Seltene Erden: Der nächste Schock aus China zu Händen die Industrie

China hat neue Regeln für den Export wichtiger Technologien und Rohstoffe eingeführt. Im Fokus stehen Seltene Erden und die für ihre Weiterverarbeitung benötigten Technologien. Die Beschränkungen drohen vor allem die Beziehungen zwischen den USA und China zu belasten, kurz bevor US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping Ende Oktober in Südkorea zusammentreffen. Allerdings treffen die Auflagen auch die deutsche Industrie mit großer Wucht, da viele Branchen auf die Lieferungen aus China angewiesen sind.
Die Entwicklung zeige, dass „unsere Wirtschaft unter Druck und in wachsendem Maß vom Wohlwollen einzelner Staaten abhängig ist“, hieß es dazu am Donnerstag aus Berliner Regierungskreisen. Um die strategischen Abhängigkeiten zu verringern, brauche es in Deutschland und der Europäischen Union „größere Anstrengungen zur Rohstoffsicherung“. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie betrachtet die Entwicklung mit großer Sorge.
Vor allem Rüstungs- und Halbleiterindustrie betroffen
„Die deutsche Industrie droht zum Opfer eines Großmachtkonflikts zu werden“, sagt Stefan Steinicke, Rohstofffachmann des Verbands, der F.A.Z. „Der Schritt kommt wenig überraschend. Seit den Exportkontrollen im April hängt dieses Damoklesschwert über der deutschen Industrie.“ Vor allem die Rüstungs- und die Halbleiterindustrie sind betroffen durch die neuerlichen Beschränkungen für einige der 17 Metalle, die unter dem Begriff Seltene Erden subsumiert werden. Manche dieser Regeln treten unmittelbar in Kraft, andere erst bis Dezember.
China weitet damit die Kontrolle über globale Lieferketten in Industrien, die Seltene Erden verwenden, stark aus. Künftig benötigen Unternehmen der Regelung zufolge oft auch dann eine Exportlizenz des chinesischen Handelsministeriums, wenn sie im Ausland hergestellte Güter in ein Drittland exportieren möchten. Das gilt auch dann, wenn die vom Handelsministerium aufgeführten chinesischen Materialien mindestens 0,1 Prozent des Wertes des Produktes ausmachen oder wenn sie mit chinesischen Technologien abgebaut oder weiterverarbeitet wurden. „Das ist eine neue Dimension der Extraterritorialität“, sagt Jost Wübbeke, Gründer des China-Beratungshauses Sinolytics, der F.A.Z. Der Mechanismus erinnert an die Maßnahmen der USA im Fall der Halbleiterproduktion, als etwa dem niederländischen ASML-Konzern untersagt wurde, seine modernsten Produktionsanlagen nach China zu exportieren.
China vergibt Lizenzen für Export von Technologie
China hat auf die Weiterverarbeitung vieler Seltener Erden de facto ein Monopol. Im April führte das Land als Reaktion auf Trumps Zölle Exportbeschränkungen ein, in deren Folge die Lieferungen wochenlang zum Erliegen kamen. Daraufhin standen auch in manchen deutschen Fabriken die Bänder still. Die europäische Handelskammer in China beschwerte sich im September, dass die Lieferungen immer noch nicht ausreichten und zu Millionenkosten geführt hätten. In Brüssel und Berlin sind Politiker spätestens seitdem alarmiert. Die EU-Kommission hat ein Internetportal eingerichtet, auf dem sich Unternehmen mit Versorgungsengpässen melden können, und versucht, mit Peking zu vermitteln. Außerdem werden Maßnahmen zum Aufbau von Alternativen entwickelt.
