Auktionen in Paris: Ein Bild jener Unendlichkeit
Der Star der französischen Herbstauktionen, die während der semaine de l’art parallel zur Kunstmesse Art Basel Paris stattfinden, heißt in diesem Jahr Yves Klein. Am 23. Oktober kommt mit „California (IKB 71)“ eines seiner bedeutendsten Werke bei Christie’s in der prestigeträchtigen Veranstaltung „Avant-Garde(s) including Thinking Italian“ zur Versteigerung. Mehr als vier Meter breit und fast zwei Meter hoch ist das monochrome Monumentalgemälde von 1961 im patentierten „International Klein Blue“. Nur die beiden Wandtafeln, die der französische Künstler 1959 für das Musiktheater in Gelsenkirchen fertigte, sind größer.
Die enorme Fläche mit einer körnigen Struktur – die schon an die kurz darauf entstehenden „Reliefs planétaires“ denken lässt – schimmert in dem Licht absorbierenden und doch strahlenden Ultramarin, das Yves Klein mit dem Pariser Farbenhändler Edouard Adam entwickelt hatte. Mit seinem Blau wollte Klein die Idee der Unendlichkeit erfassen, vielleicht auch dieselben Fragen stellen wie mehr als sechzig Jahre zuvor Paul Gauguin in dem berühmten Gemälde mit dem Titel „Woher kommen wir, wer sind wir, wohin gehen wir?“, das im Übrigen ein ganz ähnliches Format aufweist.
16 bis 25 Millionen Euro?
Den Titel „California“ fand Klein, weil er das Kunstwerk schon in dessen Entstehungsjahr in der Dwan Gallery in Los Angeles und bei Leo Castelli in New York ausstellte. Zuletzt befand es sich in einer amerikanischen Privatsammlung, die es von 2005 bis 2008 als Dauerleihgabe dem New Yorker Metropolitan Museum of Art zur Verfügung stellte. Nun kehrt das Monochrom an seinen Ursprungsort Paris zurück. Christie’s erzielte im Juni 2022 in London bereits einen Rekordpreis für den Künstler des Nouveau Réalisme, als Kleins „Anthropométrie de l’époque bleue (ANT 124)“ für 27,2 Millionen Pfund brutto versteigert wurde.
Zum Schätzpreis für das mit einer Garantie abgesicherte Werk „California“ gibt es nur die Auskunft: „auf Anfrage“. In der französischen Fachpresse wird eine Taxmarge von 16 bis 25 Millionen Euro vermutet. Insgesamt könnte die Auktion „Avant-Garde(s) including Thinking Italian“ mit 59 Losen 47 bis 66 Millionen Euro umsetzen. Sie umfasst Werke des Impressionismus und der Moderne bis hin zur Gegenwart.

Ebenfalls am 23. Oktober versteigert das Auktionshaus unter dem Titel „Moderne(s), une collection particulière européenne“ 36 Werke aus einer Privatsammlung mit einer Erwartung von 12 bis 18 Millionen Euro. Spitzenlos der Offerte, zu der wichtige Werke von Egon Schiele, René Magritte oder Max Ernst gehören, ist das pointillistische Gemälde „La Passerelle Debilly“ von Paul Signac (Taxe vier bis sechs Millionen Euro). Die 1903 gemalte Landschaft an der Seine mit der zur Weltausstellung im Jahr 1900 erbauten, damals hochmodernen Fußgängerbrücke im Westen von Paris schillert in blauen, grünen und rosa-violetten Farbtönen. Signac schenkte das Gemälde seinem Freund Henri-Edmond Cross. Später gehörte es dem Kunstkritiker Félix Fénéon.
Himmlische und irdische Schönheit

Von dem deutsch-französischen Künstler Wols gibt es aufgrund seines schweren Lebens und frühen Todes nur wenige Gemälde. Selten kommt eines auf den Markt. Das fast abstrakte Ölbild „Auge Gottes“ von 1948/49 erscheint wie eine sehende Wunde in einem irrsinnigen Sturm der Farben. Der Kunsthistoriker Werner Haftmann erwarb es 1949 beim Künstler und verkaufte es im selben Jahr an Tristan Tzara, einen Mitbegründer des Dadaismus. Nun liegt die Erwartung bei 1,5 bis 2 Millionen Euro.
Artcurial bietet in der Auktion „Selected 20/21“ 28 Lose mit einer Gesamttaxe von 6,5 bis 9,5 Millionen Euro an. Bemerkenswert sind zwei kleine Skulpturen Alberto Giacomettis aus Modellentwürfen für ein Denkmal und einen Platz, die postum in Bronze gegossen wurden (zusammen 1,5/2 Millionen). Der Schweizer Bildhauer arbeitete nach dem Krieg an einem Monument, das den Widerstandskämpfer, Journalisten und Politiker Gabriel Péri ehren sollte, der 1941 von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Die größere der beiden Skulpturen zeigt die zerbrechlich-filigrane Silhouette einer entschlossen schreitenden Figur und ist die erste Darstellung eines „Homme qui marche“. Der geistige Ursprung von Giacomettis emblematischem Motiv geht also auf das Gedenken an den Widerstandskämpfer zurück.
Source: faz.net