Datenanalyse: So sehr ist welcher Gazastreifen zerstört
Wenn die Bewohner des Gazastreifens nun in ihre Heimatorte zurückkehren, finden sie oft nur noch Trümmer vor. Wie sehr die Region zerstört ist, zeigt eine Analyse des ARD-Studios Tel Aviv zusammen mit BR-Datenjournalisten.
Es sind Bilder, die unter die Haut gehen. Mit bloßen Händen suchen die Menschen im Gazastreifen nach vermissten Angehörigen, Dokumenten, Erinnerungsstücken. Nach Dingen, die ihre Geschichte und Würde bewahren. Seitdem die Waffenruhe Bestand hat, wagen sich die Bewohner dorthin zurück, wo sie bis Kriegsbeginn lebten, bevor sie zu Flüchtlingen in der eigenen Heimat wurden.
Auch der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, Jared Kushner, machte sich vor wenigen Tagen selbst ein Bild der Lage im Gazastreifen. „Es sah aus, als hätte eine Atombombe eingeschlagen“, sagte Kushner anschließend Im US-Fernsehen in der CBS-Talksendung 60 Minutes. Überall seien nur Ruinen gewesen. Dennoch seien die Menschen zu ihren zerstörten Häusern zurückgekehrt.
Mehr als zwei Drittel der Gebäude beschädigt oder zerstört
Wie sehr der Gazastreifen beschädigt oder gar zerstört ist, zeigt nun eine Untersuchung von BR Data und dem ARD-Studio Tel Aviv, bei der vor allem auf eine Auswertung von Satellitendaten des Analyseunternehmens Vertical 52 zurückgegriffen wurde.
Die Analyse basiert auf Radardaten, die regelmäßig die Erdoberfläche erfasst haben, unabhängig von Wetter und Tageszeit. Dabei wurden zwischen dem Ausbruch des Krieges im Oktober 2023 bis September dieses Jahres rund 325.000 Gebäude im Gazastreifen erfasst.
Die Studie zeigt, dass mindestens 70 Prozent aller Gebäude eine Beschädigung aufweisen. Blickt man auf die einst stark besiedelten Gebiete ist der Grad der Zerstörung sogar höher. In Gaza-Stadt sind etwa 85 Prozent aller Gebäude beschädigt. In Rafah, im Süden des Gazastreifens, etwa 80 Prozent.
Zerstörung in nur wenigen Monaten
Die Stadt Rafah war im Jahr 2024 Schauplatz einer mehrmonatigen Offensive der israelischen Armee. Nach der Analyse von BR Data wurden allein von Mai bis September des Jahres etwa 40 Prozent der Gebäude beschädigt.
Auch der Vergleich der Satellitenbilder von Gaza zeigt drastisch die Folgen des Krieges. Vor Kriegsbeginn sieht man im Norden und Osten des Küstenstreifens deutlich Grünflächen. Zwei Jahre danach, im September 2025, ist jegliches Grün verdorrt oder von der israelischen Kriegsmaschinerie zerstört.
Auch die Satellitenbilder des Hafens in Gaza-Stadt belegen die großflächige Zerstörung der Gebäude und der Bausubstanz. Rund um den Hafen und die Strandpromenade gab es bis Kriegsbeginn eine dichte Besiedelung. Entlang der Promenade gab es zahlreiche Freizeiteinrichtungen, die vor allem von den Familien genutzt wurden.
Die aktuellen Satellitenbilder zeigen eine Art Mondlandschaft. Weite Teile des Areals wurden im Kriegsverlauf dem Erdboden gleichgemacht. Nur wenige intakte Gebäude scheinen noch zu stehen. Auch die Hafeninstallationen weisen deutliche Schäden auf.
Das Ausmaß der Zerstörung im Gazastreifen zeigt auch diese Datenauswertung: Die starken Schäden sind rot markiert, keine bis wenig Schäden sind weiß gekennzeichnet.
Trümmermenge wie 13 Pyramiden
Experten der Vereinten Nationen schätzen, dass im Gazastreifen aktuell 55 Millionen Tonnen Trümmer liegen. „Das entspricht 13 Pyramiden von Gizeh, um nur einen Eindruck der Herausforderung zu vermitteln“, sagt Jaco Cilliers vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP. Er macht gleichzeitig deutlich, dass mit einem Wiederaufbau der Infrastruktur im Küstenstreifen erst begonnen werden kann, wenn alle Trümmer und der Schutt beseitigt sind.
Noch ist nicht absehbar, wie hoch die Kosten des Wiederaufbaus sein werden. Experten der Vereinten Nationen hatten im Frühjahr die Kosten auf etwas über 50 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Summe dürfte inzwischen deutlich darüber liegen.
Source: tagesschau.de
