Pugwash-Konferenz: Willst du Frieden, dann bereite ihn vor

Manche atmeten sicher auf, andere bedauerten es vielleicht, dass der Friedensnobelpreis 2025 nicht an Donald Trump ging. Wer wollte ausschließen, dass eine solche Ehrung für den US-Präsidenten sein Ego auf weitere Friedensbemühungen lenkt. Ein Votum für Trump hätte zu Vergleichen mit bisherigen Preisträgern geführt – Willy Brandt etwa, der 1971 für seine Ost-Politik geehrt wurde, oder Amnesty International, dessen jahrzehntelanger Einsatz für Humanität und Menschenrechte 1977 die Anerkennung des Nobelpreiskomitees fand.

In diese Reihe gehören auch Joseph Rotblat (1908-2005) und die von ihm jahrelang geführte Pugwash Conference for Science and World Affairs. In diesem Fall bekamen 1995 erstmals zur Hälfte eine Einzelperson und eine Organisation den Preis für „ihre Bemühungen, die Rolle von Kernwaffen in der internationalen Politik zu verringern und diese auf längere Sicht abzuschaffen“. Tatsächlich hatten Pugwash und Rotblat als ihr maßgeblicher Protagonist während des Kalten Krieges Anteil am Zustandekommen wichtiger internationaler Abrüstungsvereinbarungen. Das galt 1963 beim Abkommen für einen generellen Stopp von Kernwaffentests und 1968 für den Atomwaffensperrvertrag.

Bis heute sind bei der Pugwash-Konferenz Wissenschaftler aus aller Welt darauf bedacht, dass die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen nicht der Produktion tödlicher Waffen zugutekommen. Über sich selbst schreibt die Organisation: „Pugwash strebt eine Welt ohne Atom- und andere Massenvernichtungswaffen an. Durch unsere langjährige Tradition des ‚Dialogs über Grenzen hinweg‘ (…) möchte Pugwash die Entwicklung und Anwendung einer wissenschaftlichen und evidenzbasierten Politikgestaltung fördern.“ Der Schwerpunkt liege dort, wo es besondere Risiken durch Atom- und Massenvernichtungswaffen gäbe.

Pugwash sucht den Weg zu einer sicheren welt

Patrick Boyer, kanadischer Jurist und Pugwash-Mitglied, beschrieb die Leitidee 2008 noch pointierter: „Ziel der Pugwash-Mitglieder war stets das Durchbrechen der Interessen militärischer, industrieller und wissenschaftlicher Mächte, die hinter den Kriegsmaschinerien standen, um einen Weg in eine sichere Welt zu finden.“ Pugwash war dabei ohne seinen Gründer undenkbar.

Der polnisch-jüdische Physiker wurde 1908 als Józef Rotblat in Warschau geboren und konnte sich als wissenschaftlicher Quereinsteiger an der Universität Warschau schnell einen Namen machen. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs folgte er einer Einladung nach Liverpool, um in einem Team rund um den britischen Physiker und Nobelpreisträger James Chadwick zu arbeiten. Nach Ausbruch des Krieges begann die Gruppe – eine mögliche deutsche Atombombe vor Augen – selbst eine solche Waffen zu konzipieren, was sich schnell als zu kostspielig erwies. Anfang 1944 dann wurde die Gruppe Teil des wissenschaftlichen Teams, das in den USA am geheimen Manhattan-Projekt arbeitete, das zur ersten Atombombe führen sollte.

Rotblat verließ das Projekt noch im gleichen Jahr. Denn aus einem Gespräch zwischen US-General Leslie Groves, der neben dem Physiker Robert Oppenheimer für das Manhattan-Projekt als militärischer Leiter zuständig war, und Chadwick erfuhr er Dinge, die für ihn zum Bruch veranlassten. Rotblat: „Groves sagte zu Chadwick: ‚Ihnen ist sicher klar, dass das ganze Projekt allein dazu dient, die Russen zu unterwerfen‘.“ Das sei für ihn ein Schock gewesen, denn er teilte die Ansicht des dänischen Physikers Niels Bohr. Dieser fürchtete, dass eine solche Waffe ein schwer kalkulierbares Wettrüsten forcieren werde, und sprach sich daher für offene Gespräche mit der UdSSR dazu aus. Rotblat: „Es war eine Zeit, als der Krieg hauptsächlich in Russland stattfand. Sie erlitten die Verluste, sie waren unsere Verbündeten.“ Als er kurz danach aus Geheimdienstkreisen erfuhr, dass die Deutschen die Arbeit an ihrer Atomwaffe aufgegeben hatten, verließ er Los Alamos – als einziger der dort tätigen Wissenschaftler.

