Musikstreaming: Spotify kündigt neue KI-Regeln an

Musikstreaming-Marktführer Spotify hat neue Regeln für den Umgang mit KI-generierter Musik angekündigt. Wie das schwedische Unternehmen am Donnerstag mitteilte, sollen unter anderem KI-Fakes mit den vermeintlichen Stimmen von Musikern schärfer verfolgt werden und betroffenen Künstlern neue Wege geboten werden, um gegen solche Fälle vorzugehen. Die KI-Imitation von Stimmen sei nur mit ausdrücklicher Genehmigung des betreffenden Künstler erlaubt, heißt es in einem Blogpost des schwedischen Unternehmens.

Zudem will der Dienst im Herbst einen neuen „Spam-Filter“ ausrollen, um gezielter die diversen Methoden zu erkennen, mit denen das Auszahlungs- und Empfehlungssystem ausgetrickst werden soll und solche Songs aus algorithmischen Empfehlungen zu entfernen. Hierunter fallen etwa massenhafte Uploads von Werken, die nur minimal länger als 30 Sekunden sind – die Grenze, ab der ein Stream für die Abrechnung gezählt wird.

Als dritte größere Neuerung kündigte Spotify an, mit diversen Vertrieben und anderen Partnern aus der Musikindustrie einen Standard für die Offenlegung von KI-Einsatz bei der Erstellung von Songs zu entwickeln. Die Infos sollen perspektivisch in den Credits angezeigt werden, sobald Labels und Vertriebe die entsprechenden Daten liefern.

The Velvet Sundown, KI-befeuerter Betrug und Co

In den vergangenen Wochen und Monaten hatte es immer wieder Aufregung um in Teilen oder komplett KI-generierte Werke gegeben. Einzelne Nutzer entdeckten mutmaßlich KI-generierte und teils krude Songs in ihren Spotify-Empfehlungen, auch die vermeintliche Band The Velvet Sundown war ein großes Thema. Auch wurden diverse Fälle publik, in dem auf Künstlerprofilen unter ihrem Namen KI-Songs erschienen. Hierfür missbrauchen Betrüger die Künstler-ID, die für das Hochladen von Songs auf Digitalvertrieben notwendig ist.

DSGVO Platzhalter

Spotify erklärte, mehr investieren zu wollen, um auch dieses Problem zu adressieren; man teste nicht zuletzt neue „Präventionsmöglichkeiten“. Wie verschiedene andere Betrugsmethoden ist dies freilich kein reines KI-Thema. Doch ist etwa die Erstellung von massenhaft Songs durch die diversen KI-Tools deutlich einfacher und günstiger geworden. Mehr als 10 Millionen Dollar soll ein Amerikaner seit 2017 mithilfe von Hunderttausenden KI-Songs eingenommen haben, indem er sie mit Tausenden Bot-Accounts rauf und runter streamte. Der Mann wurde in der Zwischenzeit verurteilt.

Unter anderem auf solche Fälle zielt der Spam-Filter ab. Man wolle aber „konservativ“ vorgehen, um möglichst auszuschließen, die falschen Uploader zu bestrafen, heißt es in dem Blogpost. Neu sei das Thema freilich keineswegs, und man gehe auch schon seit langem dagegen vor. Eigenen Angaben zufolge hat Spotify so in den vergangenen 12 Monaten bereits mehr als 75 Millionen als Spam kategorisierte Songs gelöscht.

Deezer markiert reine KI-Songs

Die Sorge, dass KI-Songs den Tantiemenpool verwässern und so Geld von echten Künstlern und Rechteinhabern abgreifen, ist ein großes Thema in der Musikindustrie. Der US-Dachverband der Labels RIAA klagt zudem wegen mutmaßlicher Urheberrechtsverletzungen beim Training der KI-Modelle gegen Udio und Suno . Die beiden US-Start-ups sind die prominentesten Anbieter von Tools, die per Prompt komplette Songs generieren. Auch die deutsche Verwertungsgellschaft GEMA geht juristisch gegen Udio sowie Open AI vor. Hier geht es um die Verwendung von Songtexten und Kompositionen, in der RIAA-Klage um die Aufnahmen.

