempelt und sich auf das Ausland konzentriert.
Mit der neuen Struktur im Rücken bestehen gute Chancen, dass es für das Unternehmen im europäischen Ausland mehr zu holen gäbe. Selbst, falls man kein Freund der Wettbranche wäre – Gründe dafür gibt es genügend –, ist ein wachsender Schwarzmarkt die größere Gefahr als das regulierte Geschäft.