Die erste Konferenz in Pugwash

Zurück in England, widmete sich Rotblat der zivilen Nutzung der Radioaktivität, arbeitete an der Entwicklung von radioaktiven Isotopen für die Diagnose von Krebserkrankungen. Er fand heraus, dass radioaktive Strahlung dem menschlichen Körper schwer schadet. Die Kernwaffen holten ihn ein. In den 1950er Jahren veröffentlichte Rotblat seine Forschungen zu den verheerenden Folgen, die Tests mit Atom- und Wasserstoffbomben hatten – etwa bei kontaminierten japanischen Fischern, was 1954 zu ersten internationalen Protesten gegen diesen Waffen führte. Er lernte den britischen Philosophen Bertrand Russell kennen, der 1955 gemeinsam mit Albert Einstein ein weithin beachtetes Manifest verfasst hatte, das sich gegen Nuklearwaffen richtete. Darin hieß es: „Wir sprechen bei dieser Gelegenheit nicht als Angehörige dieser oder jener Nation, dieses oder jenes Kontinents oder Glaubensbekenntnisses, sondern als Menschen – als Angehörige der Spezies Mensch – deren Fortbestand in Frage steht. (…) Vor uns liegt, wenn wir uns dafür entscheiden, kontinuierlicher Fortschritt in Glück, Wissen und Weisheit. Sollen wir stattdessen den Tod wählen, weil wir unsere Streitigkeiten nicht vergessen können? Wir appellieren als Menschen an Menschen: Erinnert euch an eure Menschlichkeit und vergesst den Rest.“

Rotblat war der jüngste Unterzeichner. Als Antwort auf das Dokument erhielt er eine Nachricht des kanadischen Unternehmers Cyrus Eaton, der anbot, eine von Russell und ihm geplante Konferenz zu finanzieren. Einzige Bedingung: Sie sollte in dem kanadischen Dorf Pugwash stattfinden, dem Geburtsort Eatons. So gab es die erste Konferenz im Juli 1957 mit 22 Wissenschaftlern aus den USA, der UdSSR und aus China. Von Beginn an folgten diese Meetings einem kollegialen, übernationalen Prinzip – und einem der begrenzten Öffentlichkeit. Gesprächsinhalte drangen nicht als Einzelaussagen nach außen, sofern sie nicht ein Statement der gesamten Gruppe waren. Bis heute gilt zudem, dass Teilnehmer stets als Privatpersonen auftreten, nicht in Namen von Organisationen oder Regierungen. Dem liegt das Motiv zugrunde, den Austausch nicht zu erschweren, falls Personen aus verfeindeten Staaten kommen. Als die Konferenz an Bedeutung gewann, rührten sich westliche Geheimdienste. Finanzier Eaton wurde „unamerikanischer Umtriebe“ bezichtigt, da er sich für normalisierte Beziehungen zur Sowjetunion einsetzte. Die Unabhängigkeit zu wahren, sei nicht leicht gewesen, so Rotblat Jahre später. „Doch wir schafften es, auf diesem Pfad zu bleiben.“

In Polen vergessen

In den 1970er Jahren war die Organisation an der Entstehung des ABM-Vertrags zur Begrenzung der strategischen Abwehrsysteme der USA und UdSSR beteiligt, gleichsam bei der Vermittlung der Vietnam-Verhandlungen zwischen den USA und Nordvietnam. Zugleich lieferte Pugwash wichtige Instrumente, um getroffene Übereinkünfte überprüfen zu können, etwa Black Boxes, mit denen sich Verstöße gegen Vertragsauflagen beim Atomwaffen-Teststopp verifizieren ließen. Pugwash entwickelte außerdem Mechanismen, um die mögliche Verbreitung von Spaltmaterial für Atomwaffen zu erkennen und einzudämmen.

Rund vier Jahrzehnte lang war Rotblat Pugwash-Generalsekretär, anschließend Präsident dieser Bewegung. Bei der Verleihung des Nobelpreises 1995 sagte er: „Lange bevor man sich des schrecklichen Potenzials des Wettrüstens bewusst wurde, gab es eine allgemeine, instinktive Abneigung gegen Atomwaffen.“ Und er fügte hinzu, dass es nach dem Ende des Kommunismus keine Legitimation mehr gäbe für den Besitz von Kernwaffen. Dennoch hielten die Nuklearmächte hartnäckig daran fest.

Die Tragik unserer Zeit besteht darin, dass die Pop-Kultur Robert Oppenheimer als „Vater der Atombombe“ einen opulenten und weltweit erfolgreichen Film gewidmet hat. Darin gibt es keine einzige Szene der Verheerungen, die von den 1945 über Japan abgeworfenen Atombomben angerichtet wurden. Tatsächlich hätte weniger Oppenheimer als vielmehr Rotblat – der in seiner Heimat Polen heute nahezu unbekannt ist – einen Film verdient. Gegen Ende seines Lebens meinte Rotblat: „Wenn Du Frieden willst, bereite Dich auf Frieden vor. (…) Nur so können wir die Zukunft der Menschheit retten.“ Vor dem nächsten Pugwash-Treffen Anfang November in Hiroshima heißt es: „Aus den bombardierten Gebieten, wo die Narben noch immer deutlich sichtbar sind, wird die 63. Pugwash-Konferenz eine starke Botschaft an die Welt senden: Die Abschaffung von Atomwaffen ist notwendiger denn je.“