Sánchez verliert Partner: „Sie werden vielleicht an welcher Macht bleiben, demgegenüber nicht mehr regieren“

Seit fast acht Jahren ist Carles Puigdemont auf der Flucht vor der spanischen Justiz. Der katalanische Separatistenführer lebt im Brüsseler Vorort Waterloo. Obwohl in Katalonien die Unabhängigkeit längst kein Thema mehr ist, beeinflusst er aus der Ferne die spanische Politik.

Gut zwanzig Kilometer von der spanischen Grenze entfernt hat Puigdemont jetzt bei einem Treffen seiner Junts-Partei im französischen Perpignan Pedro Sánchez die Unterstützung entzogen – geschichtsbewusst am Jahrestag der fehlgeschlagenen katalanischen Unabhängigkeitserklärung am 27. Oktober 2017.

Im Madrider Parlament hat Sánchez schon lange keine Mehrheit mehr. Für sein Überleben ist der Ministerpräsident von den sieben Abgeordneten der Junts-Partei abhängig. Ihre Stimmen sind das letzte Ass in Puigdemonts Ärmel. Ohne sie hat der Ministerpräsident im nationalen Parlament keine Chance mehr auf eine Mehrheit für einen Haushalt. Und er kann sich auch nicht mehr gegen ein mögliches Misstrauensvotum verteidigen.

Puigdemont könnte sich mit seinen Gegnern verbünden

Würde Junts mit der konservativen Volkspartei PP und den Rechtspopulisten von Vox stimmen, könnten sie den seit 2018 regierenden Sozialisten Sánchez stürzen. Dass Puigdemont jetzt mit seinen politischen Erzfeinden von Vox, die nichts von Vorrechten für Katalonien wissen wollen und für einen starken Zentralstaat kämpfen, gemeinsame Sache machen könnte, gilt als unwahrscheinlich – aber der Separatist war immer für Überraschungen gut.

Mit seiner Ankündigung, die bis Donnerstagabend noch die Parteibasis billigen muss, macht der katalanische Politiker jedoch Sánchez das Regieren unmöglich. Der viertgrößten Volkswirtschaft in der Europäischen Union drohen zwei Jahre politischer Lähmung, sollte der Regierungschef nicht selbst vorgezogene Wahlen ausrufen. Das hat er schon mehrmals getan.

Unruhestifter im Exil: Junts-Vorsitzender Carles Puigdemont in in Perpignan an diesem Montag
Unruhestifter im Exil: Junts-Vorsitzender Carles Puigdemont in in Perpignan an diesem Montagdpa

Vor zwei Jahren hatte Puigdemont dem Sozialisten mit einem politischen Deal die Wiederwahl ermöglicht. Im Juli 2023 war eigentlich die konservative PP stärkste Kraft geworden. Aber zusammen mit Vox reichte es damals nicht für eine rechte Mehrheit. Für die Zustimmung der sieben Junts-Abgeordneten forderte Puigdemont einen hohen Preis. Dazu gehörten das von vielen Spaniern bis heute abgelehnte Amnestiegesetz für katalanische Separatisten und finanzielle wie politische Privilegien für Katalonien.

Nun wirft Puigdemont dem Regierungschef vor, er habe sein Wort nicht gehalten. So hat die spanische Justiz für führende Separatisten die Amnestie vorerst ausgesetzt. Dem einstigen katalanischen Regierungschef droht weiterhin die Festnahme, sollte er nach Spanien zurückkehren. „Wir helfen keiner Regierung, die Katalonien nicht hilft. Weder dieser noch einer anderen“, sagte Puigdemont nach der Sitzung des Junts-Vorstands und kündigte an, in die Opposition zu gehen.

Zusammenarbeit, keine Koalition

Eine formelle Koalition mit der Linksregierung in Madrid war er jedoch nie eingegangen. Immer wieder verweigerte Junts der linken Minderheitsregierung die Gefolgschaft und stimmte zum Beispiel gegen den Haushalt 2025, eine Rentenerhöhung und die Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Mit seinem Nachsatz deutete Puigdemont indes an, dass seine Partei auch nicht bereit ist, jetzt mit PP und Vox zusammenzuarbeiten und Sánchez zu stürzen. „Sie werden vielleicht an der Macht bleiben, sie werden aber nicht mehr regieren“, sagte Puigdemont über die Sozialisten.

Sánchez betonte sofort, dass die Hand zu Junts ausgestreckt bleibe. 19 mal hatten Vertreter seiner Partei in den vergangenen zwei Jahren in der Schweiz mit Puigdemont verhandelt. Auf die Amnestie folgte eine weitgehende Steuerautonomie für Katalonien, die aber immer noch nicht umgesetzt worden ist. Das gilt auch für die versprochene katalanische Zuständigkeit für die Migrationspolitik.

Sánchez versprach zudem Puigdemont, dass Katalanisch (dazu Baskisch und Galicisch) in der EU Amtssprache wird. Dazu kam es bislang nicht, wofür man in Spanien besonders die von der CDU geführte Bundesregierung verantwortlich macht. Bei seinem Antrittsbesuch in Madrid im September enttäuschte Bundeskanzler Friedrich Merz seine spanischen Gastgeber. Er verwies darauf, dass man schon bald dank Künstlicher Intelligenz keine Dolmetscher mehr brauchen werde.

Als Erfolg präsentierte Sánchez am Wochenende eine gemeinsame deutsch-spanische Erklärung. Laut der macht die Bundesregierung keine neuen Zusagen, ist aber bereit, einen „Dialog“ über die Anerkennung der spanischen Regionalsprachen auf EU-Ebene aufzunehmen.

Puigdemont in Brüssel und seine Partei, die bis 2021 Katalonien regierte und die spanische Politik dominierte, geraten immer stärker in die Defensive. Gegenüber seines von Korruptionsskandalen bedrohten bisherigen Partners Sánchez versucht er, die Initiative zurückzugewinnen. Denn in Katalonien ist die rechtspopulistische separatistische Partei Aliança Catalana der Bürgermeisterin der Kleinstadt Ripoll zu einer gefährlichen Herausforderin geworden. Die ausländer- und islamfeindliche Partei, die eine „Reconquista“ Kataloniens ankündigt, könnte laut Umfragen in den nächsten Regionalwahlen so stark zulegen, dass die Zahl ihrer Abgeordneten im katalanischen Parlament von zwei auf 19 stiege. Damit wäre sie fast so stark wie Junts.

Source: faz.net