Nationalsozialismus: Die Fähigkeit, zu trauern

Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 41/2025.

Manchmal reicht eine einzige Frage, um einem das Herz
brechen zu lassen. Genau für diesen Moment stehen die geschichtsträchtigen
Tränen von Friedrich Merz in der neu eröffneten Münchner Synagoge am 15.
September 2025
, als er die Frage von Rachel Salamander wiederholte, warum denn
den Juden damals niemand geholfen habe. Trotz des permanenten Sprechens über
die Nazizeit und das Beschwören der Notwendigkeit ihrer Aufarbeitung seit
1968 fehlte den Deutschen lange eine Form, emotional in diese Schreckenskammer
der Geschichte einzudringen. Es schien, als hätte man auf alles längst eine
Antwort. Doch langsam wird uns bewusst, dass wir noch gar nicht damit begonnen
haben, den Fragen Raum zu geben, die
uns am meisten bedrängen, den wichtigsten Fragen, die, wie so oft, die
einfachsten sind.