Gesonderte Regeln für diese Songs hat bisher nur Deezer eingeführt, Geld können sie auf allen Diensten einspielen. Doch Mitte Juni erklärte der kleinere französische Dienst, komplett KI-genierte Songs fortan zu kennzeichnen und diese auch aus algorithmischen und redaktionell erstellten Empfehlungen auszuschließen. Wie viele Werke nicht erfasst werden, ist offen. 90 Prozent der Songs stammten „von den großen Apps wie Udio und Suno“, deren Muster man erkenne, sagte Deezer -Chef Alexis Lanternier Anfang Juli der F.A.Z; zudem aktualisiere man die eigenen Tools regelmäßig. Wer einen solchen Song abspielen will, bekommt unter dem Cover-Bild diesen Hinweis angezeigt: „Einige Songs auf diesem Album könnten mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt worden sein.“

F.A.Z.-Serie Schneller SchlauSpotify – viel gehört, oft kritisiert

Die Branche brauche einen „differenzierten Ansatz für Transparenz beim Einsatz von KI“, heißt es bezüglich der Kenntlichmachung im Spotify-Blogpost, es solle keinen Zwang geben, einen Song als „ist KI-generiert“ oder „nicht KI-generiert“ zu markieren. KI werde schließlich auf unterschiedliche Weise eingesetzt, nicht nur um reine KI-Songs zu erstellen, sondern auch als Hilfe beim Songwriting, in der Produktion oder anderswo. Erst Ende vergangener Woche hatte ein US-Label einen millionenschweren Vorschuss gezahlt, um Xania Monet unter Vertrag zu nehmen. Die R&B-Künstlerin ist KI-generiert, die Musik stammt von Suno, die Texte allerdings schreibt ein Mensch: die Künstlerin Telisha Jones.

Zehntausende KI-Songs jeden Tag

Entsprechend will Spotify den Einsatz von KI auf den verschiedenen Ebenen aufdröseln und diese Information in den Credits anzeigen. Diese stehen zum Beispiel unter den Tracks eines Albums. Die Informationen müssen letztlich aber über die Vertriebe von Rechteinhabern oder Künstlern direkt angegeben werden. Einen konkreten Zeitplan nannte Spotify zunächst nicht; bei einem branchenweiten Standard für alle Dienste handele sich aber um einen „wichtigen ersten Schritt“.

Derweil setze auch Spotify Detektionstools ein, um komplett KI-generierte Songs zu identifizieren, sagte Charlie Hellman am Mittwoch in einem Gespräch mit Journalisten. Doch diese Tools seien nicht perfekt, so der Spotify-Manager, es gebe obendrein die Gefahr von „falsch positiven“ Ergebnissen. Sie seien durchaus hilfreich um ein grundlegendes Bild zu erhalten und Trends nachvollziehen zu können, sollten aber aus Sicht von Spotify nicht als Grundlage für Plattformregeln dienen.

Deezer veröffentlichte zuletzt auch in regelmäßigen Abständen die Summe der komplett KI-generierten Songs, die täglich auf die eigene Plattform hochgeladen werden. Mitte September seien es mehr als 28 Prozent der insgesamt mehr als 100.000 Werke gewesen. Anfang des Jahres hatte der Wert noch bei gut 10 Prozent gelegen.

Wie oft werden die komplett KI-generierten Songs gehört?

Der Musikkatalog der Streamingdienste ist größtenteils derselbe. Auch werden üblicherweise über Digitalvertriebe die Songs auf allen gängigen Plattformen veröffentlicht. Vergleichbare Daten hat bislang jedoch kein weiterer Dienst veröffentlicht. Angesprochen auf die Deezer-Zahlen sagte Hellmans Kollege Sam Duboff, dass letztlich der entscheidende Wert ja das Engagement der Nutzer sei. also ob die KI-Songs überhaupt gehört werden. Bei wahrscheinlich rein durch einen Prompt erstellte Songs sehe man jedenfalls eine äußerst überschaubare Summe an Streams.

Die Gesamtzahl der Streams, die ein Song auf einem Markt auf sich vereint, sind im Auszahlungssystem der Musikdienste der zentrale Faktor. Und tatsächlich kommen komplett KI-generierte Songs auf Deezer dem Unternehmen zufolge nur auf rund 0,5 Prozent der Gesamtabrufe. Auch die Spotify-Abrufe von The Velvet Sundown sind im Gesamtkontext mit Milliarden an Streams dann doch recht überschaubar und die Zahl der monatlichen Hörer nach Abflauen der Aufregung stark gesunken. Hinzukommt: Bei etwa 70 Prozent der Streams stellte Deezer Betrugsmuster fest, beispielsweise den Einsatz von Bots. Diese Abrufe werden in der Folge nicht vergütet.

Amazon Music und Spotify arbeiten obendrein seit einiger Zeit mit Mindestgrenzen, die ein Song überspringen muss, um überhaupt Tantiemen einzuspielen. Beim Marktführer sind es 1000 Streams innerhalb von 12 Monaten. Deezer hat keine Mindestgrenze, aber gewichtet Streams von Songs, die gewisse Marken überschreiten in der Abrechnung höher.