Deutscher Buchpreis: Schwarzes Loch, reißender Strudel
Die Schweizer Schriftstellerin Dorothee Elmiger erhält dieses Jahr den Deutschen Buchpreis, und das ist eine ganz ausgezeichnete Wahl. Ihr bei Hanser erschienener Roman Die Holländerinnen ist zeitdiagnostisch, aber nicht etwa, weil hier auf handliche Weise ein bestimmtes Gegenwartsthema aufgegriffen wird. Wer in dem Buch nach Ratschlägen sucht, wie mit der Klimakrise, dem Ukrainekrieg, der Migration, dem Kolonialismus oder dem Kapitalismus umgegangen werden soll, der wird jedenfalls enttäuscht werden. Was den Roman so gegenwärtig macht, ist viel fundamentaler: Die vierzigjährige Autorin, die in New York lebt, ist dem Lebensgefühl unserer Gegenwart auf der Spur, dieser Ahnung, dass sich Selbstverständlichkeiten auflösen, dass wir nicht mehr sicher sind, ob die liberale Weltordnung, in der wir uns eingerichtet haben, noch eine Zukunft hat. Wer Elmigers mittlerweile vierten Roman liest – 2020 landete sie mit Aus der Zuckerfabrik schon einmal auf der Buchpreis-Shortlist –, der darf sich auf schwere Nebenwirkungen gefasst machen: Die Lektüre beruhigt nicht, sie stößt einen erst recht ins Ungewisse, in eine Endzeitstimmung. Eine Ordnung zerfällt, und eine neue ist nicht in Sicht.