China versucht nun, westlichen Bemühungen, sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen, einen Riegel vorzuschieben. Künftig sind einerseits Lizenzen nötig, um Technologien zu exportieren, die benötigt werden, um Seltene Erden abzubauen, weiterzuverarbeiten oder zu recyceln, oder um daraus Magnete herzustellen. „China hat einen Vorsprung bei diesen Technologien“, sagt Dominic Köstner, Partner der Kanzlei Graf von Westphalen in Shanghai. „China will die Lieferkette im Land belassen und seinen Hebel ausbauen.“ Köstner hat Tag für Tag mit den Lizenzen zu tun, er hilft vielen deutschen Unternehmen dabei, Seltene Erden aus China zu exportieren. China will anderseits auch verhindern, dass chinesische Fachleute von westlichen Unternehmen oder anderen Institutionen abgeworben werden. „Chinesische Staatsbürger dürfen ohne Genehmigung keine wesentliche Hilfe oder Unterstützung für den Abbau, die Verhüttung oder Trennung Seltener Erden […] im Ausland leisten“, heißt es in einer Bekanntmachung des Handelsministeriums.
Weitere Rohstoffe sanktioniert
Mit der Bekanntgabe erweiterte das Handelsministerium auch die Liste der sanktionierten Rohstoffe, künftig fallen darunter superharte Materialien und weitere Seltene Erden wie Holmium, das in Magneten für Elektroautos oder Windturbinen, Lasern oder in der Atomenergie verwendet wird. Auch für die Halbleiterindustrie wurden neue Beschränkungen eingeführt.
Darüber hinaus begrenzt Peking den Zugang zu Seltenen Erden für die globale Rüstungsindustrie. Der Schritt gefährdet auch die Wiederaufrüstung in Europa, denn kaum ein Rüstungsgut kommt ohne diese Rohstoffe aus. Exportanträge für ausländisches Militär würden „grundsätzlich nicht genehmigt“, heißt es in der Mitteilung. Gleiches gilt für Unternehmen, die auf chinesischen Sanktionslisten stehen, sowie deren Tochterunternehmen.
Unternehmen werden Preise erhöhen müssen
Das Handelsministerium erweiterte diese Liste am Donnerstag um 14 weitere, hauptsächliche amerikanische Unternehmen. China warf ausländischen Organisationen vor, bisherige Exportregeln umgangen zu haben. Diese hätten Seltene Erden aus China exportiert und sie „zur direkten oder indirekten Verwendung in sensiblen Bereichen wie militärischen Operationen weitergegeben oder bereitgestellt“, sagte ein Sprecher des Handelsministeriums. Die Aktienkurse der teilstaatlichen chinesischen Seltene-Erden-Konzerne legten stark zu. Der Kurs der China Northern Rare Earth Group gewann 10 Prozent, das Tagesmaximum.
Für viele Unternehmen dürfte es auf jeden Fall teuer werden. „Wir sehen wie bei anderen kritischen Rohstoffen schon Preisaufschläge“, sagte BDI-Vertreter Steinicke zu den Entwicklungen der Preise für Seltene Erden seit dem Frühjahr. Ob Lieferverzögerungen auch wieder zu Produktionsausfällen führen werden, lasse sich derzeit nicht abschätzen. Auch Justus Brinkmann vom Einkaufsberater Inverto rechnet mit raschen Preisaufschlägen. Im Sommer hatte Inverto eine Umfrage zu Rohstoffen unter Kundenunternehmen durchgeführt.
Brinkmann war erstaunt, dass unter den Befragten die Sorge größer war, bei der Versorgung mit Chemikalien oder Stahl unter Druck zu geraten als mit Seltenen Erden. „Zu viele Manager unterschätzen die Bedrohung noch und gehen fahrlässig damit um.“ Als kurzfristige Maßnahme empfiehlt er Industrieunternehmen, größtmögliche Transparenz in die eigenen Lieferketten zu bringen. Auch wenn Zulieferer sich oftmals nicht gern in die Karten schauen ließen, sei es wichtig zu wissen, wo Abhängigkeiten von Lieferanten bestehen, um nach Alternativen zu suchen.