Gaza | Israel-Sanktionen: Was die EU plant und warum es kaum Wirkung zeigen wird
Ursula von der Leyen will ökonomische Strafmaßnahmen gegen Israel verhängen, aber Deutschland blockiert. Ohne erforderliche Mehrheit hat sie kaum Optionen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Friedrich Merz
Foto [M]: Kay Nietfeld/dpa
Handel und Diplomatie: Das waren früher einmal die wichtigsten und durchaus erfolgreichen Instrumente einer europäischen Außenpolitik. Doch seit der russischen Übernahme der Krim im Jahr 2014 setzt die EU immer mehr auf Sanktionen. Brüssel verhängt Reiseverbote, Vermögenssperren und wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen.
Viel gebracht hat das nicht, wie das Beispiel Russland zeigt. Das erklärte Ziel – ein Ende des Krieges gegen die Ukraine – wurde klar verfehlt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lässt sich davon aber nicht entmutigen, im Gegenteil: Gerade hat sie das 19. Sanktionspaket gegen die Russische Föderation vorgeschlagen.
Nun nimmt sie auch Israel ins Visier. Die Regierung in Jerusalem verstoße mit ihrem Krieg in Gaza gegen Artikel 2 des Partnerschaftsabkommens, der das humanitäre Völkerrecht garantiert, argumentiert die CDU-Politikerin. Doch auch das könnte ein Schlag ins Wasser werden, denn besonders Berlin sperrt sich gegen den Vorstoß aus Brüssel.
Ausgerechnet von der Leyens Parteifreund Friedrich Merz gilt als resoluter Gegner von Israel-Sanktionen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lasse sich nicht unter Druck setzen, meint der deutsche Kanzler. Vielmehr gelte es, Gesprächskanäle offenzuhalten, um Netanjahu zu einem Ende der katastrophalen Politik im Gazastreifen zu bewegen.
So hat auch von der Leyen lange argumentiert – zu lange, wie ihre zahlreichen Kritiker in Brüssel sagen. Seit Monaten baut sich Druck auf, erst mit Petitionen, dann auf der Straße, am Ende mit harten Attacken. Der frühere EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, ein Spanier, beschuldigt von der Leyen, mit zweierlei Maß zu messen.
In der Tat ist es schwer nachzuvollziehen, weshalb die EU im Ukraine-Krieg bereits 18 Strafpakete vorgelegt hat, im Gaza-Krieg dagegen nur ein einziges. Die immer wieder vorgebrachte Erklärung, Israel verteidige sich gegen die islamistische Hamas, überzeugt schon lange nicht mehr. Die Mehrheit in der EU fordert ein Umdenken.
Die geplanten Israel-Sanktionen der EU
Die nun ins Auge gefassten Sanktionen scheinen indes kaum geeignet, Netanjahu zu beeindrucken. Zunächst wurden nur bilaterale Hilfen im Wert von 20 Millionen Euro im Jahr auf Eis gelegt, Peanuts im Vergleich zu einem Handel im Wert von 42,6 Milliarden Euro, der jedoch erst in einem zweiten Schritt beschränkt werden soll. Auch dort fällt das Strafmaß bescheiden aus. Von der Leyen will Zollpräferenzen streichen und den Freihandel für rund ein Drittel der Importe aus Israel aussetzen. Betroffen wären vor allem Agrarprodukte wie Datteln, Obst und Nüsse. Die Wirtschaft wird das kaum treffen – es geht um Symbolpolitik.
Ernster sind die Sanktionen gegen gewalttätige israelische Siedler im Westjordanland und extremistische Minister wie Finanzminister Bezalel Smotrich und Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir. Beide gelten als rechtsextrem, beiden werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Freilich wären diese Strafen nur einstimmig von allen 27 EU-Staaten zu beschließen. Deutschland kann sie also blockieren.
Demgegenüber reicht für Einschränkungen im Handel die so genannte qualifizierte Mehrheit. Sie kommt zustande, wenn 15 Staaten zustimmen, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen. Ob Deutschland da eine sogenannte Sperrminorität aufbauen und die Handelssanktionen stoppen kann, ist offen. Noch haben sich nicht alle Mitgliedsstaaten positioniert. Wenn Italien, Österreich, Ungarn und Tschechien gemeinsam mit Deutschland gegen den Vorschlag der Kommission stimmen, könnte es eng werden. Die EU hätte sich blamiert.
Allerdings ist der politische Schaden schon jetzt für alle Beteiligten enorm: Israel ist isoliert, Deutschland sitzt im Bremserhäuschen, statt – wie von Merz versprochen – zu führen. Und zwischen Merz und von der Leyen geht auch nichts mehr. Der Honeymoon, den beide nach der Europawahl 2024 zelebrierten, ist offenem Misstrauen gewichen. Besserung ist nicht in Sicht – im Gegenteil.
Neuerdings mischt sich auch noch US-Präsident Donald Trump in die Sanktionspolitik ein und versucht, knallharte Strafen gegen Russland, Indien und China zu erzwingen. Da droht gleich der nächste Streit. Die EU-Sanktionen waren als Allzweckwaffe gedacht – nun werden sie zum Fluch.