Es wird verlassen um Macron: Verraten vom Wegbegleiter dieser ersten Stunde

Ganz ohne den Kriegshelden und Verfassungsvater Charles de Gaulle geht es dann doch nicht. Als Edouard Philippe am Dienstag einen Weg aus der schweren französischen Regierungskrise aufzeigen will, beruft er sich auf de Gaulle. Der sei 1969 schließlich auch vor Ende seines Mandats zurückgetreten, als er merkte, dass seine Zeit abgelaufen war. Er empfehle Präsident Macron, über einen geordneten Rückzug nachzudenken, sagte Philippe, den viele bis dahin für dessen treuesten Verbündeten gehalten hatten.

Philippe ist ein Wegbegleiter der vielversprechenden Anfänge des Präsidenten, die er als Premierminister (2017 bis 2020) prägte. Am Dienstag aber brach Philippe mit der Forderung nach vorgezogenen Präsidentenwahlen ein Tabu im Präsidentenlager. „Der Staat ist heute nicht mehr handlungsfähig“, warnte er im Radiosender RTL.

Er rate Macron, einen Premierminister zu ernennen, der einen Haushalt verabschieden müsse. Danach müsse der Präsident seinen Rücktritt verkünden und vorgezogene Präsidentenwahlen einberufen. „Das wäre eine Entscheidung, die seinem Amt angemessen ist“, sagte Philippe.

Seine Forderung entspricht dem Zeitgeist. Laut einer am Montag nach dem Rücktritt Lecornus veröffentlichten Umfrage des Instituts Odoxa sprechen sich 70 Prozent der befragten Franzosen für den Rücktritt des Präsidenten aus. Ganz uneigennützig kommt der Ratschlag ohnehin nicht: Philippe hat im September 2024 angekündigt, dass er bei der nächsten Präsidentenwahl kandidieren will. Philippe hat eine eigene Partei, Horizons, gegründet, aber gerät in den Umfragen immer mehr ins Hintertreffen angesichts des Höhenflugs des Rechtspopulisten Jordan Bardella.

Es geht um den Haushalt und Neukaledonien

Seine Forderung an Macron zeigt, wie wenig Rückhalt der Präsident noch in den eigenen Reihen genießt. Von diesem Machtverfall zeugte auch der Auftritt Gabriel Attals in den Abendnachrichten. Der 36 Jahre alte ehemalige Premierminister (2024) verdankt seine gesamte politische Karriere Macron. Er steht der Präsidentenpartei Renaissance vor und leitet die Fraktion in der Nationalversammlung.

Am Montagabend bekundete Attal im Fernsehsender TF1, dass er den Präsidenten „nicht mehr versteht“. Macron erwecke den Eindruck, als wolle er um jeden Preis die Kontrolle behalten, kritisierte Attal. Dabei sei es jetzt höchste Zeit, einen unabhängigen Vermittler zu bestimmen, der die politischen Kräfte zu konstruktiven Verhandlungen über den Haushalt für 2026 zusammenbringe. Anders als Philippe lehnt Attal vorgezogene Präsidentenwahlen ab. Das würde nur zu einer weiteren Schwächung des Präsidentenamtes führen.

Macron hat bislang weder auf Philippes Rat noch auf Attals Forderung gehört. Er hat den nach nur gut drei Wochen gescheiterten Premierminister Sébastien Lecornu beauftragt, bis Mittwochabend mit den politischen Kräften zu verhandeln und sich auf eine „Aktions- und Stabilitätsplattform“ zu verständigen. Dem sperrigen Begriff versuchte Lecornu am Dienstag einen konkreten Auftrag abzugewinnen. Der 39 Jahre alte geschäftsführende Regierungschef schrieb in einem Kommuniqué, die Verhandlungen würden sich auf die Ausarbeitung des Staatshaushalts und des Haushalts der Sozialversicherung konzentrieren. Außerdem solle es um die Zukunft Neukaledoniens gehen. China profitiert derzeit von schwächelnden Einfluss Frankreichs auf das Territorium im Pazifik, dem ein besonderer Autonomiestatus gewährt werden soll. Wie so viele Gesetzesvorhaben hängt auch der Autonomiestatus in einer Dauerwarteschleife.

Macron lässt Gerüchte streuen

Die Liste der zu den Verhandlungen am Dienstag geladenen Gesprächspartner zeigte, dass die Republikaner nicht gänzlich mit dem „gemeinsamen Sockel“ gebrochen haben, wie das Regierungsbündnis heißt. Für die Republikaner nahm Senatspräsident Gérard Larcher teil und nicht Parteichef Bruno Retailleau, der Lecornu Vertrauensbruch vorgeworfen hatte. Lecornu hat durchsickern lassen, dass er selbst bei einem Erfolg der Verhandlungen nicht mehr für den Posten des Regierungschefs zur Verfügung stehe. Das entspricht auch einer Forderung der Republikaner, die sagen, Macron müsse endlich einsehen, dass er die Parlamentswahlen 2024 verloren habe.

Die Republikaner werden derzeit heftig umworben. Der Parteivorsitzende des Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, sprach sich am Dienstag für ein Ende der Brandmauer aus. Bei vorgezogenen Parlamentswahlen hoffe er auf einen Zusammenschluss mit den Republikanern. „Um zu gewinnen, muss man alle Kräfte bündeln“, sagte Bardella im Sender BFMTV. „Ich bin überzeugt, dass es bei den Republikanern viele gibt, die sich nicht wie Herr Retailleau Macron anschließen möchten“, sagte er. Ihnen reiche er die Hand, um ein Regierungsbündnis zu bilden. Auch Eric Ciotti, der frühere Parteivorsitzende der Republikaner, der sich bereits 2024 mit den Rechtspopulisten verbündete, appellierte an seine ehemaligen Parteifreunde, „nach Hause zu kommen“. Der Platz der Republikaner sei in einem Bündnis der rechten Parteien. Die Republikaner hatten sich bei den Parlamentswahlen im Juni und Juli 2024 geweigert, für eine Brandmauer zum RN zu werben.

Aus dem Elysée-Palast ließen Macrons Berater derweilen Gerüchte über eine bevorstehende Auflösung der Nationalversammlung streuen. Das sei mit der rätselhaften Ankündigung gemeint gewesen, der Präsident werde sich im Falle eines Scheiterns „seinen Verantwortlichkeiten stellen“. Das solle aber nicht als Zeichen missverstanden werden, dass der Präsident über seinen Rücktritt nachdenke. Philippe sagte im Radio, Macron habe die Franzosen schon in der Vergangenheit mehrmals überrascht. Auf seinem Amtsporträt hat sich Macron mit einem Buch General de Gaulles abbilden lassen.

Source: faz.net